Seit 1. März 2017 ist Petra Steinmair-Pösel Leiterin des Instituts für Religions-pädagogische Bildung der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Edith Stein in Feldkirch. Im KirchenBlatt-Interview spricht sie über die Chancen der neuen Ausbildung für Religionslehrer/innen und jene des Religionsunterrichts generell.

Interview: Patricia Begle

Im Zuge der Lehrer/innenbildung NEU haben sich auch die Rahmenbedingungen für die Ausbildung der Religionslehrer/innen an den Pflichtschulen verändert. Worin bestehen die Veränderungen?
Petra Steinmair-Pösel: Die größte Veränderung besteht darin, dass die Lehrer/innenbildung NEU keine reinen Religionslehrerinnen und Religionslehrer im Pflichtschulbereich mehr kennt. Das Studium der Religionspädagogik, das bisher in Stams absolviert werden konnte und für den Religionsunterricht der 6-15-Jährigen qualifizierte, läuft gegenwärtig aus. Auch den früher als Zusatzqualifikation an der PH Vorarlberg wählbaren Lehrgang Religion gibt es in der Form nicht mehr.
Dafür haben Studierende aus dem Primarstufenbereich (Volksschule) ab kommendem Herbst die Möglichkeit, im Rahmen ihres Lehramtsstudiums einen Schwerpunkt im Bereich Religionspädagogik zu setzen. Dieser umfasst etwa ein Viertel der im Bachelorstudium zu erbringenden Leistungen (60 von 240 ECTS-Punkte) und kann bei uns am Institut für Religionspädagogische Bildung absolviert werden. An unserer Hochschule - der KPH Edith Stein - wurde dafür ein äußerst spannendes und vielseitiges Curriculum entwickelt. Die Studierenden setzen sich dabei mit ihrer eigenen religiösen und weltanschaulichen Biographie ebenso auseinander wie mit der reichen theologischen Tradition und mit aktuellen theologischen, ethischen und gesellschaftspolitischen Diskussionen. Auf diese Weise vertiefen sie nicht nur ihr Wissen über den christlichen Glauben und über andere religiöse Traditionen und Weltanschauungen, sondern erweitern auch ihre eigenen personalen, sozialen und spirituellen Kompetenzen.
Da die Seminare und Vorlesungen an Mittwoch- und Freitagnachmittagen und gelegentlich auch am Samstag angeboten werden, steht dieser Lehrgang übrigens als berufsbegleitende Weiterbildung auch für Primarstufenlehrer/innen, Mittelschullehrer/innen und Sonderschullehrer/innen offen.

Wie sieht es in Vorarlberg mit dem Beruf „Religionslehrer/Religionslehrerin“ aus? Mit wie vielen Studierenden rechnen Sie für kommenden Herbst?
Steinmair-Pösel: Was die Anzahl der Studierenden betrifft: Da sind wir ehrlich gesagt selber sehr gespannt, da sich - wie gesagt - mit der Lehrer/innenbildung NEU die Rahmenbedingungen stark verändert haben. Die Ausbildung läuft in dieser Form neu an und die Informationsarbeit hat gerade erst begonnen. Unabhängig davon, ob es sich um eine größere oder kleinere Gruppe von Studierenden handeln wird - und das ist die Antwort auf Ihre erste Frage - können wir aber sagen, dass ein großer Bedarf an guten und gut qualifizierten Religionslehrer/innen da ist. Bedarf meine ich dabei in zweifachem Sinn: Auf der einen Seite natürlich der Bedarf von Seiten des Arbeitgebers, das ist in diesem Fall das Schulamt. Hier werden junge Religionslehrer/innen wirklich mit offenen Armen empfangen und auch bestens begleitet und unterstützt.
Darüber hinaus sehe ich aber den Bedarf auch aus gesellschaftspolitischer Sicht. Ich komme ja inhaltlich aus der Christlichen Sozialethik, die sich mit Rahmenbedingungen und Strukturen für ein gelingendes Zusammenleben im gesellschaftlichen Bereich auseinandersetzt. Und hier ist ganz klar: Das Thema der religiösen Vielfalt und eines gelingenden Miteinanders der verschiedenen Religionen wird uns in den nächsten Jahren und wohl auch Jahrzehnten als Herausforderung und Chance begleiten und beschäftigen.

Welche Fortbildungsschwerpunkte sind für den kommenden Herbst geplant? Gibt es z.B. Fortbildungen im Bereich „Interreligiöser Dialog“?
Steinmair-Pösel: Unsere Fortbildungsschwerpunkte orientieren sich am zuvor Gesagten: Die interreligiöse Kompetenz bildet in diesem Arbeitsjahr einen deutlichen Schwerpunkt. Nächstes Jahr wird es im Fortbildungsbereich einerseits die wache, kritische Zeitgenoss/innenschaft sein - also die Auseinandersetzung mit ethisch und gesellschaftspolitisch brisanten Themen. Andererseits werden wir auch einiges im Bereich der spirituellen Vertiefung anbieten, denn: gut Religionslehrer/in sein kann ich nur, wenn ich selbst aus einer entsprechenden Haltung heraus lebe - religiös gesagt: wenn ich aus der Quelle lebe und mit ihr verbunden bin.

Immer wieder wird über die Einführung eines verpflichtenden Ethik-Unterrichts - neben oder auch an der Stelle des konfessionellen Religionsunterrichtes - diskutiert. Wie beurteilen Sie diese Bestrebungen?
Steinmair-Pösel: Ich denke die Auseinandersetzung mit ethischen Fragen, also mit Fragen nach dem guten und gelingenden Leben, ist gerade angesichts der Vielzahl von Lebensentwürfen heute unverzichtbar. Dass Schüler/innen, die sich mit diesen Fragen nicht im Rahmen des konfessionellen Religionsunterrichts auseinandersetzen können oder wollen, einen entsprechenden Ethik-Unterricht besuchen, halte ich deshalb für eine Forderung der Welt, in der wir leben. Der Religionsunterricht beinhaltet natürlich mehr als eine philosophische Ethik. Diesbezüglich möchte ich einfach die Einschätzung Angela Merkels zitieren: „Religionsunterricht ist in unserer heutigen Zeit eher wichtiger als weniger wichtig, weil es um Gewissens- und Herzensbildung geht und um mehr als unser eigenes Leben.“ Das teile ich zu hundert Prozent. Unsere Kinder und Jugendlichen haben ein Recht darauf, etwas von diesem „Mehr“ zu erfahren, wenn sie das möchten. Die PISA-Studien allein sind sicher zu wenig.

Braucht es also den konfessionellen Religionsunterricht?
Steinmair-Pösel: Ja. Gerade auch aus gesellschaftspolitischer Perspektive halte ich es für eminent wichtig, Religionen nicht in die Privatsphäre abzudrängen. Man würde es sich zu einfach machen, würde man meinen, dass das Verschwinden verschiedener Erscheinungsformen von Religion oder mit Religion verbundener Kultur - vom konfessionellen Religionsunterricht bis zum vieldiskutierten Kopftuch - aus dem öffentlichen Raum irgendwelche Probleme löst. Weder mögliche Fundamentalismen noch patriarchale Geschlechterrollen können auf diese Weise bearbeitet werden. Wenn wir als immer pluraler werdende Gesellschaft die damit verbundenen Herausforderungen gut bewältigen wollen, müssen wir proaktiv den religiösen und interreligiösen Diskurs fördern. Denn die Religionen sind ein wichtiges identitätsstiftendes, aber auch ein wichtiges zivilgesellschaftliches Moment. Sie liefern dem freiheitlichen, säkularisierten Staat etwas von jenen Voraussetzungen, die er sich nach Ernst-Wolfgang Böckenförde selbst nicht geben kann. Sie sind - wie der amerikanische Sozialphilosoph Michael Walzer sagt - Quelle einer „dichten Moral“, jener Solidaritätsressource und Herzensbildung, die wir heute vielleicht mehr denn je dringend brauchen.

Vielen Dank für das Gespräch! 

Informationen

zum Institut für Religionspädagogische Bildung unter www.kph-es.at

Informationsabend

für Interessent/inn/en an der Ausbildung Religionspädagogik:
Mo 12. Juni, 18 Uhr,
Institut für Religionspädagogische Bildung,
Reichenfeldgasse 8, Feldkirch.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 20 vom 18. Mai 2017)