Ein Kloster sperrt zu. Die Nonnen müssen gehen. Aber nicht alle sind (gleich) gehorsam. Regisseur Helmut Manninger begleitet im Dokumentarfilm „Die große Reise“ betagte Schwestern über eine längere Zeitspanne, nachdem sie von der drohenden Schließung ihres Klosters informiert wurden: ein außergewöhnliches Lebens- und Glaubenszeugnis - und ein außergewöhnlicher Film.

Klaus Feurstein

Annunziatakloster der Franziskanerinnen Missionarinnen Mariens, Eichgraben 1898-2011,ist gleich im ersten Insert des Films zu lesen und damit ist von Anfang an klar, wie die Geschichte ausgeht: Das Kloster wird geschlossen. Der Film zeigt wie die Schwestern mit der Zumutung umgehen, in ihrem hohen Alter noch einmal den liebgewonnenen Ort, ihre Heimat verlassen zu müssen.

Gehorsam und der Wille Gottes
„Es tut weh, das alles zu verlassen. Man weiß nicht, was daraus wird“, sagt Schwester Hedemarie, die Älteste unter den Schwestern. Sie wird den Umzug nur um wenige Monate überleben. Schwester Martha will um jeden Preis hier bleiben und stellt Überlegungen an, wie man das Kloster retten könnte. Ihre Weigerung, den Beschluss einfach hinzunehmen, ihre  schalkhafte Sturheit das Kofferpacken möglichst lange hinauszuzögern, macht sie dem Publikum sympathisch.

Berufung – gerufen sein
Andere waren gleich bereit zu gehorchen. Für sie ist der Beschluss der Ordensoberen identisch mit dem Willen Gottes. Die Überzeugung, mit dem (gelobten) Gehorsam den Willen Gottes zu erfüllen ist einerseits faszinierend - so stark kann Glaube sein. Gleichzeitig stellt sich ein Unbehagen ein, dass diese Haltung dem Missbrauch Tür und Tor öffnet – so naiv kann Glaube sein.

Der Glaube der Schwestern basiert jedenfalls immer auf der tiefen Überzeugung, dass Gott sie berufen hat: „Ich habe gebetet für meinen Zukünftigen… Ich möchte den Karli… Nein, nicht den Karli, MICH -  hab ich mit den inneren Ohren ganz deutlich gehört“, erzählt Schwester Henriette von ihrer Berufung. Schwester Ernestine ist als junges Mädchen auf keinen Tanz gegangen, dass die Liebe für IHN bleibt und Schwester Hedemarie, die eigentlich ein Arzt als Assistentin mit nach Afrika nehmen und die heiraten wollte, war sich sicher: „ER hat es nicht gewollt!“ Und sie erinnert sich an den Text aus einem Gebetbuch, durch den sie sich berufen fühlte: „Ich hab vernommen des Heilands Ruf: Komm Tochter und folge mir nach, ich will der Geliebte des Herzens dir sein.“

Es berührt, mit welcher Selbstverständlichkeit und mit welchem Charme die Nonnen über ihr Gerufen-Sein erzählen. Der Film berührt auch mit Bildern, die die Schwestern  bei ihren alltäglichen Tätigkeiten in völliger Konzentriertheit und Hingabe zeigen. Wie sehr zum Beispiel Schwester Henriette die Arbeit mit ihren Bienen liebt: „Bienen sind eine Schöpfung Gottes – kann man nie erforschen! Die Bienen, die Bienen… die muss ich aufhören mit 86 Jahren!“

Schwester Martha zaubert aus Wurzeln Salbe und aus Kräutern Tee. Für die Schwester Oberin ist klar, dass Schwester Martha nicht nur das geliebte Haus zurücklassen muss, sondern auch ihr Talent.

Von Loslassen ist immer wieder die Rede

Manche können das Wort schon nicht mehr hören, sagt die Oberin. Schwester Hedemarie, die 93-Jährige, hat es geschafft: „Man meint immer, im Kloster sei man hinter Mauern. Das stimmt nicht, da wird man innerlich frei, man kann loslassen von allem.“

Poesie des klösterlichen Lebens
Manninger filmt die Nonnen beim Tischdecken und Essen, bei den Stundengebeten, bei Zither- und Geigenspiel, beim Krippenfiguren renovieren… Die Kamera ist ruhig, die Einstellungen sind sorgfältig komponiert, das Licht taucht die Bilder in eine Poesie, aber nicht des Kitsches, sondern eine, die die einfachen Dinge zu einem sanften Leuchten bringt, und so sie ihr inneres Wesen offenbar werden lässt.

Tipp:

Der Film läuft im Kino „Rio“ in Feldkirch am 26. Februar um 18.00 Uhr, am 27. Februar um 20.30 Uhr und am 28. Februar um 22.00 Uhr: www.taskino.at
Unterrichtsmaterial unter: www.diegrossereise.at