Seit zehn Jahren schon treffen sich Menschen in St. Arbogast zum „Festival für eine gute Zukunft“. Sie teilen ihre Visionen. So wandeln sich Utopien von „Nicht-Orten“ zu Wirklichkeiten. Ein Wunder?

zu: Kommentar von Josef Kittinger

Patricia Begle

Wenn sich eine Bildungsveranstaltung als „Festival“ bezeichnet, dann will sie nicht nur auf eine bestimmte Atmosphäre aufmerksam machen. Sie gibt damit gleichsam ein Versprechen. Jenes nämlich, „festivus“ zu sein - ein festlicher, heiterer Ort. Trotz derzeitiger  Zukunftsaussichten heiter zu bleiben, ist eine Kunst. Sie gelingt, wenn der Ausgangspunkt dafür nicht das Betrachten der Defizite und Mängel ist, sondern die Vision, das, wofür es sich zu leben lohnt.

Festivalbesucher
In erster Linie lebte das Festival von seinen Teilnehmer/innen. Sie brachten die Freude am gemeinsamen Nachdenken und Entwickeln mit, ihr Interesse an philosophischen und gesellschaftspolitischen Fragen und ihre Bereitschaft, sich auf diesen ganzheitlichen Prozess einzulassen. Sie kamen aus unterschiedlichen Berufsfeldern und mit je eigenen Geschichten und Anliegen. 1.300 Menschen waren es dieses Jahr. Begleitet wurden sie von Referent/innen. Diese sorgten für Inputs aus der Wissenschaft und traten in den Dialog mit den Teilnehmenden. Auf Augenhöhe. Auch sie brachten neben ihrer Fachkompetenz  Begeisterung und viel an Erfahrung mit zukunftsrelevanten Themen mit. 

Vertiefung
Zwei innovative Formen der Vertiefung standen dieses Jahr mit auf dem Programm: Der „generative Dialog“ mit den Dialog-Experten Freeman Dhority und Steffi Dobkowitz, sowie die „systemische Aufstellung“ mit dem Theologen und Therapeuten Siegfried Essen (siehe Artikel S. 3).

Ausweitung
Neu war dieses Jahr auch das Miteinbeziehen von jungen Menschen. Im Rahmen der „Schule der Utopie“ war es naheliegend, Schüler/innen an der Auseinandersetzung zu beteiligen. Junge Menschen sollen auch in Zukunft dazugehören. Ausgeweitet wurde auch die Wirkmächtigkeit. In den „Wirkstätten der Utopie“ können sich Menschen, die eine Idee für ein zukunftsträchtiges Projekt geboren haben, beim Unternehmen „kairos“ professionelle Unterstützung holen.

Kunst und Genuss
Schöpferisches Tun ist eng verbunden mit künstlerischem Tun. Die Musik von Pascal Content und die Ausstellung von Alois Neuhold schafften Raum zum Hören und Schauen. Auf ihre Art und Weise lösten sie Stimmungen aus und setzten Bewegungen in Gang. Meist unscheinbar, aber manchmal  wirkungsvoller als ein Wort.
Was auch zu einem Festival gehört, sind gutes Essen und Trinken sowie viel Zeit für Gespräche. Auch hier ist es den Tagen der Utopie gelungen, dieser Ganzheitlichkeit  zu entsprechen. Freuen wir uns auf die nächsten!

Vorträge zum Nachhören sowie das Buch zu den Tagen finden Sie unter: www.tagederutopie.org

 

KOMMENTAR

Kittinger Josef von Josef Kittinger

Danke für das großartige Zusammenspiel!“ schreibe ich am Tag nach dem großen Ereignis auf ein Plakat. Ein derartiges Festival ist vergleichbar mit der Aufführung eines zeitgenössischen musikalischen Werkes, das berührt. Jemand hörte die Musik, das bewegende Thema, komponierte daraus ein Werk und führt es auf, zum Beispiel in Form eines Vortrags. Die Menschen im Raum bilden einen Resonanzkörper. Das geschieht, wenn Menschen „gestimmt“,  bereit sind, die Melodie zu hören, die in ihnen zumindest als Ahnung ja auch schon klingt.

Dienlich sind dabei die Unterbrechung der Routine, eine kluge Dramaturgie der Zwischenräume, Kunst und Musik (jetzt wörtlich gemeint), ein gastliches Haus, das Begegnung anregt. Und: Das Vertrauen in das Wirken des Heiligen Geistes, der „Ruach“, das allem unseren Handeln vorausgeht. Sie trifft uns Vergangenheitsverhaftete und Problemverliebte, die wir oft auch gerne in die Zukunft auswandern, in der Gegenwart und flüstert uns zu: Das Wesentliche ist schon da. Nimm es wahr, das unerschöpfliche Potential!

Derartiges Erleben und Lernen wirkt. Schon während des Festivals wurden 52 Vorschläge an der Sammelstelle für gute Ideen, den „WIRKstätten der Utopie“, eingereicht. Nicht billige Vorschläge im Stile von „man sollte einmal“-  sondern mit der einzig fruchtbaren Haltung: „Ich will!“.

(aus KirchenBlatt Nr. 18 vom 2. Mai 2013)