Start der dreiteilige Serie über die heilige Katharina von Siena.

Bild rechts: Stadtplatz in Siena
zu: Portrait - Katharina von Siena

Sie lebte im tiefen Mittelalter des 14. Jahrhunderts: Katharina von Siena. Die Katholische Frauenbewegung (kfb) macht sie nun zu ihrer „Patronin und Weggefährtin“. Der 29. April wird künftig zum Katharinentag der kfb. Warum, erzählt die Vorsitzende Barbara Haas.

Barbara Haas

 

Barbara Haas
ist Ingenieurin und  Religionslehrerin –
und Vorsitzende der Katholischen
Frauenbewegung in Österreich.


Interview: Matthäus Fellinger

Wozu braucht die kfb eine Patronin?
Barbara Haas: Sie ist für uns Patronin und Weggefährtin. Wir haben uns in einem Prozess mit dem Thema „Heute Christin sein“ beschäftigt und es ist die Frage aufgetaucht: Warum gibt es bei uns nicht so etwas wie einen Tag für die Frauen in der Kirche? In Deutschland haben Frauen den Katharinentag schon länger hochgehalten. Bei uns in Österreich waren es feministische Theologinnen in Salzburg, die Katharina bereits 1990  als Patronin gewählt haben.

Warum gerade Katharina – eine Mystikerin aus dem 14. Jahrhundert?
Haas: Je mehr man sich mit ihr beschäftigt, umso interessanter und tiefer wird sie. Sie lebte in einer Zeit, in der die Frau keine eigene Rolle spielte. Sie kommt auf die Welt, wird verheiratet, bekommt Kinder und stirbt. Sie kommt, sie vergeht. Und: Sie wurde in eine zerrissene Zeit hineingeboren, in der sich die Kirche auch als staatliche Macht verstand. Dass da eine Frau so deutlich und mutig Stellung bezog, das imponiert uns unheimlich.

Aber angenommen, Sie wären Büroangestellte – oder sitzen an der Supermarktkassa. Was kann diesen Frauen Katharina schon sagen?
Haas: Eigentlich bin ich eine solche Frau. Ich unterrichte in einer Berufsschule für Handel und Büro. Meine Schülerinnen erzählen mir, dass sie dort, wo sie arbeiten, auch als Menschen gefragt sind. Gerade in den Groß-Supermarkt kommen viele Leute, die keine sozialen Kontakte haben. Diese suchen sie im Geschäft. Wir haben auf die Mühen und die Beschwerden der Menschen zu hören, sagt Katharina. Da ist nichts alt oder überholt; das ist es auch, worauf uns Papst Franziskus fast täglich aufmerksam macht. Und was uns noch beeindruckt: ihre tätige Nächstenliebe.
Pest war die häufigste Krankheit damals – und sie hat die Kranken gepflegt. Eine Herausforderung ist sie – für uns Frauen und für Männer. 

Trotzdem: Wer versteht heute, wenn ein Mädchen mit sechs Jahren Visionen hat und mit sieben Jungfräulichkeit gelobt – und später die Wundmale Christi trägt?
Haas: Entgegen der allgemeinen Meinung damals, als man glaubte, alles im Leben sei vorherbestimmt, war Katharina von der Freiheit des einzelnen Menschen überzeugt. Ich kann mich jederzeit für oder gegen Gut oder Böse entscheiden. Ich selbst bin herausgefordert zu entscheiden. Das ist etwas sehr Aktuelles.

Viele tun sich heute schon schwer mit einfachen religiösen Begriffen. Ist da Katharina nicht doch zu fremd und zu schwierig zu verstehen?
Haas: Wir müssen Katharina in ihrer Zeit sehen. Als Kind schon ist sie mit ihrer Vision von der Weihe für Christus und in der mystischen Vermählung mit ihm vom vorgesehenen Weg, zu heiraten und Kinder zu bekommen, abgegangen. Dann die Stigmatisierung mit den Wundmalen, die sie aber verborgen hielt. Faszinierend daran ist, dass sie damit so etwas wie ein alternatives Leben für Frauen gezeigt hat. Das tat sie außerhalb einer klösterlichen Gemeinschaft. Sie lebte eine extreme Vertiefung im Glauben – außerhalb des Klosters, verknüpft mit dem alltäglichen Leben. Das war ein ungewöhnlicher Weg.

Will die kfb mit Katharina spiritueller werden?
Haas: Die kfb war immer spirituell. Es ist unser Auftrag, das für jede Generation wachzuhalten. Wir sollen das heute als Frauen in der Kirche im Jahr 2014 tun.

Da gäbe es auch andere Heilige. Hildegard von Bingen zum Beispiel wäre sehr „in“. Warum nicht mit ihr?
Haas: Beide verbindet, dass sie Kirchenlehrerinnen sind. Was können diese Frauen in die Kirche heute einbringen? Papst Franziskus regt immer wieder an, Frauen stärker in Leitungsämter der Kirche einzubringen. Da hilft uns Katharina von Siena sehr. Die hl. Hildegard wird heute von vielen Menschen – was ihr gar nicht gerecht wird – zu sehr als die Gesundheits-Frau wahrgenommen.
Dazu kommt: Katharina von Siena wird sowohl von der römisch-katholischen als auch der evangelischen und der anglikanischen Kirche als Lichtgestalt gesehen. Ihr Gedenktag wird von allen feierlich begangen.

Wollen Sie damit die Überbewertung der Schönheitsideale in Bezug auf Frauen und auch die Fitness-Mentalität unserer Zeit zurechtrücken?
Haas: Ja. Wir müssen uns fragen: Jung, trendig, sportlich und schön. Trägt das wirklich? Ist es das, was uns weiterbringt? Menschen sind auf ein Miteinander angelegt – mit anderen. Das ist es, was uns weiterbringt. Katharina gibt uns die Frage mit: Was ist das Bleibende? Was macht uns aus – als Christinnen in den Pfarren? Was bewirkt unser Christsein?

Katharina stand kritisch zur kirchlichen Obrigkeit, auch zu den Päpsten, und war zugleich loyal. Was will sich da die kfb zu Herzen nehmen? 
Haas: Eine schwierige Frage. Im späten Mittelalter war die Kirche zerrissen, ihre Repräsentanten waren auf Macht aus, es gab Päpste und Gegenpäpste. Besonders die Päpste im Exil in Avignon überhäuften sich mit Prunk. Katharina wollte eine Kirche der Demut und der Barmherzigkeit. Das ist es, wovon wir ja auch heute reden.

Aber sie war trotzdem loyal.
Haas: Sie fühlte sich als Tochter der Kirche. Sie liebte die Kirche, aber sie litt an der Gestalt der Kirche.

Was bedeutet das für die Linie der kfb?
Haas: Sie ist heute eine sehr anerkannte Heilige in der Kirche. Wir brauchen die Stärkung durch solche heilige Frauen – deshalb die Weggefährtin. Es ist ja auch für Frauen wichtig, dass wir Solidarität untereinander üben und uns stärken. Für die einen steht das Dia­konat der Frauen zum Beispiel unmittelbar bevor, für andere sind wir noch weit weg.

Wie wird man mit Katharina künftig umgehen? 
Haas: Der 29. April soll künftig in irgendeiner Form in allen Diözesen der Katharina von ­Siena Rechnung tragen. Wir nennen ihn einfach den Katharinentag. Frauen in der Kirche an diesem Tag sichtbar und hörbar zu machen, das ist das Ziel.

Und der katholischen Kirche – was kann Katharina ihr geben?
Haas: Die Kirche ist immer aufgefordert, sich zu fragen: Was sind wir denn? Das zweite Vatikanum fragt ja die Kirche selbst: „Was sagst du von dir, Kirche?“ Was sind wir, wenn wir Kirche sind? Wie lebst du das Sakrament Kirche, das du bist?
Wie wir das wahrnehmen und gestalten – das ist die Herausforderung. 

PORTRÄT

Katharina von Siena Katharina von Siena

Katharina von Siena wurde 1347 als 24. Kind einer Färberfamilie in Siena geboren. Bereits in sehr jungen Jahren erregte sie mit öffentlichen Äuße­rungen zu kirchlichen wie politischen Belangen Aufsehen. Sie trug das Ordensgewand der Dominikanerinnen, lebte aber als Laiin nicht in einem Kloster.
Erst spät lernte sie schreiben, stand aber dennoch in Kontakt mit hohen Amtsträgern. Papst Gregor XI. forderte sie in ungewohnt offener Weise dazu auf, sein Exil in Avignon zu beenden, um eine Spaltung der Kirche zu verhindern. Den Sittenverfall im damaligen Klerus kritisierte sie scharf: „Was Christus am Kreuz erwarb, wird mit Huren vergeudet!“

Ihr persönlicher sozialer Einsatz für Arme und Ausgegrenzte mobilisierte viele Frauen und Männer, gleichermaßen aktiv zu werden. Zugleich bemühte sie sich um eine innere Reform der Kirche, hin zu Armut und Demut.

81 Jahre nach ihrem Tod 1380 wurde Katharina heiliggesprochen. Sie ist Schutzpatronin Roms, Italiens und – erst durch Johannes Paul II. – auch Schutzpatronin Europas.
1970 wurde sie mit Teresa von Avila, Thérèse von Lisieux und Hildegard von Bingen als Kirchenlehrerin anerkannt.

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