"Okay, hallo, bin ich hier schon richtig? Sind das die Tage der Kirchenmusik?" fragt man sich an diesem frühen Morgen in Batschuns. Ja, man ist richtig, absolut sogar - gerade weil hier mit allen Erwartungen aufgeräumt wird, was zur Kirchenmusik dazu gehört und was nicht.

Es ist kühl an diesem Morgen. Die Straße nach Batschuns schlängelt sich entlang der noch verschlafenen Landschaft hinauf zum Bildungshaus. Auch das ist noch etwas wolkenumhangen und ein bisschen Nebel wabert um die Häuserecken. Triste Aussichten, denkt man - und liegt damit sowas von daneben. Denn besser könnten die Aussichten an diesem Tag kaum sein, zumindest für alle, die Musik an sich schon mögen und auf jeden Fall für alle, die sich auch von Kirchenmusik überraschen lassen.

Kaum hat man die Schwellen des Bildungshauses Batschuns nämlich überschritten, ist von Tristesse keine Rede mehr. Aus der Kapelle im oberen Stockwerk hört man: Es wird schon gesungen. Morgenlob, auch das hat selbstverständlich Platz in dieser Woche der Kirchenmusik.

Der Zaungast ist gespannt

Nach und nach trudeln dann alle rund 50 Sängerinnen und Sänger in der Halle vor dem großen Seminarraum ein. Man begrüßt sich, wechselt noch kurz ein paar Worte, geht das Gelernte des Vortags noch einmal durch und macht sich dann langsam auf den Weg zu seinem Platz. Die Stimmung ist, man kann es nicht anders formulieren, grandios. "Es ist wunderbar hier! Wir freuen uns richtig auf die verschiedenen Gesangseinheiten. Und erst die Referenten und Referentinnen, wir freuen uns wirklich, von ihnen etwas lernen zu können", pflichten sich die Damen und Herren gegenseitig auf dem Weg zum großen Gesamtchor bei. Und als Zaungast denkt man sich, ja, klar und ist gespannt ob all dieser Lobeshymnen.

Und dann - Punkt neun Uhr - beginnt der morgendliche Gesamtchor. Das heißt: alles, was auf den Beinen ist, trifft sich im großen Saal des Bildungshauses und gemeinsam wird am Erreichen des Wochenziels gearbeitet. Das ist Josef Haydns Nelsonmesse und die ist nicht ganz ohne. Ganz nach vorne spaziert jetzt ein Mann. Josef Habringer, seines Zeichens Domkapellmeister in Linz. Er studiert die Nelsonmesse mit seinem Vorarlberger Projektchor in dieser Woche ein. Doch bevor man ans Einstudieren geht, heißt die Devise: Einsingen, meine Damen und Herren.

Macht das etwa Spaß?

Es wird sich gereckt und gestreckt, die Hände zum Himmel, den Kopf zum Boden, Katzenbuckel und auf die Zehenspitzen. Dann kommt die Stimme dazu und schön langsam entfaltet sich dieses morgendliche Gesamtkunstwerk.

Es dauert auch nicht lange, bis die nächsten Fragezeichen vor dem geistigen Auge des Betrachters auftauchen: Kirchenmusik? Warum sind hier alle so gut gelaunt? Warum wird hier so viel gelacht? Das sieht doch tatsächlich so aus, als könne das Spaß machen.

Dem ist auch tatsächlich so. Nicht ganz unbeteiligt daran ist natürlich Josef Habringer. Er gehört zu jenen Referentinnen und Referenten, die die Weitergabe von Wissen und Können aufs eleganteste mit Leichtigkeit zu verbandeln wissen. Arbeit darf auch Spaß machen und Musik auf jeden Fall.  Deshalb fallen da so lockere Sprüche wie: "Denkt immer auch an euer Gesicht. Das Gesicht ist beim Singen immer wichtig. Sieht man eine Messe im Fernsehen und schaltet den Ton ab, dann denkt man sich oft: Ach, schon wieder eine Beerdigung. " Oder auch: "Ihr kennt sicher die weit verbreitete kirchliche Singweise: langsam, friedlich, getragen - fad. Der Virus grassiert in der Kirchenmusik. Lasst euch nur nicht anstecken."

Was gute Lehrer/innen ausmacht

Gleichzeitig hört man aber auch laut und deutlich, wie der Chor von Takt zu Takt harmonischer, lebendiger, klarer, schlicht und einfach besser wird. Das zeichnet einen guten Lehrmeister wohl aus: Entwicklung fördern, Druck minimieren, Freude zulassen. Josef Habringer kann das und mit ihm alle Referntinnen und Referenten dieser Tage der Kirchenmusik.

Denn kaum verlässt man den großen Gesangssaal, hört man es so ziemlich hinter jeder anderen Türe weitersingen. Das sind die Einzelcoachings, die  die Stimmbildnerinnen Renate Ess, Petra Lindner-Schöch und Ingrid Zumtobel-Amann allen Teilnehmer/innen anbieten. Sie sind vollends ausgebucht.

Am Nachmittag stehen dann einzelne Seminarreihen auf dem Programm. Das "Neue Geistliche Lied" ist eine davon. Der Vorarlberger Musiker und Komponist Alfred Dünser leitet sie. Und was macht er dann vormittags: Ganz einfach, er singt im Gesamtchor mit. Auch das zeichnet die Tage der Kirchenmusik aus, die Kollegialität unter den Sängerinnen und Sängern, den Referentinnen und Referenten.

Und wo bleibt die Kirche?

Und die spirituelle Seite? Schließlich sind es ja die Tage der Kirchenmusik! Ja, auch das Spirituelle kommt nicht zu kurz. Durch die Musik an sich schon und nicht zuletzt durch Dekan Ronald Stefani, der für die geistlichen Impulse während dieser Woche in Batschuns zuständig ist.

Es ist das Gesamtpaket, die gute Mischung, die den Reiz dieser "Werkwoche", wie die Tage der Kirchenmusik unter Insider/innen heißen, ausmacht. Chorleiter/innen holen sich neue Impulse für ihre Chöre. Chorsänger/innen arbeiten an ihrer Stimme - egal, ob altgedient oder ganz frisch dabei. Und die Musik, die gibt auch den letzten Zweifler/innen schlichtweg den Rest. Die ist nämlich einfach nur schön!

Fazit. Doppelpunkt.

Wer hinter Kirchenmusik langsam, friedlich, getragen - fad vermutet, der nutze die nächste Gelegenheit, packe sie am Schopf und lasse sich eines Besseren belehren. Zum Beispiel bei der Abschlussmesse mit Haydns "Nelson", kommenden Samstag, 19 Uhr in der Pfarrkirche Frastanz.