Wie geht gutes religiöses und christliches Sprechen in Gebet, Lied und Liturgie?

Diese Frage bekam Antworten, als sich bei der Tagsatzung im Bistum Basel 2010 in Steinhausen die Projektgruppe „Neue religiöse Sprache“ bildete. Sie sieht ihre Aufgaben darin, darüber nachzudenken, wie Christ-Sein in der Zukunft aussieht, auf Gottesfragen/-vorstellungen einzugehen, und sich vor allem der religiösen Sprache zu widmen. Dabei entstanden
-          Kriterien für eine „neue religiöse Sprache“, nach denen ein religiöser Text beurteilt werden kann;
-          Eine Literaturliste mit Buchpublikationen, die diesen Kriterien mehr oder weniger entsprechen;
-          Kommentare und Beurteilungen zu einzelnen beispielhaften Texten.
Ihre Publikation „Neue religiöse Sprache“ ist als Hilfe vor allem für Verantwortliche von Gottesdiensten und Liturgien gedacht.

Die 15 Kriterien möchten wir hier vorstellen:
„Gutes religiöses und christliches Sprechen…

  1. steht im Zeichen der Reich-Gottes-Verkündigung Jesu und ist daher befreiende Sprache. Sie ist mystisch und politisch;
  2. ersetzt herrschaftsbetontes Sprechen durch eine Sprache, die sich an einem herrschaftsfreien Gottes-, Welt-, Menschen- und Kirchenbild orientiert;
  3. deutet Schöpfung, Menschwerdung und Erlösung im Lichte des evolutionistischen Weltbildes;
  4. weiß den Menschen als Ebenbild Gottes und macht den Menschen nicht klein, um Gott groß sein zu lassen. Gott wird groß gedacht, indem christlich-religiöses Sprechen vom Menschen groß denkt;
  5. verabschiedet sich von einer Tradition der Opfer- und Sühnetheologie, die den Menschen erniedrigt und das befreiende Gottesbild Jesu verrät;
  6. überwindet den vereinfachenden Dualismus „Gott – Mensch“ und damit ein Gottesbild im Sinne des „Deus ex machina“;
  7. beruht auf dem Glauben, dass Schöpfung und Mensch von Gott schon immer geliebt sind. Der Geschenkcharakter geschöpflicher und menschlicher Existenz ist in Jesus verbürgt. Dank und Lobpreis sind Grundbotschaft christlich-religiöser Sprache;
  8. bedient sich mythischer und poetischer – und vor allem biblischer Bilder („Gott ist wie ein Vater, wie eine Mutter...“), nährt sich aber auch aus der Alltagssprache und bleibt im Kontakt mit der gegenwärtigen Wirklichkeit von Mensch und Welt;
  9. hält Spannungen und Gegensätze im Gottesbild aus. Gott ist: männlich – weiblich; personal - transpersonal; gerecht - barmherzig; souverän – wehrlos liebend; allmächtig – den Menschen ermächtigend; fordernd – vergebend; bindend - befreiend; fern - nahe; Ehrfurcht gebietend – familiäre Geborgenheit schenkend; schweigend - sprechend; ruhend – handelnd; abwesend - gegenwärtig... Viele dieser Spannungspaare verlangen nach einem „sowohl - als auch“ und widerspiegeln den Reichtum der religiös–christlichen Erfahrung und Sprache;
  10. wird auch den Erfahrungen der „negativen Theologie“ gerecht. Sie macht dem Beter/der Beterin bewusst, dass Gott nicht in eindeutigen Begriffen zu fassen ist, sondern dass Gott immer auch der/die „ganz Andere“, der/die Unsagbare ist. „Wenn du nämlich etwas aussagen willst und du hast es in Worte gefasst, dann ist es nicht Gott. Wenn du etwas begreifen konntest, dann hast du statt Gott etwas anderes begriffen“ (Augustinus);
  11. ist weder statisch noch dogmatisch, sondern dynamisch;
  12. vermeidet sexistische Einseitigkeit (auch im Sprechen von und zu Gott);
  13. geht Ausdrücken aus dem Weg, welche die Wirklichkeit verallgemeinern, wie: Immer, immer wieder, wir, alle, jede/jeder, niemand, ganz, nie...;
  14. setzt den christlichen Weg nicht absolut auf Kosten anderer religiöser Wege. Gott liebt die Menschen, auch jene, die ihn/sie auf andern Wegen suchen und verehren;
  15. sucht auch im Bereich der Liturgie den gemeinschaftlichen Vollzug und bleibt daher nicht im rein subjektiven Sprechen stecken.“

Die Homepage der Tagessatzung mit ausführlicheren Informationen, der Literaturliste und den kommentierten Texte finden Sie unter tagsatzung.ch.