... und überzeugendes diakonisches Engagement." Der Würzburger Theologe Bernhard Spielberg war schon mehrfach in Vorarlberg zu Gast, letzte Woche als Referent für Koordinations- und Fortbildungsveranstaltungen rund um die städtischen Entwicklungsprozesse in Bregenz und Dornbirn.

Dietmar Steinmair

In pfarrlichen Entwicklungsprozessen konzentriert sich immer noch viel Energie auf die Frage nach dem „Pfarrer vor Ort“. Warum ist das so?
Der Pfarrer ist eine Identifikationsfigur, nicht nur für die so genannte Kerngemeinde, sondern auch für jene, die nicht so viel Kontakt zu ihrer Pfarrei haben. Außerdem dauert es, dass in der Kirche strukturell und mentalitätsmäßig das ankommt, was wir vom Zweiten Vatikanum her kennen: Nämlich die Verantwortung aller Getauften für die Kirche. 

Bernhard SpielbergBernhard Spielberg:
„Ich unterscheide bei Entwicklungsprozessen immer zwischen ‚Herein-‘ und ‚Herausforderungen‘. Wenn ein Pfarrer wegkommt, dann könnten Pfarrgemeinden den entstehenden Freiraum ja auch nutzen, um nach außen zu schauen und zu fragen: Wie viele Schüler verlassen die Schule ohne Abschluss? Wie viele Trauernde gibt es, die besucht werden könnten? Wie viele Alleinerziehende gibt es, die irgendeine Form von Unterstützung brauchen? Welche spirituellen Sehnsüchte haben die Menschen hier? - Um diesen Fragen nachzugehen, dazu braucht es Leute, die Lust auf Abenteuer haben.“

Die Strukturprozesse in Bregenz und Dornbirn werden seit geraumer Zeit und unter Beteiligung vieler Menschen durchgeführt. Was ist die Schwierigkeit bei Veränderungen?
Veränderung macht immer Angst, wenn man keine Vorstellung hat, wie es sein kann. Das ist ja für viele Menschen gerade der schwierigste Punkt: Wie kann man Kirche sein, ohne genauso Pfarrgemeinde zu sein, wie man das seit hundert Jahren kennt? Der Anlass für Veränderungen ist meist, dass aus Ressourcenknappheit etwas umgestellt wird. Der Grund aber für Veränderungen ist, dass sich das Leben der Menschen, die sich in der Kirche engagieren, verändert hat - und sich auch weiter verändert.

Wie sehen Sie das Seelsorgeraum-Konzept der Diözese?
Ich habe den Eindruck, dass die Diözese Feldkirch hier den richtigen Weg eingeschlagen hat. Zum einen, weil die Diözese eine Idee davon hat, wo es hingehen wird oder kann. Da kenn ich auch andere Beispiele. Zweitens bricht die Diözese hier nichts vom Zaun, sondern legt lange Prozesse an, in denen diejenigen, die betroffen sind, zu Beteiligten werden und den Weg schrittweise gehen. Das Charmanteste an diesem „Kirche in der Stadt“-Konzept aber ist, dass Kirche sich selber als Akteur innerhalb der Stadt versteht und nicht mehr bloß aus sich selbst heraus: Die Stadt ist der Raum, in dem wir Kirche sind.

Wo sind nun die Orte, an denen sich die Kirche noch mehr ins Spiel bringen kann?
Vom Zweiten Vatikanum kennen wir das Bild vom Volk Gottes. In einer Stadt gehören schon sehr viele Menschen - mindestens alle Getauften - zur Kirche. Kirche ist ja schon längst da: An jedem Kinderbett, an dem am Abend gebetet wird. In jeder Kantine, wo sich zwei Leute unterhalten: „Hey, du bist ja auch bei der Kirche.“ Das Problem ist, dass die Kirche in vielen Lebensbereichen selbst von ihren eigenen Mitgliedern nicht mehr als relevant erlebt wird.
Zurück zu Ihrer Frage: Religiosität verwirklicht sich in der Gegenwart vor allem über die Biographie, also in der Geschichte von Menschen. Überall dort, wo es wesentliche biographische Erfahrungen gibt, kann Kirche ihre Rolle haben. Und das tut sie ja auch. Etwa in dem ganzen großen Bereich des Sterbens und des Trauerns, der ein Tabubereich ist. Da ist Kirche gefragt. Oder in der Frage nach der Gegenwart Gottes. Wir brauchen tolle Liturgien und überzeugendes diakonisches Engagement. Beide Bereiche stehen für die Glaubwürdigkeit der Kirche.

Ein Jahr Papst Franziskus. Was hat die Kirche vor Ort in Vorarlberg vom neuen Schwung aus Rom?
Ich glaube, es hat sich schon unheimlich viel verändert. Weil Menschen, die sich engagieren - egal ob ehrenamtlich oder hauptberuflich - in diesem Papst jemanden sehen, der dieselben Visionen teilt wie sie. Sie haben wirklich das wunderbare Gefühl, dass sie Teil einer Bewegung sind und nicht eine Minderheit in ihrer eigenen Kirche.
Die größte interne Herausforderung in unserer Kirche ist keine rechtliche oder dogmatische, sondern die, einen Stil zu kultivieren, wie wir miteinander umgehen. Das ist nicht wenig. Gerade dann, wenn wir nicht einer Meinung sind. Der Papst selbst macht vor, wie es gehen kann - ohne zu polarisieren.