Als spätestens Anfang Mai 1945 die Alliierten die NS-Herrschaft in Österreich endgültig beendeten, begannen die Entwicklungen hin zu einer neuen, demokratischen Presse in Österreich. Bereits vier Monate später erschien die erste Ausgabe des „Kirchenblatt – Herausgegeben von der Apostolischen Administratur Innsbruck-Feldkirch“. Eine bewundernswerte Leistung. Denn die Anfänge der Wochenzeitung waren äußerst schwierig.

Heinz Niederleitner

Nach sieben Jahren Presselenkung durch die Nationalsozialisten übernahmen die Alliierten die Kontrolle über die Medien. Allerdings unterschied sich ihre Medienpolitik grundlegend.

Russische Besatzungszone. Ironischerweise waren es gerade die Sowjets, die als Besatzungsmacht (Niederösterreich, Burgenland, Mühlviertel) im Pressebereich eher vor Ort und nach Maßgabe der Gegebenheiten entschieden. Bereits am 15. April 1945 gab die sowjetische Besatzungsmacht in Ostösterreich die „Österreichische Zeitung“ heraus. Zu diesem Zeitpunkt waren die Leser in Westösterreich noch mit NS-Propaganda konfrontiert.
Und schon am 23. April kam mit dem „Neuen Österreich“ eine von Österreichern gemachte, freilich sowjetisch kontrollierte Zeitung heraus. Im Herausgeberkommitee fand sich neben Vertretern von ÖVP, SPÖ und KPÖ unter anderem auch der Wiener Domkurat Jakob Fried, der später die Wiener Kirchenzeitung leiten sollte. Auch die drei Parteien ÖVP, SPÖ und KPÖ konnten unter den Sowjets schon Anfang August 1945 eigene Zeitungen herausgeben.

Der Presseoffizier war zuständig. Ganz anders begannen die US-Amerikaner ihre Medienpolitik als Besatzungsmacht (Salzburg, Oberösterreich ohne Mühlviertel): Sie hatten einen Drei-Phasen-Plan, der zunächst einmal die Einstellung aller Zeitungsunternehmen vorsah. In Phase zwei gründeten die Amerikaner selbst Tageszeitungen wie etwa die „Salzburger Nachrichten“. Ohne Genehmigung des zuständigen Presseoffiziers konnte keine Zeile erscheinen.
Erst in der dritten Phase sollte es wieder eine relativ freie österreichische Presse geben. Komplizierter war offenbar die Medienpolitik der Briten (Steiermark, Kärnten, Osttirol) und Franzosen (Tirol, Vorarlberg), auch weil sie Teile ihrer Besatzungszonen erst später von anderen Mächten übernahmen (die Franzosen von den USA, die Briten von der Sowjetunion).

Die Kirche brauchte eine Erlaubnis. Um zu einer halbwegs gemeinsamen Medienpolitik zu kommen, erarbeiteten die Besatzungsmächte die „Deklaration über die demokratische Presse“ in Österreich vom 1. Oktober 1945. Diese lief nach einer Zeit teilweise starker Kontrolle auf eine beschränkte Form der Pressefreiheit hinaus: Wer eine Zeitung herausgeben wollte, brauchte eine Erlaubnis der jeweiligen Besatzungsmacht.
Wer aber gegen eine der Bedingungen verstieß - etwa aufgrund eines „böswilligen“ Artikels gegen eine Besatzungsmacht - musste mit Sanktionen wie einem zeitweiligen Erscheinungsverbot rechnen. Auch einige Kirchenzeitungen entstanden aufgrund dieser Deklaration. Die Deklaration blieb bis 1955 zwar formell in Kraft, verlor aber schon nach 1947 an Bedeutung.

Es gab kaum Papier. Eine Schwierigkeit derneu entstehenden österreichischen Presse hatte nur bedingt mit den Besatzern zu tun: die Papierknappheit. Zwar hatte Österreichs Papierindustrie den Krieg relativ unbeschadet überstanden, doch blieb die Nachfrage nach Rotationspapier für den Zeitungsdruck in den ersten Nachkriegsjahren stets größer als das Angebot.
Dafür lassen sich vielfältige Gründe anführen: die Besatzungsmächte beanspruchten einen nicht unwesentlichen Teil des Papiers für sich bzw. für ihre eigenen Zeitungen (zum Teil wurde auch Papier in die Besatzungszonen in Deutschland verschoben); das Interesse an gedruckten Nachrichten war gerade in den ersten Nachkriegsjahren besonders hoch; und die Papierindustrie setzte früh auf Export, wobei man offenbar weniger auf Geld als auf dringend benötigte Waren und Dienstleistungen aus Kompensationsgeschäften aus war. Dazu kam, dass die Papierzuteilung nur von drei Papiermühlen aus durchgeführt wurde.

Dünne Zeitungen, wenig Benzin. Konkret bedeutete das: Die schon beschränkten Auflagehöhen konnten nicht erreicht werden, die Zeitungen waren dünn, Wochenzeitungen erschienen zum Teil nur alle zwei Wochen. Erstaunlich, dass das Kirchenblatt von Anfang an wöchentlich herauskam. Allerdings immer im bescheidenen Umfang von vier Seiten (bis 1955).
Im Alltag führte dies dazu, dass man sich das fehlende Papier soweit als möglich „organisieren“ musste: Das konnte am Schwarzmarkt sein, bei den Besatzungsmächten – aber auch bei der Konkurrenz: So halfen sich Zeitungen mit Papier gegenseitig aus. Der Versuch, der Papierknappheit mit einem Papierverbrauchslenkungsgesetz Herr zu werden, war wenig erfolgreich. Die Papierzuteilungen wurden von den verschiedensten Seiten trotz allem als ungerecht empfunden. Übrigens war nicht nur die Papierknappheit ein Problem: Schlechte Verkehrswege und geringe Mittel für Treibstoff erschwerten die Zustellung.

 

Kein Regenschirm!

Kirchenblatt Nr. 1 1945

„Grüß Gott! Nun ist es da und will als ein guter Hausfreund bei euch bleiben, will Freude und Sorgen mit euch teilen und mithelfen, euch die Schönheit des Glaubens mehr und mehr zu zeigen, will das Glück derer schildern, welche die Kraft aufbringen, aus ihrer religiösen Überzeugung heraus das Leben zu gestalten.“
Mit dieser Ansage und mit vier Seiten Umfang ist das „Kirchenblatt“ im Herbst 1945 ins Leben gestartet. Herausgegeben und verlegt wurde es vom Seelsorgeamt der Apostolischen Administratur Innsbruck-Feldkirch, für die Redaktion zeichneten Eugen Bischof (Innsbruck - St. Nikolaus) und Dr. Edwin Fasching (Feldkirch) verantwortlich. Gedruckt wurde in Innsbruck, ein Exemplar kostete vor 70 Jahren 10 Pfennig.
Nicht jammern, sondern das Gute aufzeigen. Das war schon immer das erklärte Ziel des KirchenBlattes. Damals verständlich, mutet es aus heutiger Perspektive vielleicht befremdlich an, dass die erste Ausgabe von 1945 keine einzige Zeile vom wenige Monate vorher zu Ende gegangenen Weltkrieg und vom Untergang des nationalsozialistischen Regimes verlauten lässt.
Vielmehr wird gleich auf der Titelseite schwärmerisch über die Jugend früherer Tage geschrieben. Es folgen Gebete, der liturgische Wochenkalender, Gedanken für die Woche, kleine Abhandlungen über die Mission, Zitate „Großer Männer“ und die Rubrik „Frage und Antwort“: „Wer war der hl. Walter? Muss man zur Nottaufe Weihwasser nehmen? Ist für die Messe weißer Wein vorgeschrieben? Was ist ein Dogma? Wie viele Päpste hat es bisher gegeben?“ In den Fußzeilen der Erstausgabe ist übrigens zu lesen: „Das Christentum ist kein Regenschirm für böse Tage“ und „Lang ist der Weg durch die Lehre, kurz durch das Beispiel“.  DS

(Aus dem KirchenBlatt Nr. 43 vom 22. Oktober 2015)