Teil 5 der 5teiligen Serie "Himmelsträume" der Theologin und Psychotherapeutin Dr. Maria Riebl

Wenn jemand von köstlichem Wein träumt, muss er kein Trinker sein. Und ein geträumter Witz ist nicht nur zum Lachen, er kann auch ein Anstoß sein, seinen Hausverstand einzuschalten. Die Traumsprache kennt viele Wege, das Leben zu bereichern.

„Im Traum sah ich vor mir einen Weinstock. Am Weinstock waren drei Ranken, und es war mir, als triebe er Knospen. Seine Blüten wuchsen, und schon reiften die Beeren an seinen Trauben. Ich hatte den Becher des Pharao in meiner Hand. Ich nahm die Beeren, drückte sie in den Becher des Pharao aus und gab dem Pharao den Becher in die Hand.“ (Gen 40,9–11)

Man braucht nicht Mundschenk des Pharao zu sein, um von diesem Traum in Bann genommen zu werden. Lebenskraft geht vom Weinstock aus: Er trägt Knospen und Beeren, die durch ein kurzes Zusammendrücken sofort zum Wein werden, der wieder in den Becher des Pharao fließt und damit das Ziel des Träumers erreicht. Wie im Zeitraffer gelingt das Wachstum. Es ist wie ein Sog, der hinein nimmt und mitschwingen lässt. Strom des Lebens, Fülle des Lebens zeigt sich. Bewegtes Leben – weil alles Leben Bewegung ist!

Leben in Fülle
Wein und Reben sind seit Alters her Bilder für Lebenskraft und Liebesfreude. Sowohl das Alte als auch das Neue Testament kennen die Freude am Wein (Ps 104,15) und die Verbindung von Wein, Liebe und Leben (vgl. Jes 5; Joh 2 und 15). Christen können auch an den eucharistischen Wein und sein Weiterströmen denken. Die Dreizahl der Zweige lässt Fülle des Lebens, Ganzheit und auch göttliche Fülle ahnen. Ein volles Maß an Leben spricht aus diesem Bild. Also: die Freude wagen und erleben – was freilich nicht immer mit Wein verbunden sein muss, aber schon mal sein darf!

Vom größeren Koffer
„Meine Frau steht mit ihrem Koffer am Bahnhof; ein Taxifahrer holt sie ab, hebt den Koffer und stöhnt: ‚Der ist aber schwer.‘ Darauf meine Frau: ‚Der größere Koffer ist noch zu Hause!‘ – Der Taxifahrer denkt dabei gleich an mich, meine Frau meint natürlich einen wirklichen Koffer.“
Belustigt erwacht der Mann aus seinem Traum. Das Wort „Koffer“ ist derzeit häufig in seinem Wortschatz. Da ist einer ein „Vollkoffer“, wenn er auf der Rolltreppe linksseitig steht und ihn nicht vorbeilässt, so dass er die U-Bahn versäumt. Ein anderer „Koffer“ kramt im Supermarkt ewig im Münzfach seiner Geldtasche herum und wieder ein anderer sitzt im Café auf seinem Lieblingsplatz, obwohl er schon eine halbe Stunde ausgetrunken hat.

Diese „Koffer“ bringen den Pensionisten zur Weißglut und regen ihn zugegeben mehr auf, als der Anlass wert ist. Das sieht er wohl ein, doch alle Einsichten oder Vorsätze helfen wenig, wenn man in innerem Dauerstress lebt. Umso erstaunlicher war die Wirkung dieses Traums. In einer der nächsten Stresssituationen, wo er gerade wieder losschimpfen wollte, fiel ihm der Koffertraum ein – und sein eigenes Schmunzeln darüber. Spannung fällt von ihm ab und die Situation ist entschärft. Der Hausverstand schaltet sich ein  und er fragt sich: Lohnt es sich denn, dass ich mich da so aufrege? Nebenbei bemerkt: Er fand mehr Verständnis für seine Frau: Wie mag es ihr wohl ergehen, wenn sie einen solchen „Vollkoffer“ daheim hat?

Wie steht es um meine Träume?

Ich wünsch’ dir
nicht nur angenehme Träume,
diese auch

Ich wünsch’ dir Träume,
die dich hellhörig machen
in denen du mehr von dir
und deinem Leben erfährst
als am Tag

Ich wünsch’ dir Träume,
die deinen Blick und dein Herz weit machen
die dir jene Lebenskraft geben,
die du heute und morgen brauchst

Ich wünsch’ dir Träume,
die das tun, was du allein
so nicht kannst:
deine wunden Punkte
wahrnehmen und Wege
der Lösung suchen

Ich wünsch’ dir Träume,
in denen deine Verletzungen
einen Raum der Heilung finden

Ich wünsch’ dir Träume,
die dich auf deinem Lebensweg weiterführen, auch wenn er
eine Kurve nimmt, die dich
vielleicht überrascht

Ich wünsch’ dir nicht gute
Träume, als ob die anderen schlecht wären
Denn alle Träume sind gut,
wenn wir uns auf sie einlassen und ihrer Kraft trauen

Solches Träumen wünsch ich dir …

Aus: M. Riebl, Symbolkraft der Träume, S. 162f