Kulturelles und religiöses Leben zeigt sich in Festen und Ritualen. Hier treffen sich Menschen, wachsen in Traditionen hinein und als Gemeinschaft zusammen. Dass dies auch auf interreligiöser Ebene möglich ist, davon erzählt Birgit Huber.

Patricia Begle

Zwischen Lammbraten, Osterbock und Osternachtsfeier wird uns jedes Jahr wieder neu bewusst, wie sehr unser Leben von Brauchtum und Ritualen geprägt ist. Deren Hintergrund liegt vielfach im Verborgenen, neugierig nachgefragt wird selten. Dabei steckt in Ritualen eine große, auch spirituelle Kraft. Rituale sind gemeinschaftsbildend, sprechen alle Sinne an und werden deshalb ganzheitlich begriffen.

Martin und Asure
Als Ethnologin erforscht Birgit Huber seit einigen Jahren religiöse und kulturelle Rituale in Tirol und Vorarlberg. Dabei stieß sie auf sogenannte „Konvergenzrituale“. Von diesen spricht man, „wenn Gruppen mit verschiedenen religiösen und kulturellen Hintergründen Gemeinsamkeiten in ihren Traditionen entdecken und gemeinsam neue Formen von Feiern entwickeln, bei denen die Eigenheit der Einzelnen erhalten bleibt“, legt Huber dar.
In der Praxis zeigt sich das zum Beispiel beim traditionellen Martinsfest, das Huber während ihrer Tätigkeit an der Universität Innsbruck kennengelernt hat. In einem Innsbrucker Kindergarten trafen sich katholische und islamische Religionslehrer mit Vertreterinnen des türkischen Frauenvereins „Lilie“ um eine Form zu finden, bei der alle Religionen miteinbezogen werden. Sie fragten nach Werten, die das Martinsfest zum Ausdruck bringt und suchten ein islamisches Fest, das auf ähnlichen Werten basiert. Beim Fest „Asure“ wurden sie fündig, in beiden Festen geht es ums Teilen. So ist eine neue Form entstanden: Zuerst ziehen alle im Laternenumzug durch den Ort, dann sind alle zur Asure-Speisung eingeladen, ein Essen, das mithilfe von begleitenden Texten erklärt wird. Die neue Form des Festes fand bei allen Beteiligten Anklang, mittlerweile wird auch in Vorarlberg so gefeiert, zum Beispiel in Lustenau.

Gleichberechtigte Wissensträger/innen
Bereits bestehende Traditionen aufzugreifen ist eine Möglichkeit des gemeinsamen Feierns. Ebenso können neue Elemente entwickelt werden. „Wichtig ist, dass alle Vertreter/innen als gleichberechtigte Wissensträger/innen von Anfang an im Team sind“, erklärt Huber, „jede Gruppierung soll hier Raum haben, sich zu repräsentieren“. Dabei muss es einen gewissen Verhandlungsspielraum geben, damit die Form schließlich für alle passt.

Aktuelles Bedürfnis
Birgit Huber gibt ihr Wissen und ihre Erfahrung weiter. In Vorträgen werden Rituale beschrieben und erklärt, es wird nach Gemeinsamkeiten auf der Werteebene gesucht. In Workshops werden konkrete Feiern entworfen - passend zu den Bedürfnissen und zur Situation der Teilnehmenden. Dabei sind Schulen und Kindergärten nicht die einzig Interessierten. Auch Pfadfinder waren einmal mit dabei und angesichts der vielen muslimischen Flüchtlinge wird das Thema des gegenseitigen Kennenlernens und Feierns zunehmend bedeutender.

Das Miteinander gestalten
„Ich denke, es braucht Mut zur Tradition“, überlegt Huber. „Manche Menschen haben Angst, dass Tradition gleich schon etwas Fundamentalistisches ist, manche werden unsicher fremden Traditionen gegenüber oder kennen sich in den eigenen nicht mehr aus.“ Hier schafft die Auseinandersetzung mit den Ritualen Sicherheit und Vertrauen. Das Feiern verbindet und schafft Gemeinschaft. Für Groß und Klein.

Vortrag und Workshop

Im Rahmen der Reihe „Wege zum Weltwissen“ lädt die Volkshochschule Rankweil zum Vortrag und Workshop mit Birgit Huber:

Gemeinsam (anders) feiern - wie das Miteinander gelingt.
Fr 15. April, 19 Uhr, Vinomnasaal, Rankweil.

Gemeinsam (anders) feiern - interkulturelle und interreligiöse Feiern entwickeln und umsetzen.
Do 21. April, 18 bis 21 Uhr, Schlosserhus, Rankweil. Anmeldungen: www.schlosserhus.at

(aus dem KirchenBlatt Nr. 14 vom 7. April 2016)