Interview mit dem Humorforscher Harald-Alexander Korp aus Berlin.

Harald Alexander Korp Harald-Alexander Korp

Herr Korp, Sie haben sich auf das Thema des Humors in den Religionen spezialisiert. Wenn wir uns die katholischen Gottesdienste anschauen - oder auch die Gebetspraxis in anderen Religionen - dann wird da eher selten gelacht. Ist beim Glauben und bei der Religion „Schluss mit lustig“?

In allen Religionen gibt es Traditionen des Lachens: Im Christentum brachte Phillipp Neri, der Clown Gottes aus Rom, die Menschen in seinen Gottesdiensten zum Lachen. Im Islam wird vom Propheten Mohammed berichtet, dass er so herzhaft lachte, dass seine Weisheitszähne sichtbar wurden. Das Judentum verfügt über eine geniale Form des Witzes. Und auch Buddha hat sich gerne amüsiert. Das freudvolle Lachen findet sich also durchaus. Doch Lachen kann auch Hierarchien infrage stellen, insbesondere, wenn sie auf patriarchalische Machtstrukturen aufbauen. Würdenträger fürchten, durch das Lachen lächerlich gemacht und in ihrer Autorität gefährdet zu werden. Deshalb blühen kritische Witze und Rituale, die das Tabu des Zweifels ankratzen. Im Christentum kennen wir den Karneval und das Osterlachen. Im Islam findet sich die Narrenfigur Nasreddin Hodscha. So darf über die Obrigkeit und über Dogmen gelacht werden. Lachen kann uns also sowohl mit anderen Menschen verbinden, als auch aus Abhängigkeiten befreien.

Unsere SeelsorgerInnen haben es oft mit bedrückenden Situationen im Krankenhaus zu tun, wo Krankheit, Tod und Trauer allgegenwärtig sind. Ist es nicht pietätlos, in einem solchen Umfeld zu lachen?

In der Sterbebegleitung geht es um empathische Begleitung. Darunter versteht jeder Mensch etwas anderes. Patienten, die gehemmt sind, halten unter Umständen das Lachen für unangemessen. Andere, für die der Humor im Leben eine große Rolle spielt, wissen ihn sehr zu schätzen. Doch wenn ich als Sterbebegleiter Patienten und Angehörigen unverbindlich wertschätzenden Humor anbiete und Impulse aufnehme, so lässt sich gemeinsam ein freudvolles Erlebnis teilen. Und es zeigt sich: Wer gemeinsam lachen kann, vermag auch leichter gemeinsam zu weinen.

Wenn Sie sich unsere Kirchen und unsere Krankenhäuser vor Augen führen: Wie können wir es schaffen, dass wieder mehr gelacht wird und der Humor nicht zu kurz kommt?

Der Humor hat zwei große Stärken: Zum einen verbindet gemeinsames Lachen Menschen auf einer tiefen Herzensebene. Das erlebe ich immer wieder in der Sterbebegleitung: Herzhaftes gemeinsames Lachen ist wie eine Umarmung. Die zweite Stärke des Humors ist der überraschende Perspektivwechsel, der die Welt auf den Kopf stellen kann. Dies ist ganz im Sinne von Paulus der sagte: „Wir sind alle Narren im Namen Christi.“ Warum? Weil sich durch eine neuartige Sichtweise Weisheit einstellen kann. Nicht umsonst lässt sich sagen: Lachen ist eine laute Kurzmeditation. Und ein Gebet. Denn es hilft, sich von seinen gewohnten Konzepten für einen Moment zu befreien, loszulassen und sich mit einer universalen Freude zu verbinden.

Interview: Michael Willam

Buchtipp:

Harald-Alexander Korp,
Am Ende ist nicht Schluss mit lustig –
Humor angesichts von Sterben und Tod,
Gütersloher Verlagshaus,
256 Seiten, € 20,60

(Artikel aus dem "ZeitFenster" Nr. 4 vom 23. November 2017, Beilage des KirchenBlatts Nr. 47/2017)