6. Jänner: Missio-Sammlung für Priester aus drei Kontinenten

von Andreas Thomhauser

Noch immer liegt der Genozid des Jahres 1994 wie ein großer schwerer Schatten über einem der aufstrebendsten Länder Afrikas. Inmitten einer verlorenen Generation – geschädigt durch unvorstellbares Leid – wird in Rwanda ein Priester zu einem Leuchtturm der Liebe Gottes: ein strahlendes Beispiel, dem auch andere nachzueifern beginnen.

Father Ubald umarmt F. EmanuelHerzlich umarmt er ihn. Ein langer gemeinsamer, nicht immer einfacher Weg war diesem Augenblick vorausgegangen. Emanuel drückt Father Ubald noch einmal fest an sich. Seinem großen Vorbild verdankt er viel. Von ihm schöpfte er Inspiration. Durch sein beeindruckendes Beispiel begann Emanuel über seine Berufung nachzudenken. Was Father Ubald alles erleiden hatte müssen! Und doch sind seine Predigten voll von Güte. Zumeist spricht er über Vergebung, Gerechtigkeit und Versöhnung. Emanuel war aber weniger fasziniert von seinen Worten. Es waren Father Ubalds Taten, die den jungen Mann überzeugten. Und heute, an diesem großen Tag, kann er sich endlich bei ihm bedanken:

Father EmanuelEmanuel möchte ein Priester sein, der Gott und den Menschen aufrichtig dient – wie es ihm Father Ubald in den vergangenen 28 Jahren vorgelebt hatte. In seiner Pfarre Mushaka in Rwanda wuchs Emanuel heran, an diesem Ort entschied er sich, Priester zu werden und hier wird er heute von seinem Bischof geweiht.

Auf die Bäume geklettert
Alle sind gekommen: Die Eltern, die Geschwister, der für die Region zuständige Senator, der hiesige Militärchef und tausende Pfarrmitglieder. Die Kinder kletterten bereits auf die umstehenden Bäume, um mehr von dem Fest zu sehen und die perfekt einstudierte Musik besser zu hören. Die Stimmung an diesem Sommermorgen ist ausgelassen. Die Pfarrgemeinde ist stolz auf den jungen Priester. Man lacht, isst und trinkt gemeinsam und ist dankbar: Emanuel konnte nämlich durch eine Missio-Patenschaft aus Österreich studieren. Seine Weihe ist für alle ein großes Fest.

Völkermord
Nicht immer war hier den Menschen zum Feiern zumute. Vor 16 Jahren wurde Rwanda Schauplatz eines brutalen  Genozids. Innerhalb von drei Monaten wurde knapp eine Million Menschen abgeschlachtet. Zumeist nur mit Macheten bewaffnet fielen Hutu-Milizen über Mitglieder des Tutsi-Stammes her. Später marschierten Tutsi-Rebellen unter der Führung des jetzigen Präsidenten Paul Kagame von Uganda in Rwanda ein und stoppten das Gemetzel unter den Tutsi. Dennoch kam es zu weiterem Blutvergießen. Diesmal rächten sich die Tutsi an den Hutu.

Der Konflikt zwischen den Stämmen reicht weit zurück. Richtig eskaliert ist er allerdings erst aufgrund der Politik der Kolonialmächte Deutschland und Belgien, die Hutu und Tutsi gegeneinander aufbrachten und so ihre Herrschaft absicherten.
Wie absurd der Hass tatsächlich ist, offenbart sich, wenn man bedenkt, wie die Stammesunterscheidung zustande kam: Als die belgische Kolonialmacht daranging, die Stammeszugehörigkeit der Menschen in deren Pässe einzutragen, war rasch klar, dass niemand genau wusste, ob er nun Tutsi oder Hutu war. Also mussten äußere Merkmale herhalten. Da Schädelvermessungen und dergleichen schon unter den deutschen Kolonialherren gescheitert waren, konzentrierte man sich auf den Besitz: Wer mehr als zehn bis zwölf Kühe besaß, wurde als Tutsi registriert, die ärmere Bevölkerung zählte man zu den Hutu. Diese künstliche Trennung der Volksgruppen war die Basis für die immer stärker werdende Verachtung, die man sich einander entgegenbrachte.

Verfolgt und gepeinigt
„Seit meinem fünften Lebensjahr musste meine Mutter uns Kinder immer wieder im Busch vor aufgebrachten Hutu verstecken. Der Hass war groß“, erzählt Father Ubald heute. Von klein auf musste er Verantwortung übernehmen: Als er sieben Jahre alt war, brachten Tutsi seinen Vater um. Die Mutter hatte ab da vier Kinder alleine zu ernähren. Als Ältester kümmerte er sich ebenfalls um seine Geschwister. Während dieser Zeit wuchs in ihm der Wunsch, Priester zu werden. Doch der Weg dorthin war ein steiniger. Aufgrund des Rassismus in Rwanda studierte er im benachbarten Burundi. Zu gefährlich schien es seinen Oberen, den jungen Seminaristen in Rwanda bleiben zu lassen. Eine Missio-Patenschaft ermöglichte ihm die theologische Ausbildung. 1984 war es dann endlich so weit: Father Ubald wurde zum Priester geweiht. Die gute Beziehung zu seinen „Paten“ aus einer Grazer Pfarre sollte später zu seiner Rettung beitragen.

Albtraum
Als 1994 der Völkermord losbrach, war kein Tutsi mehr sicher. Allein in Father Ubalds damaliger Pfarre am Kivu-See im Südwesten des Landes wurden 40.000 Menschen in einer Nacht ermordet. „Pfarrmitglieder, die mich bis dahin schätzten und respektierten, stellten mir plötzlich nach und wollten mich umbringen. Es war ein Albtraum“, erinnert sich  Father Ubald. Auch seine  Familie wurde Opfer der Gewalt. Nur er und seine Schwester überlebten. „Sie haben meine Familie nicht nur ermordet. Die Häuser wurden ebenfalls dem Erdboden gleichgemacht. Dann pflanzten sie ein Maisfeld an dem Ort, so, als hätten wir nie existiert.“ Noch immer fällt es Father Ubald schwer, über diese Zeit zu sprechen. Sein Bischof hatte ihn im letzten Augenblick über die Grenze in den  Kongo schmuggeln lassen. Wäre das bekannt geworden, hätte man auch den Bischof ermordet.

Innere Heilung
Kollaboration mit  Tutsis wurde nicht geduldet. Father Ubald  emigrierte nach Österreich. Dank seiner „Priesterpaten“ in der Grazer Pfarre konnte er hierbleiben. „Zuerst dachte ich, dass ich nie wieder zurückgehen könnte. Ich wollte auch kein Priester mehr sein.“ Wie könne er die heilige Messe feiern, wenn so viel Wut und Schmerz in seinem Herzen lagen? Wie hatte Gott das alles zulassen können? Wie hatte es in Rwanda so weit kommen können? Dann, eines Tages, war er eingeladen, nach Lourdes in Frankreich zu fahren: „An diesem wunderbaren Ort schenkte mir Gott innere Heilung. Während des Gebetes vernahm ich Seine Stimme. Sie forderte mich auf, mein Kreuz zu akzeptieren. Und zu vergeben.“ Das war schließlich der Punkt, an dem sich Father Ubalds Leben zum zweiten Mal änderte. „Ich fasste neuen Lebenswillen, neuen Mut.“ Er kehrte zurück und begann Vergebung und Versöhnung zu predigen: „Wir haben nur eine Chance auf ein friedliches Zusammenleben als Tutsi und Hutu, wenn wir es schaffen, einander von Herzen zu verzeihen. Wenn wir ehrlich zugeben, was wir einander angetan haben und dann die Schuld dem anderen erlassen.“ 

Father Ubald ist eine leuchtende Figur der Hoffnung in seinem Land. Er predigt nicht nur, er lebt Versöhnung auch vor. Seit mehreren Jahren unterstützt er die Kinder des Mörders seiner Familie in ihrem Studium. Deren Mutter war gestorben, während der Vater seine Strafe im Gefängnis absaß: „Ich hatte ihm öffentlich im Namen Jesu vergeben. Aber das reicht nicht. Unseren Worten müssen auch Taten folgen.“ Father Ubald ist in Rwanda für seine leidenschaftlichen Vorträge und Predigten bekannt.

Friedenszentrum
Rwanda ist noch weit  davon entfernt, den Genozid aufgearbeitet zu haben. Deshalb möchte der Priester einen Schritt weitergehen. Gemeinsam mit seinen österreichischen „Paten“ plant er, ein  Friedenszentrum an den Ufern des  Kivu-Sees zu errichten. Hier möchte er  Exerzitien und Treffen abhalten, um die  Vision einer  versöhnten und geeinten rwandesischen  Gesellschaft wachsen zu  lassen, ganz getreu seinem Lebensmotto aus dem Römerbrief: „Lass dich nicht überwinden vom  Bösen, sondern überwinde mit dem Guten das Böse!“ Der junge Priester Emanuel ist eine Frucht dieses  Strebens nach dem  Guten.  Fasziniert von der Strahlkraft dieser einfachen Botschaft möchte nun auch Father Emanuel mitbauen an einem neuen Rwanda, einem Land, in dem Hutu, Tutsi und auch alle anderen Menschen friedlich zusammenleben können und eine gemeinsame Zukunft haben.

Missio-Plakat 2012

Missio-Sammlung für Priester

Am 6. Jänner sammeln die Päpstlichen Missionswerke in allen Pfarrkirchen Österreichs „Für Priester aus drei Kontinenten“ im Sinne des Auftrags  der Verkündigung des Reiches Gottes: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen.“

In Europa kommt im Durch-schnitt auf 3525 Einwohner ein Priester, teilte Missio mit. Damit sei die Versorgung mit Priestern in Europa immer noch am höchsten. „Aber gerade dort, wo es viel mehr Priester bräuchte und zahlreiche Berufungen vorhanden sind, fehlt es an Unterstützung für deren Ausbildung“, heißt es weiter. Die Anzahl der Einwohner pro Priester betrage in Ozeanien 7340, in Lateinamerika 8235, in Afrika 27.335 und in Asien gar 50.030.

Es fehle in den Ländern des „Südens“ nicht an Berufungen,  weiß Leo Maasburg, Nationaldirektor von Missio Austria (Päpstliche Missionswerke). Der Zustrom zu den Priesterseminaren sei groß. Oft müssen aber ernsthafte Bewerber abgewiesen werden, weil es an Geld zur Ausbildung und an Platz für die Unterbringung fehlt.

Onlinespenden: www.missio.at