damit die Gemeinden Eucharistie feiern können." Bischof Erwin Kräutler über die Fußball-WM, Ideen für die Pastoral und seine Zukunftspläne.

zur Person Dom Erwin Kräutler

Am 12. Juli dieses Jahres wird Dom Erwin Kräutler 75. Wie im Kirchenrecht vorgesehen, wird er dann dem Papst seinen Rücktritt anbieten. Doch Bischof Kräutler will weiter arbeiten. Mit Papst Franziskus hat er in einer Privataudienz im April drängende pastorale Fragen besprochen. Diese und die aktuelle Lage in Brasilien waren Thema im Gespräch mit den Redaktionen von KirchenBlatt und kath-kirche-vorarlberg.at.

Dietmar Steinmair

Auch wenn Erwin Kräutler gerade in Vorarlberg ist, das Eröffnungsspiel in São Paulo zur Fußball-WM in Brasilien hat er sich angeschaut: „Ich hoffe natürlich, dass Brasilien die ‚Hexa‘ (den sechsten WM-Titel, Anm.) macht.“ Gleichzeitig wiederholt er seine Kritikpunkte an der gigantischen Großveranstaltung. „Es wurden zehn Milliarden Euro an öffentlichen Geldern ausgegeben, damit alles den FIFA-Standards entspricht. Doch die jungen Leute hätten gerne FIFA-Standards auch für die Bildung und die Spitäler.“

Für Kräutler sind Ausgaben in dieser Größenordnung unbegreiflich - wenn gleichzeitig Menschen in den Krankenhäusern auf dem Boden liegen müssen. Kräutler wird noch deutlicher: „Diese WM ist nur für die Reichen, die Bonzen, und die FIFA.“ Erschwingliche Stehplätze gebe es in den Stadien keine. Im Umkreis von zwei Kilometer rund um die Stadien dürfen Kleinhändler keine Verkaufsstände für Trikots, Fähnchen oder Essen aufstellen - schlichtweg ein Kulturbruch. Oder die Stadien selbst: „In Manaus wurde die alte Spielstätte dem Erdboden gleichgemacht und ein neues Stadion errichtet, das nie mehr ausgelastet sein wird.“ Denn Manaus hat nur eine unterklassige Mannschaft. Auch die Flughäfen nutzen nur die Touristen.

Fußball: ja, aber
Erwin Kräutler möchte nicht missverstanden werden „Fußball ist in Brasilien der Nationalsport. Wenn Brasilien den Titel holt, wird es drei Tage nationalen Jubel geben. Doch das böse Erwachen kommt danach, wo die Leute merken: Mensch, haben wir jetzt viel Geld verputzt.“
Der Aussage von FIFA-Präsident Josef Blatter, „die FIFA könne die Welt nicht verändern“ kann Kräutler nichts abgewinnen. „Das ist schlichtweg der Abfall von einem positiven Denken, wie wir Christen es kennen. Jesus ist gekommen, um die Welt zu verändern.“

Die Eucharistie-Frage
Ein weiteres Thema beschäftigt Kräutler derzeit sehr. Im April hatte ihn Papst Franziskus zu einer Privataudienz geladen. „Dabei haben wir über die Eucharistie bzw. über die Nichtfeier der Eucharistie gesprochen. Ich habe ihm die Geschichte erzählt, wo ich in einer Gemeinde eine Kapelle einweihen sollte. Die hatte aber nur einen Ambo. Auf meine Frage, ob da nicht etwas Entscheidendes fehle - der Altar - sagte die Gemeindeleiterin: ‚Bischof, das weiß ich schon, aber das ist für uns nicht aktuell. Die zwei Mal im Jahr, wo wir Eucharistie haben, holen wir einen Tisch aus der Schule und legen eine schöne Decke drauf. Aber danach geben wir ihn wieder zurück.‘ Da haben bei mir die Alarmglocken geläutet“, so Kräutler. Papst Franziskus habe ihn und die brasilianischen Bischöfe damit beauftragt, konkrete Lösungsvorschläge zu machen.

„Als ich wieder zu Hause war, habe ich in der Bischofskonferenz von der Audienz erzählt. In den anschließenden Statements haben alle Bischöfe in dieselbe Kerbe geschlagen: Wir müssen etwas tun, damit die Gemeinden öfter Eucharistie feiern können. Denn das ist das, was uns zentral ausmacht.“ Den oft gehörten Hinweis, das sei eine Frage der Weltkirche, lässt Kräutler nicht gelten: „Wir in Österreich und wir in Brasilien, wir gehören doch auch zur Weltkirche.“ Die brasilianische Bischofskonferenz wird eine Kommission einrichten.
„Auch wenn ich in Pension gehen sollte, in dieser Frage werde ich am Ball bleiben“, sagt Dom Erwin. „Der Papst hat uns einen Auftrag gegeben. Wir können uns in dieser drängenden Frage nicht zurücklehnen und einfach sagen: Lieber Gott, schau auf uns.“

Zukunftspläne
Stichwort „Pension“: nach der Rückkehr nach Altamira wird er sein Rücktrittsgesuch an den Papst vorbereiten. „Ich glaube aber nicht, dass ich am 13. Juli, meinem Tauftag, schon gleich arbeitslos sein werde.“ Derzeit laufe das Projekt, seine Diözese Xingu in drei Diözesen aufzuteilen, schließlich sei die derzeitige Prälatur viereinhalbmal so groß wie ganz Österreich.
Dom Erwin hofft auf gute Nachfolger. Um diese nicht etwa „in den Schatten zu stellen“, werde er nach seiner Emeritierung wohl für einige Zeit in Vorarlberg sein und sich Bischof Benno zur Verfügung stellen. Außerdem habe er in Brasilien immer einen vollen Terminkalender. „Ich werde oft für Priesterexerzitien angefragt. Auch meine Arbeit in der Bischofskonferenz wird noch weitergehen.“
Erwin Kräutler war in den letzten Wochen landauf, landab als Firmspender unterwegs. „Von den Firmungen hier in Vorarlberg bin ich übrigens restlos begeistert. Wenn man sieht, wie die Kinder und Jugendlichen vorbereitet sind und wie viel Arbeit die Firmbegleiter/innen investieren“, freut sich Dom Erwin.

Das ganze Interview mit Erwin Kräutler finden Sie hier.

ZUR PERSON

Erwin KräutlerDom Erwin Kräutler

Er gilt als streitbarer Kirchenmann, der sich in Fragen der Menschenrechte, der skrupellosen Ausbeutung Amazoniens wie auch bei Kirchenthemen kein Blatt vor den Mund nimmt: „Dom“ Erwin Kräutler, Bischof der Amazonas-Diözese Xingu, wird am 12. Juli 75 und erreicht somit das Alter, mit dem Bischöfe üblicherweise um Pensionierung ansuchen.

Geboren in Koblach, trat Kräutler nach der Matura in Liechtenstein in die „Kongregation der Missionare vom Kostbaren Blut“ ein, studierte in Salzburg und wurde am 3. Juli 1965 zum Priester geweiht. Monate später ging er als Missionar in die Prälatur Xingu im brasilianischen Amazonas-Bundesstaat Para, wo sein Onkel Erich Kräutler Bischof war. Xingu ist mit 368.000 Quadratkilometern die flächenmäßig größte Diözese Brasiliens und hat heute 700.000 Einwohner, davon 10.000 Indios.

1980 wurde Kräutler zum Koadjutor seines Onkels, 1981 zu dessen Nachfolger als Bischof ernannt. Sein Credo, Kirche müsse mit den Benachteiligten gehen, statt nur für sie einzutreten, nahm Kräutler wörtlich. Bei einer Demonstration von Arbeitern, denen man den Lohn vorenthalten hatte, wurde er 1983 von der Militärpolizei verprügelt. Der Ruf der Menschen „Lasst ihn los, er ist unser Bischof!“ sei für ihn die „zweite Bischofsweihe“ gewesen, betont Kräutler oft. Mehrere Mitstreiter Kräutlers, darunter Br. Hubert Mattle (1995) und die Ordensschwester Dorothy Mae Stang (2005), wurden ermordet. Infolge der bis heute anhaltenden Morddrohungen lebt Kräutler in Brasilien seit 2006 unter ständigem Polizeischutz.

Weltweit bekannt wurde Kräutler auch durch sein hartnäckiges Eintreten gegen das Mega-Kraftwerk „Belo Monte“ am Xingu-Fluss , nahe der Bischofsstadt Altamira. Bischof Kräutler erhielt zahlreiche internationale und österreichische Ehrungen, u.a. 2010 den „Alternativen Nobelpreis“. Er selbst bezeichnet sich als „Brasilianer, in Österreich geboren“: 1978 erhielt er zusätzlich die brasilianische Staatsbürgerschaft, auch wenn er sich in Vorarlberg weiterhin heimisch fühlt und regelmäßig zu Vorträgen und Firmungen kommt.
Kathpress / Johannes Pernsteiner

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(aus dem KirchenBlatt Nr. 25 vom 19. Juni 2014)