In verschiedenen Regionen unseres Landes werden Wort-Gottes-Feiern eingeführt. Dabei stellt sich immer wieder die Frage nach dem Verhältnis zwischen Wort und Brot - und ob eine Wort-Gottes-Feier mit oder ohne Kommunion gefeiert werden soll.

Das Wort Gottes ist in jedem Gottesdienst die Mitte, in dem Jesus Christus gegenwärtig ist und sich im Wort als „Brot des Lebens“ verschenkt. In der Gestaltung eines Gottesdienstes – insbesondere einer Wort-Gottes-Feier bleibt es eine Herausforderung, diesem Wort ein besonderes Gewicht und eine besondere Bedeutung zu geben, damit aus einem flüchtig gesprochenen bzw. gehörten Wort Nahrung für den Alltag wird – und durch das Hören auf das Wort Gottes Gemeinschaft mit Jesus Christus entstehen kann.

Versammelt in seinem Namen

Wenn wir uns in unseren (Pfarr-)Gemeinden in Zukunft immer öfter zu einer Wort-Gottes-Feier versammeln (und das nicht nur an Sonn- und Feiertagen, weil wir für die Eucharistiefeier zu wenig oder keine Priester mehr haben), dann dürfen wir diese Gottesdienstform nicht von einem Mangel oder einer Notlösung her sehen, sondern müssen ihre eigenständige Bedeutung und Feierform in den Blick nehmen, um zu einer vom Glauben an die Gegenwart Gottes in seinem Wort her konzipierten und rituell konsequent durchgestalteten Feierform und Feierkultur zu gelangen. So ist die Grundform einer Wort-Gottes-Feier in sämtlichen liturgischen Büchern und auch im neuen Gotteslob (vgl. Nummer 668 ff) als eigenständige Gottesdienstform entwickelt worden, die die Wortverkündigung in den Mittelpunkt der Feier stellt. Dabei ist sie viel mehr als nur eine reduzierte Eucharistiefeier ohne Wandlung, die sich an der Grundform eines Wortgottesdienstes in der Eucharistie ausrichtet. Die Gemeinde versammelt sich in seinem Namen um das Wort Gottes, hört auf die Zusage Gottes und gibt darauf singend, lobend, dankend und bittend Antwort, wird durch die Begegnung mit Gott im Wort verwandelt und erhält für den Alltag „Nahrung für die Seele“. Deshalb stiftet sie auch ohne die Kommunionspendung „Communio“ mit Gott.

Das Wort zum Ereignis werden lassen

Es geht also darum, eine Feierform zu entwickeln, in der das Wort der Schrift zum Ereignis wird. Wenn wir das Wort Gottes feiern, dann hören wir das Wort als Stimme des lebendigen Gottes, wir empfangen das Wort wie Manna in der Wüste, wir verdauen es wie Nahrung und werden dadurch gesättigt und gestärkt. Otto Nussbaum hat dafür den Begriff der „Wortkommunion“ geprägt – und meint damit, dass das Hören des Wortes Gottes eben diese Comunio stiftet, die uns zu Teilhabern an der Botschaft Gottes macht. Dies kann durch eine sinnenhafte Gestaltung der Wortverkündigung erfahrbar werden: das Lektionar wird beim Einzug feierlich mitgetragen und sichtbar an den „Ort des Buches“ gelegt; die Prozession als Aktionsform kann dabei helfen; das Wort Gottes wird schon vor der ersten Lesung durch ein Gebet und die Akklamation der Gemeinde begrüßt; Weihrauch und Kerzen machen sichtbar, dass es hier um etwas Besonderes handelt – dass Gott nun mitten unter uns ist. Bewegung im Raum, Elemente, die unsere Sinne ansprechen (der Duft des Weihrauchs und das Licht der Kerzen), das gemeinsame Singen und Beten – alles sinnenhafte Elemente, die Aufmerksamkeit wecken und die Blicke anziehen und das erklingende Wort wichtig machen. Der Abschluss der Wortverkündigung bildet der Dank und die Antwort der Gemeinde, die in ganz unterschiedlichen Formen gestaltet werden können (Lobpreis, Fürbittgebet, Dankgebet, Glaubensbekenntnis, Vater unser …). Und wenn wir den Mitfeiernden am Ende noch das Bibelwort persönlich zusprechen und es in Form einer Scheckkarte mit auf den Weg geben können, dann kann daraus eine „Wortkommunion“ entstehen.

Das Wort Gottes als Lebensmittel

Wenn wir glauben, dass wir das Wort als Stimme des lebendigen Gottes hören („Wort des lebendigen Gottes“), es wie Brot empfangen und als Nahrung verdauen und dadurch gesättigt werden, dann ist eine Kommunionspendung in einer Wort-Gottes-Feier nicht notwendig und theologisch und pastoral auch nicht sinnvoll. In den liturgischen Büchern ist daher die Option, im Rahmen einer Wort-Gottes-Feier keine Kommunion zu spenden (mit Ausnahme in einem Krankenhaus und Pflegeheim). Auch in den „Richtlinien für die Gottesdienstordnung im Pfarrverband“ wird diese Option aufgegriffen und eine Kommunionspendung nur in Ausnahmefällen gefeiert. Dabei geht es um den integralen Vollzug der Eucharistiefeier: er nahm das Brot (Gabenbereitung), sagte Dank (eucharistisches Hochgebet), brach das Brot (Brotbrechung) und gab es den Seinen (Kommunion). Eine Wort-Gottes-Feier mit Kommunionspendung kann – und will - eine Eucharistiefeier nicht ersetzen: sie ist keine Mahlhandlung, kein Gedächtnis von Tod und Auferstehung Jesu, keine Vergegenwärtigung des Opfers Christi für alle Menschen und erfüllt nicht den Auftrag Jesu „Tut dies zu meinem Gedächtnis“. In einer Wort-Gottes-Feier ist Christus in seinem Wort gegenwärtig und gibt sich den Mitfeiernden durch das Wort der Heiligen Schrift. Die Zeichenhandlungen ermöglichen die Erfahrung dieser Gegenwart und unterstützen den Empfang des Wortes als geistliche Nahrung. Deshalb braucht eine Wort-Gottes-Feier keine „Aufwertung“ durch eine Kommunionfeier. Eine Wort-Gottes-Feier ohne Kommunion bringt den Glauben an Gottes Gegenwart und eine klare Unterscheidung zur Eucharistiefeier zum Ausdruck.

Communion im Wort

Diese Empfehlung löst bei Gläubigen starke Emotionen und Wiederstand aus – ist doch unser Blick ganz stark auf das Brot und das Essen ausgerichtet. Der Sonntagsgottesdienst und der regelmäßige Kommunionempfang gehören eng zusammen und die Frage nach der Erfüllung der Sonntagspflicht wird damit auch gestellt.
Wenn es uns gelingt, in der liturgischen und biblischen Bildung, aber auch in der Gestaltung von Orten und Räumen das flüchtige, schnell verklingende Wort der Schrift zur festen Nahrung werden zu lassen, dann werden wir neben der Eucharistie so wie der Sakramente, der vielen Andachten oder der Tagzeitenliturgie (Morgen- oder Abendlob) verschiedene Gottesdienstformen entdecken, in denen wir uns als Gemeinde um das Wort Gottes versammeln und uns von ihm stärken lassen können. Die Herausforderung wird bleiben, aus einem Kommunikationsvorgang des Lesens und Hörens eine Teilhabe am Wort Gottes zu ermöglichen. Die eigenständige Wort-Gottes-Feier hat die Chance, dass wir durch sinnenfällige Rituale und Zeichenhandlungen Gottes Wort im Hören verschlingen, es durch das Verstehen wiederkäuen und durch den Glauben verdauen, so dass es in Fleisch und Blut übergehen kann und wir unser Handeln daran ausrichten können. So steht das Wort-Antwort-Geschehen der Verkündigung im Zentrum eines Gottesdienstes und ermöglicht gemeinschaftliche Teilhabe an Jesus Christus. Im Verkünden des Wortes Gottes ereignet sich noch heute, was Gott uns darin zuspricht. Deutlich wird das in vielen Heilungsgeschichten, in denen das Wort bewirkt, was Jesus den Menschen zuspricht – z.B.: „Steh auf, nimm dein Bett und geh“.

Die Chancen nutzen

In den vielen Veränderungen, die wir auch in der Art und Weise erleben, wie wir in unseren Gemeinden Gottesdienst feiern – und in Zukunft miteinander feiern werden können, bleibt die Aufgabe, die uns in der Wort-Gottes-Theologie des Konzils vor 50 Jahren schon mit auf den Weg gegeben wurde: das Wort Gottes im Erleben der Gläubigen als Nahrung vom Tisch des Wortes (vgl. Liturgiekonstitution „Sacrosanctum Concilium“ Nr. 51, Dogmatische Konstitution „Dei Verbum“ Nr 21) zu empfangen und die Gegenwart Christi im Wort der Verkündigung („Sacrosanctum Concilium“ Nr.7) erfahrbar zu machen. Die Möglichkeiten, einer Wort-Gottes-Feier durch Rituale, sinnenhafte Zeichenhandlungen, durch die aktive Einbeziehung aller Mitfeiernden oder durch den Freiraum in der Auswahl der Texte und Sprache ihre eigenständige Form und Bedeutung zu geben, sind Chancen, miteinander in eine neue Feierkultur hinein zu wachsen. Eine Wort-Gottes-Feier ist offener – gerade auch für Menschen, die sich nicht zur Kerngemeinde zählen, sie ermöglicht z.B. wiederverheiratet Geschiedenen die Mitfeier des ganzen Gottesdienstes und kann im Blick auf das bevorstehende Reformationsjahr als ökumenischer Gottesdienst gefeiert werden.

So werden in Zukunft an verschiedenen Orten unserer Diözese an Werktagen, aber auch an Sonn- und Feiertagen regelmäßige Wort-Gottes-Feiern ihren Platz finden und Teil einer lebendigen, vielfältigen und bunten Gottesdienstordnung sein. Ich bin überzeugt, dass es dabei nicht um ein Gegeneinander zwischen Eucharistie und Wort-Gottes-Feier gehen wird – vielmehr kann die Wort-Gottes-Feier in ihrer offenen und eigenständigen Form auf die Eucharistie hinweisen und den Hunger nach dem Brot des Lebens stärken. Und vielerorts feiern Gemeinden schon ganz selbstverständlich das Wort Gottes und entdecken darin einen wertrvollen Schatz für unseren Glauben und unser Leben – und wie sie dadurch als Gemeinde wachsen und reifen.