Beim Lokalaugenschein im Caritas-Café in Feldkirch wird das Ausmaß des Elends der Notreisenden deutlich. Der Sozialarbeiter Peter Wieser und sein Team kümmern sich vor allem auch um jene, denen es besonders schlecht geht. Wieser betont, dass es natürlich, genauso wie bei uns Vorarlbergern, auch bei den Roma und Sinti - entgegen allen Vorurteilen - ganz unterschiedliche Menschen gibt. Insgesamt schätzt Peter Mayerhofer (Geschäftsführer der Kaplan Bonetti Sozialwerke) die Notreisenden in Vorarlberg auf hundert.

Wolfgang Ölz

Eine Gruppe von jungen Roma sitzt im Caritas-Café um einen Tisch, und im Gespräch teilen sie mit, wie sie selbst ihre Situation in Vorarlberg sehen. Nicolae D. (26)* kommt aus Rumänien. Er ist seit zwei Monaten hier, und sucht das Caritas-Café täglich auf.

Nicolae D. ist in keiner Notschlafstelle untergebracht, und schläft buchstäblich auf der Straße, und zwar in Dornbirn am Bahnhof. Die Notschlafstellen sind auf zwanzig Plätze bei der Caritas und dreißig im Kaplan-Bonetti-Haus beschränkt. Etwa fünfzig Notreisende müssen sich anderweitig durchschlagen. Die Vorarlberger finden sie „mutig, tapfer und nett“, aber sie müssen trotzdem auf der Straße schlafen, und das finden sie „nix gut“, sagt Carola D. (25)*, die Frau von Nicolae. Sie sind existentiell betroffen, weil sie jede Nacht im Freien schlafen und frieren müssen. Deswegen gefällt es ihr nur „ein bisschen“ in Vorarlberg, aber verständlicherweise nicht unglaublich gut, weil ihre Situation so anders ist als die der meisten Menschen, die hier in Vorarlberg beheimatet sind.
Marian V. (22)* findet das Leben in Vorarlberg okay, obwohl er auch auf der Straße schlafen muss. Er hat vier Schichten Kleidung an, weil es in den Nächten sehr kalt ist. Am Vortag hat es dazu noch geregnet, und seine Schuhe - die einzigen, die er hat - sind pudelnass. Marian bietet eine Zigarette an, die von mir dankend abgelehnt wird.

Nie eine Schule besucht
Ion D. (25)* gefällt es in  Vorarlberg schon. Allerdings macht ihm sehr zu schaffen, dass er auf der Straße schlafen muss, und auch keine Arbeit hat. Er und seine Familie möchten wieder nach Rumänien zurückkehren. Sie haben bereits ein Ansuchen für eine Rückfahrkarte gestellt, spätestens am 26. Dezember werden sie nach Brasov zurückfahren. Dabei kann es allerdings gut sein, dass sie später wieder zurückkommen. Es gibt auch viele, die in Vorarlberg bleiben wollen, und es in Kauf nehmen auf der Straße leben zu müssen, weil die Notschlafstellen der Caritas nur für ein paar Nächte genützt werden dürfen.
Ein Problem ist, dass die Notreisenden kein Deutsch sprechen. Viele sind nur zwei, drei Jahre in die Schule gegangen. Es gibt auch welche, die nie eine Schule besucht haben und weder lesen noch schreiben können. Arbeitsmarkttechnisch ist das ein Riesenproblem. Viele sind auch krank, weil sie weder hier noch in Rumänien einen Zugang zur Krankenversorgung haben.

Auch das Bonetti Haus handelte in Notsituation
Der Geschäftsführer der Dornbirner Kaplan Bonetti Sozialwerke, Peter Mayerhofer, erinnert an einen Samstagabend, als die Außentemperatur null Grad betrug und fünfzig obdachlose Roma und Sinti am Bahnhof in Dornbirn standen. In dieser akuten Notsituation hätten er und sein Team für die Menschen gehandelt, kurzfristig dreißig Personen aufgenommen und in den Gemeinschaftsräumen des Bonetti-Hauses untergebracht. Mittlerweile wohnen die dreißig Notreisenden in einem Reihenhäuschen der Bonetti Wohnprojekte. Mayerhofer hat mit ihnen gute Erfahrungen gemacht. Sie geben acht auf die Räumlichkeiten und haben die Hilfe dankbar angenommen. Insgesamt seien sie sehr freundlich und auch lebensfroh, trotz ihrer tristen Lage. Peter Mayerhofer gibt zu bedenken, dass die Notreisenden unter sich eine sehr heterogene Gruppe sind. Da sind etwa die Roma und Sinti aus Rumänien, die noch rudimentäre Verbindungen in ihrem Heimatland haben. Es gibt aber genauso Notreisende, die schon viele Jahre unterwegs sind und für die es nicht mehr die Option gibt, nach Rumänien zurückzukehren. In diesen Fällen ist eine sogenannte „Rückkehrberatung“ schlichtweg nicht sinnvoll. Sein christliches Menschenbild ist für Mayerhofer eine wichtige Grundlage dafür, dass er den Notreisenden in ihrem Elend hilft.  

* Namen von der Redaktion geändert

Caritas engagiert sich

Die Notreisenden werden in den Notschlafstellen der Caritas jeweils nur für ein paar Nächte aufgenommen. Michael Natter ist der zuständige Bereichsleiter des Fachbereichs „Sozial-Beratung/Begleitung“ bei der Caritas. Natter sagt: „In dieser Zeit in den Notschlafstellen der Caritas können die Notreisenden Kraft schöpfen und überlegen, wie es weitergeht.“ Peter Wieser als Leiter des Caritas-Cafés ist es wichtig, dass das Leben der Notreisenden nicht in Armut, sondern in Verelendung stattfindet.  

Öffnungszeiten der Caritas über die Feiertage

Notschlafstelle
Jahnplatz 4, Feldkirch, T 05522 200-1200.
Do 24. Dezember, Fr 25. Dezember, Sa 26. Dezember, So 27. Dezember, Do 31. Dezember, Mi 6. Jänner durchgehend sowie werktags von 16.30 bis
11 Uhr geöffnet.

Caritas-Center Beratungsstellen
Reichsstraße 173 (gegenüber Bahnhof, Zugang Reichsstraße), Feldkirch, T 05522 200-1700.
Do 24. Dezember, Fr 1. Jänner geschlossen.
Mi 23. Dezember und Fr 8. Jänner, 8 bis 12 Uhr.
An allen anderen Werktagen von Mo 28. Dezember bis Do 7. Jänner, jeweils 8 bis 12 und 13 bis 16 Uhr.

Caritas Café
Wohlwendstraße 1, Feldkirch,
T 05522 200-1570, E
Do 24. Dezember: 8.30 bis 14 Uhr - Weihnachtsfeier für die Besucher/innen des Caritas-Cafés.
Fr 25. Dezember, Sa 26. Dezember, Fr 1. Jänner, Mi 6. Jänner geschlossen.
Do 31. Dezember, Sa 2. Jänner 8.30 bis 12 Uhr.
Werktage von Mo 28. Dezember bis Do 7. Jänner geöffnet von 8.30 bis 14 Uhr.

Öffnungszeiten Kaplan Bonetti Haus in Dornbirn

Kaplan Bonetti Haus
Gilmstraße 7, Dornbirn.
T 05572 23061, E
Anlaufstelle rund um die Uhr.
Fachstellen: werktags von 8 bis12 Uhr.
Werkstätten: geschlossen.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 52/53 vom 24./31. Dezember 2015)