Die Theologie gefährde den einfachen Glauben, meinen so manche; und sie mache „sündhafte Leute“, meinte Martin Luther. An den Moraltheologen Gunter Prüller-Jagenteufel ist das eine doppelte Anfrage.

Teil 2 von 5 "Mit Theolog/innen im Gespräch": Univ. Prof. Gunter Prüller-Jagenteufel, Wien

Quirinus C. Greiwe

Verdirbt die wissenschaftliche Theologie den gläubigen Menschen? Geht man Gefahr, durch das Theologiestudium seinen Glauben zu verlieren? Martin Luther meinte: „Die Arznei macht kranke, die Mathematik traurige und die Theologie sündhafte Leute.“ Und Napoleon Bonaparte fügte später hinzu: „Die Theologie nimmt in der Religion etwa denselben Platz ein wie die Gifte unter den Nahrungsmitteln.“ Gunter Prüller-Jagenteufel kennt die Problematik, allerdings nicht persönlich. „Die Theologie als Wissenschaft hat mich in meinem Glauben nie angefochten“, sagt der Wiener Professor. Gerade die intellektuelle Auseinandersetzung mit der Religion habe ihn tiefer in den Glauben eingeführt. „Die Vereinbarkeit von Glaube und Vernunft war ja das große Thema des Pontifikates von Benedikt XVI.“, erläutert Prüller-Jagenteufel. „Man kann auch über den Verstand in den Glauben hineinwachsen.“

Tieferer Sinn der Bibel

Das gelte beispielsweise für die Lektüre der Bibel. Die seit vielen Jahrzehnten herrschende historisch-kritische Methode der Bibelauslegung hat zahlreiche Widersprüche, Überarbeitungen und Zweifel aufgedeckt. „Die Offenbarung Gottes im biblischen Wort scheitert nicht an der platten Frage der Geschichtlichkeit“, ist Prüller-Jagenteufel überzeugt. Es gehe nicht nur darum, ob bestimmte Geschichten der Heiligen Schrift so und nicht anders wirklich stattgefunden hätten. Durch das wissenschaftliche Studium der Bibel sei es auch möglich, „den tiefer liegenden Sinn“ des Wortes zu erfahren. In dieser Hinsicht sei er gerade seinen wissenschaftlichen Exegese-Lehrern in Wien, den Professoren P. Georg Braulik OSB und Jakob Kremer sehr dankbar.

Zu den Quellen des Glaubens

Allerdings hat Prüller-Jagenteufel sich mit dem Studium allein nicht zufriedengegeben. „Ich habe immer versucht, den Gang zu den Quellen des Glaubens zu finden.“ Dazu gehören nach seiner Überzeugung ebenso das Gebet und die Sakramente, alle „nicht organisierten Formen“ des Glaubens. Schon früh habe er das Stundengebet für sich entdeckt. „Ich versuche immer zumindest die Laudes zu beten.“ Auch die tägliche persönliche Schriftlesung zählt für Prüller-Jagenteufel dazu. Daneben tritt für ihn aber auch das christliche Handeln, die Werke aus dem Glauben heraus. „Wir begegnen Christus in der Welt“, erklärt der Professor. Das gelte vor allem für die Begegnung mit armen, leidenden und fremden Menschen.

Eine arme Kirche für die Armen

In dieser Hinsicht liegt Prüller-Jagenteufel ganz auf der Linie des neuen Papstes Franziskus. Dabei verweist er besonders auf die
Eingangsworte der Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten
aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“ Als persönliche Konsequenz engagiert sich der gebürtige Wiener daher für Christ/innen auf den
Philippinen. „Das ist eine Erfahrung, die mich in meinem Glauben ungemein bestärkt.“

Berufung der Eheleute

In seiner Studienzeit dachte Prüller-Jagenteufel darüber nach, ob er Priester werden soll. Letztlich habe ihn der Zölibat davon abgehalten. Seine Ehe
blieb kinderlos. „Da hat sich uns natürlich die Frage gestellt: Was ist unsere Berufung? Wie können wir unser Leben für andere fruchtbar machen?“ Beide Ehepartner haben sich
für ein Engagement in der Kirche, für eine Kirche in der Welt entschieden. Darüber hinaus gilt ihr Einsatz der Familie, den zahlreichen Nichten, Neffen und Patenkindern.