Mit Dr. Helga Kohler-Spiegel übernimmt erstmals eine Frau den Vorsitz im Kuratorium des Jugend- und Bildungshauses St. Arbogast. In diesem Aufsichtsgremium des diözesanen Bildungshauses oberhalb von Götzis folgt sie Pfr. Elmar Simma nach. Mit dem KirchenBlatt sprach Kohler-Spiegel über kirchliche Bildungsarbeit und die Zukunft des Hauses.

Dietmar Steinmair

KirchenBlatt: Was ist das Kuratorium für das Jugend- und Bildungshaus St. Arbogast, wer gehört ihm an?
Helga Kohler-Spiegel: Das Kuratorium entspricht in etwa dem Aufsichtsrat in Unternehmen. Es entscheidet grundsätzlich über die Leitspiritualität und das Gesamtkonzept der Bildungsarbeit des Hauses, genehmigt das jährliche Budget und den Geschäfts- und Jahresbericht. Das Kuratorium setzt sich zusammen aus Generalvikar, Pastoralamtsleiter, Jugendseelsorger, Finanzkammerdirektor, Hausleiter, Vorsitzende/r des Freundeskreises und weiteren Vertreter/innen der Jugendarbeit und Pastoral. Das Kuratorium entscheidet auch über die Besetzung der Stelle der Leitung des Bildungshauses. Der oder die Vorsitzende wird vom Kuratorium gewählt und vom Bischof ernannt. 

Helga Kohler SpiegelProf. Dr. Helga Kohler-Spiegel, Feldkirch.
Professorin an der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg
im Fachbereich Humanwissenschaften.
Sie lehrt Pädagogische Psychologie und Religionspädagogik.
Sie ist Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin und (Lehr-)Supervisorin,
Autorin von Fachbüchern und Referentin.

KirchenBlatt: Was sind im Besonderen Ihre Aufgaben als Kuratoriumsvorsitzende?
Kohler-Spiegel: Elmar Simma hat 25 Jahre lang den Vorsitz des Kuratoriums innegehabt, er hat diese Aufgabe mit ganz viel Herz und ganz viel Verstand über all die Jahre gemacht - und hat diese Aufgabe wunderbar entwickelt und geprägt. Gerne sage ich ihm an dieser Stelle ganz herzlichen Dank für seinen Vorsitz.
Auch ich bereite mit dem Leiter von St. Arbogast und dem Jugendseelsorger die Sitzungen vor und leite sie. Meine Tätigkeit soll die Jugend- und Erwachsenenbildung in Arbogast unterstützen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärken. Ich setze mich dafür ein, dass der offene und innovative Weg der Bildungsarbeit und Pastoral fortgesetzt werden kann, dass neue Herausforderungen diskutiert und bewältigt werden und dass dafür auch die notwendigen finanziellen Ressourcen vom Träger und von der öffentlichen Hand zur Verfügung stehen.

KirchenBlatt: Welche Schwerpunkte gibt es in St. Arbogast in den kommenden Jahren? Sind neue geplant?
Kohler-Spiegel: Vor zwei Jahren habe ich teilweise den Visionsprozess „Arbogast 2020“ als Moderatorin begleitet. Dabei wurden fünf Schwerpunkte herausgearbeitet - und dann vom Kuratorium beschlossen. 

Stärken stärken: Erste Priorität ist, ein klares Ja zu der schon gelebten Kultur und Praxis der Gastfreundschaft, Achtsamkeit und weltoffenen christlichen Spiritualität, sie zu stärken, zu vertiefen und sie mit den dafür notwendigen Ressourcen auszustatten.

Arbogast ist ein Ort der Jugend: Bei Orientierungs- und Einkehrtagen, Ministranten- und Musiksommerwochen, Öko-Schullandwochen und Lehrlingsworkshops kommen jährlich 7000 Jugendliche nach Arbogast und sind gerne im Haus. Diese Jugendarbeit soll  weitergeführt werden. Dazu soll es in Zukunft neue Formate mit Jugendlichen geben. Die „Junge Initiative Arbogast“ wird schon vorbereitet, bereits ab Herbst soll ein/e Projektleiter/in dafür angestellt werden.

Glaubenspraxis vertiefen: Angesichts der zurückgehenden religiösen Sozialisation und Tradition ist es zunehmend wichtig, die spirituelle Dimension in allen Themen und Lebensfragen zu erschließen, Menschen in spirituelle Praxis einzuführen,  Liturgie zu feiern, neue Formen zu erproben, auf das Leben zu hören und zu fragen, was uns das Evangelium heute sagt. In Arbogast wird jetzt schon eine zeitgemäße, sympathische Sozialform von Kirche gelebt.

Bildung als Lebenshilfe: Alltagsthemen sollen verstärkt aufgegriffen werden, Lebenspraktisches, das Selber-Tun, das Sich-gegenseitig-Helfen, Eigeninitiative sollen verstärkt werden.

Neue gesellschaftliche Impulse und glaubwürdige Praxis: Arbogast ist mit seinem Tun und seinem Programm ein gesellschaftspolitisches Statement. Das Bildungshaus gibt dem Neuen Raum und soll ein Haus der Initiativen, Vernetzung, Kooperationen sein.

KirchenBlatt: Die Kirche ist einer von mehreren Anbietern auf dem Markt der Erwachsenen-Bildung. Was zeichnet St. Arbogast aus?
Kohler-Spiegel: Arbogast ist ein anerkannter, innovativer Teil der Vorarlberger Erwachsenenbildung. Dass hier ausgezeichnete Erwachsenenbildung geleistet wird, zeigt sich auch in der Verleihung des Österreichischen Staatspreises für Erwachsenbildung für die „Tage der Utopie“.  Einerseits sind es die spezifischen Inhalte, die in der Form nur hier angeboten werden: Gesellschaftliche Zukunftsthemen, sinn- und wertorientierte Lebensgestaltung, Achtsamkeit und  Dialog, Kontemplation, schöpferische Pausen für Familien. Andererseits nützt man die spezifischen Möglichkeiten eines Bildungshauses: Die Werte werden gelebt, z. B. durch konsequent nachhaltiges Wirtschaften, in der Partnerschaft mit Vorarlberger Biobauern, der Nutzung von Sonnenenergie und Biomasse, umweltfreundliche Mobilität, aber auch in der partnerschaftlichen Unternehmungskultur, in der gelebten Spiritualität. „Was wir tun sagt mehr, als worüber wir reden“, heißt es im Leitbild des Hauses.

KirchenBlatt: Das Bildungshaus entstand vor über 50 Jahren zunächst als Jugendbildungshaus. Inwieweit spielen Angebote für Jugendliche auch heute noch eine Rolle?
Kohler-Spiegel: Wie gesagt, kommen jährlich rund 7000 Jugendliche nach Arbogast zu Orientierungs- und Einkehrtagen, Ministranten- und Musiksommerwochen, Öko-Schullandwochen und Lehrlingsworkshops. Es ist eine Besonderheit von Arbogast, dass Jugendliche und Erwachsene gerne hier sind und sich spontan begegnen, im Speisesaal, im Garten. Zunehmend auch in Veranstaltungen, wie zum Beispiel beim schon zweiten „Generation-Talk“, dem monatlichen Taizé-Gebet oder dem ersten „Jungen Slow Food Abend“ am 12. April. Arbogast ist ein generationenverbindendes Haus. Mit der „Jungen Initiative Arbogast“  ist in Zukunft eine Vertiefung der Beteiligung junger Erwachsener am gesellschaftlichen Wandel beabsichtigt. Und dass 2016 das Jugendhaus (Haus 1) nach 54 Jahren intensiver Nutzung innen generalsaniert werden soll, zeigt, für wie bedeutsam die Jugendbildungsarbeit in Arbogast gehalten wird.

KirchenBlatt: Vielen Dank für das Gespräch.