KirchenBlatt-Interview mit Pfarrer Dr. Michael Max zu diesem Gebetstag, der in einer Zeit der Krise zusätzliche Brisanz gewonnen hat. Das Gespräch führte Hans Baumgartner.

„Wohin gehst du?“ Unter diesem Motto steht heuer in Österreich und Deutschland der Weltgebetstag um geistliche Berufe. Durch die Ereignisse der vergangenen Wochen hat diese Frage für die Kirche, aber auch für Priester zusätzliche Brisanz gewonnen. Wir sprachen mit Pfarrer Michael Max.

Pfr. Michael MaxDr. Michael Max
ist Pfarrer in Neumarkt und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft europäischer Priesterräte.

Die Kirche erlebt derzeit eine von Gewalt und Missbrauch ausgelöste Vertrauenskrise. Wie geht es Ihnen als Priester?
Max: Ich mache da mehrere Erfahrungen: Zunächst einmal bin ich, so wie auch viele Leute in meiner Gemeinde, irritiert und erschüttert über das Ausmaß der Vorfälle und darüber, wie damit in der Vergangenheit zum Teil umgegangen wurde. Und es schmerzt mich zu sehen, wie jetzt auch manche die Kirche verlassen, die bisher doch einen Bezug zur Gemeinde hatten. Auf der anderen Seite erlebe ich  auch ein Zusammenrücken, nicht im Sinne von mauern oder abwehren, sondern von einander stützen und motivieren. Persönlich habe ich mich in den vergangenen Wochen, auch in Gesprächen mit Kollegen, öfter gefragt, was mich motiviert hat, Priester zu werden, und ob das noch trägt. Ich habe dadurch wieder deutlicher erfahren, was mich an diesem Beruf fasziniert – das Unterwegssein mit Leuten, das Bei-ihnen- und Mit-ihnen-Sein in allen Lebenslagen, wodurch, hoffentlich, für sie, aber auch für mich, spürbar wird, dass der Gute Hirte mit uns auf dem Weg ist.

Sie sprechen vom „Guten Hirten“. Aber haben die Missbrauchs- und Gewaltfälle dieses Bild nicht sehr verdunkelt? Wie kann da Vertrauen wieder wachsen?
Max: Kardinal Schönborn hat selbst davon gesprochen, dass hier nicht nur viel menschliches Leid verursacht wurde, sondern auch eine „Gottesvergiftung“ geschehen sei. Deshalb bin ich froh darüber, dass die Kirchenleitung in dieser Krise wirklich entschlossen handelt und darin versucht, glaubwürdig zu sein. Diese Krise sehe ich aber auch als Herausforderung, wie wir in unseren Gemeinden, und zwar alle miteinander, unsere unterschiedlichen Talente und Charismen einsetzen, um die Botschaft vom Guten Hirten möglichst vielen bekannt und erfahrbar zu machen.

Kritisch angefragt wurde in den vergangenen Wochen auch die Auswahl von Priesterkandidaten bzw. die Priesterbegleitung. Wie sehen Sie das?
Max: Soweit ich höre, schauen sich die Regenten der Seminare die Bewerber gut an und schicken auch, trotz der niedrigen Eintrittszahlen, nicht wenige Interessenten weg. Bei der Ausbildung und Priesterbegleitung wird man auf Grund der jetzigen Erfahrungen einiges neu überlegen müssen. So etwa finde ich es schade, dass es gerade unter jüngeren Priestern, im Unterschied zur mittleren Generation, kaum Gruppen gibt, die Supervision in Anspruch nehmen. Das hat vielleicht auch etwas mit einem etwas „zu fertigen“ Priesterbild zu tun. Da lässt man sich nicht gerne von „außen“ in seiner Rolle anfragen.

Der Priestermangel schlägt auch auf „Berufungen“ zurück, weil viele junge Leute kaum mehr Kontakt zu Priestern haben. Wie weit spielt da der Zölibat eine Rolle?
Max: Tatsache ist, dass für viele Priester, aber auch für viele haupt- und ehrenamtlich in der Kirche tätige Frauen und Männer positive Erfahrungen mit Priestern in ihrer Jugend prägend waren – wenn ich nur an unsere Kapläne in Gmunden denke. Heute gibt es kaum mehr Kooperatoren, und die Priester haben immer öfter mehrere Pfarreien zu betreuen. Da werden diese direkten Begegnungsmöglichkeiten rar. Dennoch meine ich, dass wir die Frage des Zölibats nicht vorrangig unter dem Gesichtspunkt der geringen Zahlen, vor allem bei uns in Westeuropa, diskutieren sollten. Die Grundfrage müsste sein: Wie sehe ich den Priester heute, was ist seine „Rolle“. Und ist dafür die lange Tradition des Zölibats unverzichtbar. Oder wären nicht auch andere Modelle denkbar – bis zu der Praxis, dass Gemeinden bewährte Männer dem Bischof als Priester vorschlagen. Auch das hat es in der Kirche gegeben und gibt es teilweise jetzt wieder bei den verheirateten Diakonen.
Hans Baumgartner

(aus KirchenBlatt Nr. 16 vom 25. April 2010)