Erst vor kurzem starb der 10-jährige Sebastian bei einem tragischen Unfall auf der Nordseeinsel Amrun. Ein Schock für seine Familie, aber auch für seine Freunde und Schulkamerad/innen, die nun vor der schweren Aufgabe stehen, seinen Tod und die Trauer zu verarbeiten. Das Projekt „vergiss mein nicht“ der Jungen Kirche Vorarlberg bietet Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen Weg, den Tod von (jungen) Menschen versöhnend in das eigene Leben integrieren zu können. Denn: Tabuisierung über Tod, Trauer und Verlust hilft hier nicht weiter. Das KirchenBlatt im Gespräch mit den Projektmitgliedern Jugendseelsorger Dominik Toplek und Silke Sommer.

Projekt: "Vergiss mein nicht"

von Simone Rinner

Wie kam es zu „vergiss mein nicht“?
Silke war vor vier Jahren auf der Jugendpastoralwoche im Tirol. Das Thema war die Auseinandersetzung mit Tod und Trauer von Kindern und Jugendlichen. Sie brachte die Projektidee hier nach Vorarlberg und setzte erste gute Schritte es umzusetzen. Christliche Jugendpastoral kann sich diesem Thema nicht entziehen. Tod, Trauer und Trost brauchen ihren Raum und gehören zum Leben und zu jeder Gemeinschaft dazu. Darum gibt es jetzt auch im Team „Junge Kirche“ das Projekt „vergiss mein nicht“.

Warum ist dieses Projekt so wichtig?
Wenn in einer Pfarre, in einem Klassenverband oder sonst einer Gemeinschaft ein junger Mensch stirbt, löst dies nicht nur bei Angehörigen, sondern auch bei Freunden tiefe Betroffenheit aus. Fragen nach dem Sinn des Lebens und Vergänglichkeit werden stärker gestellt als sonst, der Wunsch nach Auseinandersetzung mit diesen Themen ist gegeben. Diesem Ringen um die wichtigen Lebensfragen wollen wir Raum geben und sie in einer jugendgerechten Totenwache oder Gedächtnisfeier begleiten.

Wodurch zeichnen sich diese aus?
Eine ansprechende Totenwache unterstützt junge Menschen im Abschiednehmen, Loslassen und Erinnern. Rituale geben in dieser Zeit des Übergangs Sicherheit und Orientierung. Durch eine angemessen gestaltete erste Phase der Trauer kann der Trauerprozess unterstützt werden. Dieses Angebot ist eine Ergänzung der kirchlichen Begräbnisfeiern.

Was ist wichtig, um „richtig Abschied“ nehmen zu können?
Mit der Nachricht des Todes eines lieben Menschen beginnt der Trauerprozess, der sich über einen langen Zeitraum erstreckt und mehrere Phasen hat. Vor allem die erste Phase ist entscheidend für den späteren Trauerprozess. Es gibt nur einmal den Zeitpunkt, in dem jemand erfährt, dass ein geliebter Mensch tot ist, nur ein erstes Mal, die Tote/den Toten sehen und berühren zu können. Es gibt nur den einen Moment, in dem sich Freunde und Freundinnen der/ des Verstorbenen das erste Mal weinend und tröstend in die Arme nehmen. Für Jugendliche und auch Erwachsene ist es hilfreich, Freunde, Begleiter und Begleiterinnen zu haben.

Reagieren Jugendliche anders auf dieses schwierige Thema als Erwachsene?
Jugendliche verarbeiten den Verlust eines nahestehenden Menschen auf ihre Weise, etwas anders als Erwachsene und auch als Kinder. Für Erwachsene ist das Verhalten von trauernden Jugendlichen oft schwer zu begreifen und Jugendliche werden deshalb in ihrer Art zu trauern nicht ernst genommen, weil sie sich nicht an konventionelle Normen halten. Außenstehende haben z.B. manchmal den Eindruck, dass Jugendliche den Tod eines nahestehenden Menschen erstaunlich schnell bewältigen und zur Tagesordnung übergehen. Dieser Eindruck besteht aber zu Unrecht. Oft ist es auch die eigene Unsicherheit, die Jugendliche dazu veranlasst, Schutzmechanismen einzusetzen und sie zum Beispiel Härte demonstrieren lässt, wo Verletzlichkeit vorhanden ist. Oder während Erwachsene meist leise trauern, geht es bei Jugendlichen auch einmal lauter zu. Sie hören laute Musik, knallen Türen zu und gehen mit ihren Freund/innen fort. Manche haben extreme Abenteuerlust, suchen extreme sportliche Bestätigungen und körperliche Grenzerfahrungen – Ablenkung und Risikoverhalten sind also nicht selten.
Wir vom Projektteam versuchen ihnen mit Mut, Selbstreflexion und religionspädagogischer Kompetenz in diesen existentiellen Krisenzeiten positive Lebenserfahrung zu vermitteln.

Woraus besteht das Angebot von „vergiss mein nicht“?
Es besteht aus der Totenwache „Gemeinsam trauern“ und dem Erinnerungsritual „vergiss-mein-nicht“. Wir begleiten die Jugendlichen, wenn sie den Trauerprozess durchleben, aber auch das Erinnern ist sehr wichtig:  Mit einem gemeinsamen Erinnerungsritual möchten wir dem verstorbenen Freund oder der verstorbenen Freundin im Alltag der Jugendlichen Platz geben. Anlass kann der Todestag, Geburtstag des/der Verstorbenen oder auch der Ausbildungsabschluss der Freunde sein.

Warum heißt das Angebot „vergiss mein nicht“?
Wenn man die gleichnamige Blume ansieht, ist sie zart und klein, sie muss gehegt und gepflegt werden. Der Name „vergiss mein nicht“ soll ein Hoffnungszeichen sein. Was in uns weiterblüht, sind die Erinnerungen an die Verstorbenen. Sie hinterlassen Spuren in unseren Herzen. Sie wollen in unseren Herzen weiterwachsen und in Erinnerung bleiben.

„vergiss mein nicht“

Das Projekt ist ein Angebot der Jungen Kirche sowie der Katholischen Jugend und Jungschar Vorarlbergs und richtet sich in erster Linie an jugendliche Freund/innen von ums Leben gekommenen Jugendlichen. Das Projekt soll ein Handlungsraum sein, der es jungen Menschen ermöglicht, ihre Hilflosigkeit in der Situation der tiefen Betroffenheit und Trauer zu durchleben. Hierfür bietet das Projektteam die Möglichkeit einer jugendgerechten Totenwache oder einer Gedächtnisfeier. Im Anlassfall nimmt der Pfarrer, Schulleiter bzw. Klassenvorstand mit dem Team Kontakt auf.

Kontakt Projektteam „vergiss mein nicht“
Dominik Toplek, Jugend und Jungscharseelsorger, T 0664 8240 249
Silke Sommer, Fachreferentin der Katholischen Jugend und Jungschar, T 0664 8240 251
Anita Bonetti, Fachreferentin für JugendInitiativ, T 0664 8240 225