Jeden Montagabend trifft sich im Wallfahrtsort Bildstein eine Gruppe, die Kontemplation im Stil des Zen-Buddhismus übt. Das KirchenBlatt sprach mit dem Wallfahrtspfarrer und Zen-Lehrer Paul Burtscher, der diese Meditationsform mühelos in sein Leben als Priester integrieren kann.

Wolfgang Ölz

Man sitzt im Kreis nach außen gerichtet, jeder findet in sich selbst die Mitte. Nur Paul Burtscher als Leiter hat alle im Blick und weiß genau in welcher Haltung und in welchem Zustand die Einzelnen üben. Rein von Außen betrachtet könnte man meinen, man befindet sich in einem konventionellen Zenkurs, aber obwohl sich Zen und Kontemplation von der Methode her nicht unterscheiden, differieren sie sehr wohl vom theologischen Gehalt der Meditation her. Die Kontemplation kennt im Gegensatz zum Zen den trinitarischen Gott, das Kreuz und die Erlösung. Zen ergänzt als Kontemplation die  normale Spiritualität des Wallfahrtsseelsorgers Paul Burtscher. Sie ist verbindbar mit dem täglichen Feiern der Eucharistie, dem täglichen Lesen in der Heiligen Schrift, dem Feiern der Sakramente und dem Umgang mit der pfarrlichen Volksfrömmigkeit.

„Die Wolke des Nichtwissens“
Die Kontemplation hat Paul Burtscher durch das Buch „Die Wolke des Nichtwissens“ aus dem 12. Jahrhundert kennengelernt. Die christliche Kontemplation und der Zen haben beide eine lange Tradition und ähnliche Wurzeln. Nur ist die christliche Kontemplation lange Zeit verschüttet gewesen, erst seit dem Konzil spielt die Mystik wieder eine größere Rolle. Der Pfarrer von Maria-Bildstein ist vor allem durch die Charismatische Erneuerung zur Kontemplation gekommen. Die Charismatische Erneuerung war für Paul Burtscher in den 1980er-Jahren ganz wichtig, weil sie ein Stück weit Lebendigkeit in den Glauben und ins Gebet gebracht hat. Der Kontemplationslehrer hatte dann immer mehr das Bedürfnis nach Vereinfachung: „Je tiefer man im Gebet kommt, umso mehr möchte man still werden.“ Persönlich ist er als Priester in eine gewisse Krise gekommen, weil er gemerkt hat, dass der Erfolg in der Seelsorge nicht messbar ist. Da spürte er, dass er sein persönliches Glaubensleben vertiefen musste, um diese Aufgabe überhaupt leben zu können. In dieser Situation ist er auf Sr. Ludwigis Fabian OSB gestoßen, die wie Willigis Jäger in Japan eine Zenausbildung gemacht hat. Sie beide nennen die christliche Form des Zen „Kontemplation“.

Die Wachheit
Der Gong, die Kissen und die Schemel sind die äußerlichen Zeichen der Meditation. Im Sitzen wird das Grundgeheimnis des Zen und der Kontemplation erfahrbar, dass darin besteht, aus dem Gedankenstrom der Einflüsse, die auf mich eindringen, herauszutreten. Es geht nach Paul Burtscher darum, einen Unterschied zu machen zwischen dem, „was ich bin und dem, was in mir an Emotionen präsent ist.“ Diese Wachheit besteht darin, sich von den Haftungen zu lösen. Hinter all den Gedanken entdecke ich das Unverwechselbare, das in mir göttlich ist und mich mit dem Göttlichen verbindet.“ Wie steht es mit dem personalen Gott in Zen und Kontemplation? Einerseits müssen wir es ernst nehmen, dass Gott unbegreiflich ist, kein Bild hat und letztlich auch keinen Namen. Andererseits findet für die Christen eine personale Begegnung mit Gott statt: Gottes Stimme ist hörbar und wir können darauf  antworten. Gott hat ein Gesicht bekommen in der Menschwerdung von Jesus Christus: „Für mich ist Jesus die Möglichkeit mit Gott ins Gespräch zu kommen, weil Jesus der authentische Ausdruck Gottes ist.“ Dabei macht Paul Burtscher eine feine Unterscheidung: „Es geht in der Kontemplation nicht darum, dass Jesus in mir ein Gegenüber ist, sondern dass wir selber ein Ausdruck von Jesus Christus werden, denn in der Taufe wohnt Christus in uns und wir sind Tempel Gottes.“

Der eine Gott
Religionen und religiöse Rituale sind Wege zu dem einen Gott, lehrt Willigis Jäger. Es ist wichtig, in einer Pfarrgemeinde, dass jeder und jede Einzelne ganz unterschiedliche Zugänge zum Glauben und zu Gott hat, und dass das respektiert und wertgeschätzt wird. Das gilt auch für unterschiedliche Konfessionen und Religionen überhaupt. Paul Burtscher: „Es ist mir wichtig, dass ich eine innere Weite praktiziere und lebe.“ Selbst nicht praktizierende Menschen, so ist Paul Burtscher überzeugt, haben einen Bezug zu Gott. Alle Menschen machen Erfahrungen mit dem letzten Horizont ihres Lebens, sei es nun, dass sie staunen über ein Naturereignis, dass sie ergriffen sind von der Geburt eines Kindes oder dass sie betroffen sind von einem Unglück. Das Wichtigste im Leben ist geschenkt, und es geht darum, die Augen dafür zu öffnen. Kontemplation dient dazu, dass wir wachsam und dankbar leben lernen. Ein zentraler Begriff ist ihm die „Achtsamkeit“.

Kinhin
Erreicht wird diese konkrete Kontemplation durch den Leib der in aufmerksamer, wacher und gleichzeitig entspannter Sitzhaltung verharrt. Zentral ist auch der Atem, der die Verbindung zum Innersten, zum Selbst ermöglicht, zum Lebensodem, der in die Tiefe führt. Nach einer längeren Zeit des Sitzens folgt ein meditatives Gehen, genannt „Kinhin“, auch hier geht es darum, immer wieder im Jetzt, im einen-Fuß-vor-den-anderen-Treten zu sein. Am Schluss sitzt man zur Mitte, „tönt einen Namen“ Ein  heiliges Wort wie etwa „Shalom“ ist Ausdruck des Gebetes und wird mit Liebe und Hingabe aufgeladen.

Die litaneiartigen Gebete sind Gebetsrufe, die immer wiederholt werden. Die Mönche haben ursprünglich, um in die Herzensruhe zu kommen, Psalmen lateinisch rezitiert. Die einfachen Leute konnten kein Latein, und haben statt der 150 Psalmen, 150 Vaterunser gebetet. Das war auch ein längeres Mantra, das als Gebetsgrundlage gedient hat. Später kam der Rosenkranz als Gebet an die Mutter Gottes. Für Paul Burtscher ist der Rosenkranz ein sehr wichtiges und sehr schönes Kontemplationsgebet, weil er immer wieder entdeckt, dass im Ave Maria nicht nur Maria, die Muttergottes, sondern er selber der angesprochene ist. Im Wiederholen darf er erfahren, dass Gott ihn immer wieder neu anspricht und ruft.

Mensch werden
Ganz am Ende erhalten alle Betenden noch ein mystisches Wort auf einem Blatt Papier, das Paul Burtscher vorbereitet hat. Von Willigis Jäger hat Paul Burtscher gelernt, dass es einen großen Heilsoptimismus gibt, d.h. dass jeder Mensch berufen ist, spirituell zu leben. Jäger sagt, spirituell leben, heißt Mensch werden. Die höchste Form der Mystik ist es ein wahrer Mensch zu werden. Jäger hat Burtscher auch eine große Achtung vor dem ganzen Kosmos vermittelt, ob Pflanzen, ob Tiere, ob Dinge - in allem kann Gott begegnet werden. Willigis Jäger hat auch gesagt, es gibt keinen Tod. Es gibt zwar den körperlichen Tod, aber im Grunde ist das eine Verwandlung und wir sind geschaffen für die Ewigkeit, für ein Leben, das keinen Tod kennt. David Steindl-Rast sagt, das Grundproblem unserer Zeit ist, dass wir Gott weit entfernt wähnen, obwohl er uns ganz nahe ist und unseren Alltag mitprägt. Paul Burtscher: „Wenn ich diese Erfahrung mache, dann habe ich das Wesentliche verstanden.“

Stimmen von Kontemplationsteilnehmer/innen

Melitta BöhlerMelitta Böhler, Bildstein: Die Kontemplationsübung gibt mir Ruhe. Für mich ist es wichtig, die Präsenz der Gegenwart Gottes zu erleben, und zu üben. Es ist eine ganz wichtige Erfahrung des Kommen-Lassens und Gehen-Lassens der Gedanken. Ich halte mich gerne in Stille in Kirchen auf.


Gabriele FröhlichGabriele Fröhlich, Feldkirch-Gisingen: Ich nenne es nicht Zen, sondern kontemplatives Gebet, weil es eine christlich-mystische Übung ist. Mir bedeutet es ganz viel. Ich fühle mich mit dem Göttlichen, mit dem Leben verbunden und auch wieder ein bisschen mehr mit der katholischen Religiosität. Ich war eine Zeit lang fern von traditionellen Gebetsriten, wie der  Messe. Die Kontemplation hat für mich wieder eine Verbindung hergestellt. Wenn ich dann ab und zu wieder in eine Messe gehe, sehe ich das in einem neuen Licht. Ich kann die Erfahrung, die ich hier mache, mitnehmen und dort anknüpfen und erfahre die Eucharistiefeier dann anders.

Hubert FeursteinHubert Feurstein, Batschuns: Kontemplationsübung ist für mich die Einübung in ein Leben der Dankbarkeit im Sinne von David Steindl-Rast: bewusst werden, spüren, dass ich das Leben jemand anderem verdanke und es ist gleichzeitig auch eine lebens- und körperzugewandte Spiritualität, die mir gefällt. Ich unterrichte Religion, habe Theologie studiert und mich mit diesen Fragen schon länger  beschäftigt, das ist für mich auch in der Praxis sehr wichtig.

Maria HechenbergerMaria Hechenberger, Schwarzach: Die Zenübung ist für mich ein Raum, in dem ich mehr als nur mich selber erfahre, nämlich das Göttliche. Hier begegnet man Gott. Ich mache auch Tai Chi, wenn man in der Bewegung ist, kann man nichts denken, dann kann man ganz abschalten. Beim Meditieren bin ich zwar körperlich ruhig, aber in mir läuft sehr viel ab. Das sind wie Verschränkungen. Bei dem einen bewege ich mich, bin aber geistig ruhig, beim anderen sitze ich, bin aber geistig sehr aktiv. Gelernt habe ich das von einem katholischen Priester, einem Chinesen namens Petar Yang. Er hat sich zum Ziel gesetzt, das Spirituell-Geistige vom Christentum mit dem Körperlichen des Taoismus zu verbinden.

Kontemplation mit Pfr. Paul Burtscher jeden Montag, 19.30-20.50 Uhr, Kultursaal Bildstein, ab Herbst 2015, Montag 14. September wieder

www.kontemplation.at