Manchmal gehört Mut dazu, „Nein“ zu sagen. Vor allem dann, wenn das eigene Leben davon abhängt. Und trotzdem gibt es sie - diese Menschen, die „Nein“ sagten. Carl Lampert war einer von ihnen und fügt sich damit in die Reihe jener Mutigen ein, denen derzeit im Kulturhaus Dornbirn Raum gegeben wird. Der Titel der Ausstellung? „Was damals Recht war ...“.

Veronika Fehle

„Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein“, soll der deutsche Politiker und Jurist Hans Filbinger gesagt haben - konfrontiert mit jenen Todesurteilen, die er während des Nationalsozialismus durch seine Unterschrift bestätigte. Später bestritt er jedes Wort. Wo blieb da der Mut? Der Mut, dazu zu stehen, wofür man eben gerade stehen muss. Freilich, das ist leichter, wenn das eigene Handeln von der Nachwelt in ein positives Licht getaucht wird. Es wird schwerer, wenn das Tun auf Widerstand stößt - wie bei jenen Frauen und Männern, die während des Nationalsozialismus zum Tode verurteilt wurden - weil sie Mut hatten, weil sie nicht stumm in der Masse untertauchen konnten und wollten. Was macht man also, wenn Erinnerung unangenehm wird, wenn da Dinge gegenwärtig werden, die man lieber nicht mehr vor dem inneren Auge vorbeiziehen sehen will? Man verdrängt, man stigmatisiert, man blendet aus.

Der Part ist schon vergeben
Genau dieses Schicksal traf viele, die der Todesmaschinerie des NS-Regimes zum Opfer fielen. Deserteure wurden sie geschimpft, Vaterlandsverräter, Feiglinge - ohne daran zu denken, dass genau dies mit ihrem Verhalten aber auch nicht das Geringste zu tun hatte. Feig waren sie nicht, da sehr viel Mut dazu gehörte, sich gegen eine Macht wie jener der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft zu  stellen. Vaterlandsverräter konnten sie nicht sein, da dieser Part schon dem damaligen System maßgeschneidert angepasst war. Hat sich denn der ideologische Wahnsinn nicht gegen die Menschen, gegen das gerichtet, was einmal als Heimat angenommen worden war? Und Deserteure waren sie auch keine. Widerstandskämpfer sind sie, was ihnen übrigens das „Anerkennungs- und Rehabilitationsgesetz“ per 1. Dezember 2009 auch verbrieft.
Korrumpieren ließ sich das System und jene, die dagegen anschwammen, warteten mehr als 60 Jahre auf ihre Rehabilitation. Es ist eben nicht angenehm, sich ein begangenes Unrecht einzugestehen.

Ein Vergleich schafft Klarheit
Ein kleiner Vergleich bringt hier vielleicht Klarheit. Den 48 Todesurteilen gegen Deserteure während des Ersten Weltkriegs stehen im Zweiten Weltkrieg 30.000 gegenüber. Das lässt sich mit Feigheit vor dem Feinde allein doch nur schwer argumentieren. Mutige Menschen gab es auch hierzulande. Da waren unter anderem Kaplan Emil Bonetti, der Friedensaktivist August Weiß oder der Höchster Hilar Huber, dem zweimal die Flucht in die Schweiz gelang und der dort - nahezu verhungernd - wegen Mundraubs verurteilt wurde. Sie stehen stellvertretend für die vielen, die im Kleinen Widerstand leisteten gegen das Große. Es sind Geschichten, die Geschichte erzählen. So wie jene von Carl Lampert und seinem Richter Karl Lueben. Lueben war hart mit Lampert ins Gericht gefahren, hatte ihn in Halle an der Saale zum Tode verurteilt, weil er sich dem Unrecht nicht beugen wollte, weil er für die Menschen und die Kirche eintrat. Und Karl Lueben verurteilte nicht nur Carl Lampert zum Tod. Karl Lueben war, als einer der höchsten Richter des Nazi-Regimes, für viele Tode verantwortlich. Eine Last, die ihn, so erklärt die Vorarlberger Theologin Karin Bitschnau, noch lange begleiten sollte. „Das Wissen um dieses Handeln begleitete ihn und trieb ihn, so berichten die Nachkommen Luebens, schließlich in den Selbstmord.“

Und wie ist das heute
Im Dornbirner Kulturhaus begegnen wir nun all diesen Menschen wieder. Den Mutigen, den Verurteilten und jenen, die das Urteil fällten. „Was damals Recht war, kann heute nicht unrecht sein“, meinte Hans Filbinger und erteilte sich damit selbst einen - wenn man so will - Generalablass. Das ist der einfache Weg, es ist der Weg des geringsten Widerstands. Und er ist angenehm. Das System ist schuld, wir haben nur getan, was uns von oben diktiert wurde. Schwerer wird es, wenn man sich selbst als ein denkendes Wesen begreift, wenn man zu fragen beginnt, ob die getroffenen Entscheidungen einer genauen Überprüfung Stand halten würden? Wie hätte man gehandelt, wenn das alles heute, direkt vor unseren Haustüren geschehen würde? Wäre dann auch immer noch Recht, was damals Recht war?

 

Hintergrund

Die Ausstellung „Was damals Recht war..., die derzeit im Dornbirner Kulturhaus zu sehen ist, ist Teil des Rahmenprogramms zur Seligsprechung des Göfner Provikars Carl Lampert. Carl Lampert wurde am 13. November 1944 in Halle an der Saale durch das Fallbeil hingerichtet. Er ist ein Beispiel für den katholischen Widerstand während des Nationalsozialismus. Carl Lampert setzte sich als Provikar für Tirol und Vorarlberg für die Menschen und die Kirche ein. Er sah nicht weg, wo Unrecht geschah und zeigte auf, wo Menschenwürde mit Füßen getreten wurde.

Martyrium anerkannt
Carl Lampert wurde mehrfach zum Tode verurteilt. Zu den Anklagepunkten zählte neben des Vorwurfs der Spionage auch jener der Begünstigung von Zwangsarbeitern.
Am 13. November 2011, 15.30 Uhr, wird Carl Lampert in der Pfarrkirche Dornbirn St. Martin seliggesprochen. Papst Benedikt XVI. hatte das Martyrium Carl Lamperts im Juli diesen Jahres bestätigt. „Dass Menschen wieder Menschen werden“ steht als Leitmotiv über dem Programm zur Seligsprechung. Es ist ein Zitat aus einem der Briefe Carl Lamperts.

Mehr Menschlichkeit
Carl Lampert wird durch sein Hinsehen und seine Zivilcourage zum Beispiel dafür, dass es oft mutige Menschen braucht, um Menschlichkeit zu gewährleisten. Der „Fall Lampert“ ist neben weiteren Beispielen aus Vorarlberg Teil der Ausstellung „Was damals Recht war...“

 

„Was damals Recht war...“

Die Ausstellung ist bis 30. Oktober im Kulturhaus Dornbirn zu sehen. Eintritt frei.
Öffnungszeiten: Montag bis Samstag von 10 bis 17 Uhr und sonntags von 14 bis 17 Uhr. 
Führungen können über das Stadtmuseum Dornbirn gebucht werden: T 05572 33077
Die Ausstellung ist ein Projekt der Berliner Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Sie wurde vom Stadtmuseum Dornbirn in Zusammenarbeit mit dem Katholischen Bildungswerk, der Johann-August-Malin-Gesellschaft und erinnern.at mit Vorarlberger Beispielen ergänzt.