Die Friedensfahrradtour 2012 der Deutschen Friedensgesellschaft und der Vereinigten Kriegsdienstgegner/innen (DFG/VK) führte von München durchs sommerliche Alpenvorland zum Bodensee und bis nach Konstanz. Zeitweilig mehr als 50 Radler/innen waren „Auf Achse für Frieden, Abrüstung und ein ziviles Europa“. Für den mitradelnden Berichterstatter war es eine intensive, achttägige, heimatkundlich-nachbarschaftliche ,Er-Fahrung‘ der besonderen Art.

Walter Buder

Thommy vom bayerischen Landesverband der DFG/VK organisiert „das Ding“ seit 2005 jedes Jahr. Johanna, passionierte Radfahrerin und Friedensaktivistin knobelt die Routen aus und fährt in der Praxis voran. Peter macht den „Letzen“. Immer, wenn er da ist, geht‘s weiter. Sonst nicht.
Letztes Jahr radelten sie über die Alpen zum NATO-Stützpunkt nach Vicenza, der Krieg in Afghanistan war Thema. Heuer hieß es: „Legt den Leo an die Kette!“ Der in Deutschland hergestellte Kampfpanzer „Leopard 2“ ist gemeint. Die Saudis wollen zwischen 200 bis 600 davon haben und werden sie auch bekommen - wenn es nach Angela Merkel bzw. dem entscheidenden „Geheimgremium namens Bundessicherheitsrat“ geht.

Export
Die Friedensradler/innen sind dagegen. Entschieden! Sie wollen überhaupt keine deutschen Waffenexporte, sondern eine zivile Außenpolitik, Abrüstung auf allen Ebenen, Reduzierung der Rüstungsausgaben. Im Hintergrund steht der Grundgesetzartikel 26 (2): „Kriegswaffen und Rüstungsgüter werden grundsätzlich nicht exportiert. Das Nähere regelt das Rüstungsexportgesetz.“ Wie alle in der „Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel“  versammelten Gruppen sagen sie: „In Zukunft muss es heißen: „Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter werden grundsätzlich nicht exportiert“!

Sieger verlieren
Die fast 40 Radler/innen machen schon was her, wenn sie mit fahnengeschmückten Rädern in einer langen Kolonne über die Radwege und Landstraßen des sommerlichen bayerischen Alpenvorlandes strampeln.

Anti-Kriegs-PerformanceAuf den Marktplätzen wird Station gemacht. Die „Anti-Krieg-Performance“ erregt Aufmerksamkeit.
Man ist gut eingespielt: Drei Leichen, drei bewaffnete Soldaten, drei Personen, die „nix hören - nix sagen - nix sehen“ darstellen, positionieren sich vor der Bühnenwand (eine ausrollbare, weiße Plastikplane) auf der Spielfläche und stellen sich zu einer „lebendigen Skulptur“ zusammen.

Das Stand-Bild fasziniert die vorbeieilenden Menschen und bremst sie zu Betrachtern/innen herab. Die Installation entlarvt - auf einen Blick - den Krieg in seiner ganzen Grausamkeit und politischen Funktionalisierung. Der Anti-Krieg-Song der Gruppe „PUR“ tut ein Übriges. Die Leute halten inne, hören den Text und nehmen - drei, vier Minuten - den Refrain des Liedes auf: „ Kein Krieg ist heilig, kein Krieg ist gerecht / im Teufelskreis der Waffen wird gestorben und gerächt. / Kein Krieg ist edel, kein Krieg lebt von Mut / er ist unvorstellbar grausam und auch für die sogenannten Sieger nur zum Verlieren gut.“ 

Zahlreiche Betriebe
Das provoziert Aufmerksamkeit. Sie wird genutzt mit dem Ziel „den Tätern ein Gesicht und Namen“  zu geben. Wo überall werden in Deutschland Waffen produziert? Welche Unternehmen sind dabei, wem gehören sie, wer profitiert wie vom Geschäft mit den Waffen?
Deshalb rollen sie an den Werkstoren ihre Transparente („Abrüstung statt Sozialabbau“) aus und halten Mahnwachen: Bei Krauss-Maffei-Wegmann in München-Allach, wo man den Leopard-Panzer zusammenbaut. Bei der MDBA (ein EADS-Betrieb) im Hagenauer Forst bei Schrobenhausen, weltweit führender Hersteller von Lenkflugkörpern. In Lindenberg im Allgäu ist Liebherr-Aerospace (nahe verwandt mit dem Nenzinger Kranbauer) mit Komponenten für Kampfhubschrauber dabei. In Lindau (Liebherr-Electronics), Langenargen (AC&S), Friedrichhafen (MTU-Tognum und ZF), Immenstaad (EADS), Überlingen (Diehl Defence) und Konstanz (ATM Computer).
Fast immer war die Polizei auch da (stets freundlich, wissend, souverän) und die immer finster gekleideten und so dreinschauenden „Securities“ (bedrohlich, unsicher). Entscheidend aber war die Unterstützung der Frauen und Männer der lokalen/regionalen Aktivistengruppen. Mit der Zeit nannten wir sie „local heroes“ - hoch politisiert und Atheisten die einen, andere von ihrem religiösen Glauben motiviert.

Gespräch
Laut EMNID-Umfrage (aus 2010) sind 78% der Deutschen gegen Waffenexporte. Das ist keine  Randgruppe mehr, sondern klingt nach Mitte der Gesellschaft. Tatsächlich finden die Radler/innen (vorsichtiges) Interesse, ein bisschen Willkommen („Joo mei, gibt‘s eich aa noo?“), aber kaum Gegnerschaft. Klar wird diskutiert, hie und da auch heiß, aber alles im Rahmen. Auch wenn Leute zu erkennen geben, dass sie von Rüstungsproduktion und Militär abhängig sind. Abrüstung und Rüstungskonversion bekommen Gesicht ... und  Sorgenfalten. Aber: Die Bereitschaft zum Gespräch überwiegt.

Fazit
Das war eine gute Erfahrung. Und bleiben wird auch das: (a) die Sympathie mit sehr netten und für phänomenal engagierte „Lieblingsnachbarn“; (b) die Beunruhigung, dass man den Bodensee - auch vom österreichischen Ufer aus - als „kriegerische Idylle“ sehen muss; (c) die Einsicht, dass es gut ist, an der Europaregion Bodensee als „rüstungsfreier Zone“  zu arbeiten; und (d) die Gewissheit, dass sich Schwerter im „Feuer“ eines guten Miteinander leichter zu Pflugscharen schmieden lassen, aber auch, dass sich das Strampeln für ein ziviles Europa, Abrüstung und Frieden sicher nicht so schnell erübrigen wird! In diesem Sinne: Bis zum nächsten Jahr!

Mehr Informationen unter www.aufschrei-waffenhandel.de
www.waffenvombodensee.com/okumenische-erklarung

Termin:

Aktion Aufschrei: Stoppt den Waffenhandel.
Fr 31. August, 13 - 15 Uhr, Demonstration vor der Firma „MTU“ in Friedrichshafen.