Teil 2 von 5 der Serie "Zeit der Schöpfung". Der Mensch - Mitarbeiter Gottes am Schöpfungswerk oder der, der sich an die Stelle Gottes setzt.

 Prof. Dr. Kurt Remelevon Prof. Dr. Kurt Remele
Theologe  und Ethiker,
Universität Graz


Den meisten Menschen, auch vielen Gläubigen, ist nicht bekannt, dass sich Päpste und Bischöfe wiederholt zur Verantwortung der Menschen, Gottes Schöpfung zu bewahren, geäußert haben. Die ökumenische Schöpfungszeit, die am 1. September begonnen hat und bis zum Fest des hl. Franziskus am 4. Oktober dauert, ist ein geeigneter Anlass, einige dieser Aussagen kennenzulernen. 

Die katholische Morallehre besteht nach Ansicht vieler Menschen vor allem aus einer Liste von Verboten, die bestimmte sexuelle Handlungen betreffen. Es ist hier nicht der Ort, zu diesen Vorschriften, vom Pillenverbot bis zum Verbot homosexueller Handlungen, moraltheologische Überlegungen anzustellen. Es geht mir lediglich um den falschen Eindruck, der in der Öffentlichkeit entsteht. Denn wer päpstliche und bischöfliche Dokumente wie Enzykliken, Hirtenbriefe und Ansprachen aufmerksam liest, wird erkennen,  dass das kirchliche Lehramt zu einer Vielzahl weiterer ethischen Fragen, gerade auch zur Umweltproblematik und zur Bewahrung der Schöpfung, oft und kompetent Stellung genommen hat.

Vorrang der Umwelt
Ein Beispiel gefällig? Als Papst Johannes Paul II. im Jahre 1984 Kanada besuchte, hielt er eine Reihe von Ansprachen zu gesellschaftsethischen Fragen. Bei seiner Rede in Toronto sprach der Papst einen Satz aus, den man als ultrakurze Zusammenfassung der katholischen Soziallehre betrachten darf: „Die Beseitigung der Not der Armen muss Vorrang haben vor den Luxusbedürfnissen der Reichen, Arbeiterrechte vor der Profitmaximierung, die Erhaltung der Umwelt vor unkontrolliertem industriellem Wachstum, die Befriedigung von Grundbedürfnissen vor der Güterproduktion für militärische Zwecke.“ Dieses Ziel zu verwirklichen, ist dem Papst zufolge nur möglich, wenn Einzelpersonen und Gruppen, Staaten und die internationale Gemeinschaft zusammenarbeiten.

Menschliche Tyrannei
Über die Erhaltung der Umwelt, die Bewahrung der Schöpfung, äußerste sich Johannes Paul II. noch in zahlreichen anderen Dokumenten. 100 Jahre nach der Veröffentlichung der ersten Sozialenzyklika „Rerum Novarum“ („Über die neuen Dinge“, 1891), in der sich Papst Leo XIII. mit dem Elend des Industrieproletariats auseinandersetzte, äußerte sich Papst Johannes Paul II. in seinem Sozialrundschreiben „Centesimus annus“ („Das hundertste Jahr“, 1991) wie folgt über das Verhältnis von Mensch und übriger Natur: „Der Mensch, der mehr von dem Verlangen nach Besitz und Genuss als nach dem nach Sein und Entfaltung ergriffen ist, konsumiert auf maßlose und undisziplinierte Weise die Ressourcen der Erde und selbst ihre Existenz. […] Statt seine Aufgabe als Mitarbeiter Gottes am Schöpfungswerk zu verwirklichen, setzt sich der Mensch an die Stelle Gottes und ruft dadurch die Auflehnung der Natur hervor, die von ihm mehr tyrannisiert als verwaltet wird.“ (Nr. 37, 1)

Der Mensch als Teil der Schöpfung
Ein wesentlicher Grund für diese menschliche Tyrannei liegt in der Auffassung, die nicht-menschliche Umwelt oder Mitwelt sei lediglich dazu da, die teils maßlosen Bedürfnisse der Menschen – und zwar der gegenwärtig lebenden Menschen – zu befriedigen: Nach uns die Sintflut! Doch wir Menschen haben eine Verantwortung gegenüber unseren Kindern und Kindeskindern. Wir sind außerdem selbst Schöpfung Gottes und deshalb mit
allen anderen Geschöpfen verbunden.
Dies haben die katholischen Bischöfe der USA in ihrem eindrucksvollen Pastoralschreiben „Renewing the Earth“ („Die Erde erneuern“, 1991) klar und deutlich zum Ausdruck gebracht: „Wenn wir in Gottes Gegenwart
leben, werden wir beginnen, uns selbst als Teil der Schöpfung zu erfahren, als Verwalter in ihr, nicht als von ihr getrennt.“

IMPULSE

„Wenn wir in Gottes Gegenwart leben, werden wir beginnen, uns selbst als Teil der Schöpfung zu erfahren, als Verwalter in ihr, nicht als von ihr getrennt.“  Bischofskonferenz der USA

„Es ist Aufgabe des Staates, für die Verteidigung und den Schutz jener gemeinsamen Güter, wie die natürliche
und die menschliche Umwelt, zu sorgen, deren Bewahrung von den Marktmechanismen allein nicht gewährleistet werden kann.“   Papst Johannes Paul II.

„Der Schutz der Umwelt, der Ressourcen und des Klimas erfordert, dass alle auf internationaler Ebene Verantwortlichen gemeinsam handeln.“   Papst Benedikt XVI.