Die langjährige Journalistin und Geschäftsführerin des Presseclubs Concordia Astrid Zimmermann über Medien und Ethik und warum Österreich katholische Medien dringend braucht.

Interview: Gerald Heschl

Am 28. Mai begeht die katholische Kirche den „Mediensonntag“. Mehr denn je wird heute über die Qualität von Medien diskutiert. Was sind Kriterien für einen guten Qualitätsjournalismus?
Astrid Zimmermann: Guter Journalismus hält sich an das klassische Kriterium, wahrheitsgemäß zu berichten. Wenn es unterschiedliche Positionen zu einem Thema gibt, lässt er die Gegenseite zu Wort kommen. Ganz wichtig ist, dass der gute Journalismus die Quelle benennt, woher seine Information kommt.

Das sind ja sozusagen die handwerklichen Kriterien. Gibt es auch ethische Kriterien, was man darf und was nicht?
Zimmermann: Sicher gibt es die. Das sind die klassischen Kriterien, die im Ehrenkodex des Presserates, einer Selbstregulierungseinrichtung der österreichischen Medien, veröffentlicht sind. Guter Journalismus darf nicht diskriminieren - weder aufgrund von Geschlecht noch Herkunft, Hautfarbe etc. Dann das Recht auf das eigene Bildnis oder auch die Veröffentlichung von Entgegnungen.

Dieser Ehrenkodex wird vom Presserat überprüft. Manchmal hat man das Gefühl, er ist ziemlich zahnlos, weil die gerügten Medien meistens so weitermachen wie zuvor.
Zimmermann: Der Presserat kann keine Sanktionen verhängen. Die einzige Maßnahme ist der „Schandpfahl“. Es wird öffentlich gemacht, wenn ein Medium gegen die ethischen Kriterien verstoßen hat. Das wird oft als zahnlos hingestellt. Wenn Sie aber schauen, mit welchen Gehässigkeiten, ja sogar Klagen manche Medien auf die Sprüche des Presserates reagieren, denke ich mir: So zahnlos kann er nicht sein. Die beiden großen Boulevardmedien, die ethische Kriterien immer wieder verlassen, sind bisher mit ihren Klagen gegen den Presserat bei Gericht nie durchgekommen.

Das wertvollste Gut eines Mediums ist seine Glaubwürdigkeit. Jetzt gibt es vermehrt die Tendenz, die Glaubwürdigkeit von Medien zu untergraben. Ich denke da an Donald Trump. Wie können sich Medien gegen solche Angriffe wehren?
Zimmermann: Die Angriffe richten sich gegen bestimmte Nachrichtensender, aber damit wird die Glaubwürdigkeit aller Medien untergraben. Das ist die große Gefahr. Die Menschen unterscheiden dann nicht mehr und werden zunehmend verunsichert. Durch das Internet wird es immer schwerer zu erkennen, was wahr ist und was nicht. Wirklich helfen würde, wenn Medien ihre eigene Arbeitsweise offenlegen. Der ORF-Korrespondent Karim el-Gawhary berichtet auf seiner Internet-Seite genau, wie er zu seinen Berichten kommt. Diese Geschichten werden von Tausenden gelesen. Reden Sie darüber, wie Sie arbeiten. Das erhöht die Glaubwürdigkeit.

Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass Soziale Medien zunehmend zu Informationsquellen werden?
Zimmermann: Das würde ich noch gar nicht so dramatisch sehen. Die meisten in Sozialen Medien geteilten Informationen wurden immer noch von professionellen Journalisten aufbereitet. Problematisch ist aber, dass Menschen, die alleine vor dem Computer sitzen, glauben, sie dürfen alles sagen. Dinge, die sie niemals öffentlich äußern würden. Wenn Sie schauen, was Journalistinnen teilweise für Postings erhalten, schaudert es einen. Das wird man nur verhindern können, wenn diese Postings radikal öffentlich verurteilt werden. Die notwendigen Gesetze haben wir ja.

In diesem Zusammenhang wird oft der Verlust von Werten beklagt. Ist die Vermittlung von Werten ein Auftrag der Medien?
Zimmermann: Ich halte es für absolut notwendig, dass Menschen wieder eine Wertehaltung haben und dazu stehen. Schauen Sie sich viele Politiker heute an: Sie begründen ihre Entscheidungen nicht mehr auf Basis eines Wertefundamentes, sondern mit Expertisen, Gutachten oder Meinungsumfragen. Ich weiß nicht, warum es heute so schwer ist, zu sagen: „Aufgrund meiner christlichen Grundhaltung halte ich es für unerträglich, dass Menschen in Armut leben.“ Das halte ich für einen schwerwiegenden Verlust.

Zum „Mediensonntag“: Welche Bedeutung haben für Sie kirchliche Medien?
Zimmermann: Ich finde es schade, dass Medien, die sich als katholische oder christliche Zeitungen deklarieren, nicht von noch viel mehr Menschen gelesen werden. Wir brauchen eine viel größere Vielfalt an Wertehaltungen in der Medienlandschaft, damit sich die Leser wirklich eine eigene Meinung bilden können. Wenn Sie heute kommerzielle Zeitungen lesen, entsteht das Gefühl eines Einheitsbreis.
Deshalb schätze ich Zeitungen, die eine klare Wertehaltung haben und dazu stehen. Alle Menschen, die eine Wertehaltung teilen, brauchen diese Medien. Bei uns ist es naheliegend, dass wir mehr katholische Medien brauchen, da dies ja die vorherrschende Wertehaltung ist. Das hat gar nichts damit zu tun, ob ich in die Kirche gehe oder nicht. Aber Meinungen, die in der Öffentlichkeit nicht vertreten werden, verlieren an Bedeutung.
Die Kommunikationswissenschafterin Elisabeth Nölle-Neumann spricht von der „Schweigespirale“: Wenn eine Meinung in der Öffentlichkeit nie vorkommt, trauen sich Menschen auch nicht, sie zu vertreten, weil sie das Gefühl haben, eine schwindende Minderheit zu sein. Wenn es etwa gerade nicht modern ist, ein gläubiger Mensch zu sein, brauchen gläubige Menschen erst recht entsprechende Medien, um in ihrer Wertehaltung gestärkt zu werden.

ZUR PERSON

Dr. Astrid Zimmermann studierte Pädagogik, Psychologie und Politikwissenschaften; Trainer- und Coachingausbildung. 25 Jahre Journalistin bei Tages- und Wochenzeitungen, zuletzt bei „Der Standard“. 2005 Gründungsmitglied und bis 2008 gf. Gesellschafterin von Medienhaus Wien. Gründungsmitglied des Frauennetzwerkes Medien und des Community TV-Senders „Okto“. Seit Oktober 2010 Generalsekretärin des Presseclubs Concordia; von März 2012 bis Dezember 2016 Aufsichtsratsvorsitzende der Wiener Zeitung GmbH.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 21 vom 25. Mai 2017)