Den Sinn nicht auf das Irdische, sondern auf das Himmlische zu richten. Dazu ermutigt die Bibel – und sie zeigt die Kurzsichtigkeit der Habgier auf.

18. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr C, 31. Juli 2016
Wort zum Sonntag von Dr. Silvia Habringer-Hagleitner

1. Lesung
Kohelet  1, 2; 2, 21–23

Windhauch, Windhauch, sagte Kohelet, Windhauch, Windhauch, das alles ist Windhauch. [...] Denn es kommt vor, dass ein Mensch, dessen Besitz durch Wissen, Können und Erfolg erworben wurde, ihn einem andern, der sich nicht dafür angestrengt hat, als dessen Anteil überlassen muss. Auch das ist Windhauch und etwas Schlimmes, das häufig vorkommt. Was erhält der Mensch dann durch seinen ganzen Besitz und durch das Gespinst seines Geistes, für die er sich unter der Sonne anstrengt? Alle Tage besteht sein Geschäft nur aus Sorge und Ärger, und selbst in der Nacht kommt sein Geist nicht zur Ruhe. Auch das ist Windhauch.

2. Lesung
Kolosser  3, 1–5. 9–11

Ihr seid mit Christus auferweckt; darum strebt nach dem, was im Himmel ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt. Richtet euren Sinn auf das Himmlische und nicht auf das Irdische! Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott. Wenn Christus, unser Leben, offenbar wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbar werden in Herrlichkeit. Darum tötet, was irdisch an euch ist: die Unzucht, die Schamlosigkeit, die Leidenschaft, die bösen Begierden und die Habsucht, die ein Götzendienst ist. [...]  Belügt einander nicht; denn ihr habt den alten Menschen mit seinen Taten abgelegt und seid zu einem neuen Menschen geworden, der nach dem Bild seines Schöpfers erneuert wird, um ihn zu erkennen. Wo das geschieht, gibt es nicht mehr Griechen oder Juden, Beschnittene oder Unbeschnittene, Fremde, Skythen, Sklaven oder Freie, sondern Christus ist alles und in allen.

Evangelium
Lukas  12, 13–21

Einer aus der Volksmenge bat Jesus: Meister, sag meinem Bruder, er soll das Erbe mit mir teilen. Er erwiderte ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Schlichter bei euch gemacht? Dann sagte er zu den Leuten: Gebt Acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier. Denn der Sinn des Lebens besteht nicht darin, dass ein Mensch aufgrund seines großen Vermögens im Überfluss lebt. Und er erzählte ihnen folgendes Beispiel: Auf den Feldern eines reichen Mannes stand eine gute Ernte. Da überlegte er hin und her: Was soll ich tun? Ich weiß nicht, wo ich meine Ernte unterbringen soll. Schließlich sagte er: So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen. Dann kann ich zu mir selber sagen: Nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink, und freu dich des Lebens! Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann all das gehören, was du angehäuft hast? So geht es jedem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber vor Gott nicht reich ist.

WORT ZUM SONNTAG

Wort z.Sonntag Juli 2016Dr. Silvia Habringer-Hagleitner
ist Professorin für Religionspädagogik
und leitet das Institut Ausbildung für Religionslehrer/innen
an der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz.
Die Autorin erreichen Sie unter


Liebes-reich
Was nicht Windhauch ist – das wussten vielleicht die Isländer, als ihre „Mannschaft der Herzen“ im Viertelfinale der heurigen Fußball-Europameisterschaft mit 5:2 verloren hat: Sie feierten die Niederlage mit Samba-Tänzen und ihren berühmten „Hu“-Rufen. Warum? Weil sie wissen, was ihnen bleibt: ihr Zusammenhalt und ihre Freude an Spielen und Festen.
Was Windhauch, also flüchtig und unbedeutend, ohne Gewicht  ist – das scheint für Kohelet und Jesus klar: Sämtliche Alltagssorgen um Besitz, Erfolg und Können. Ärger, der nachts nicht schlafen lässt, die Gier, immer mehr haben zu müssen oder der Kampf um das Absichern des Erreichten – das ist Windhauch. Nicht wirklich wichtig also und viel zu anfällig für das Vergehen.
Was aber ist nicht Windhauch? In Lukas 12, 21 wird es angedeutet: der Reichtum vor Gott ist nicht Windhauch. Aber was soll das heißen? Wie werde ich reich vor Gott? Vom jüdisch-christlichen Gott wird erzählt, dass er in sich Beziehung, voll der Liebe ist. Er ist ein Gott, der als Liebhaber des Lebens, als Liebhaber der Menschen und ihrer Lebendigkeit beschrieben wird. Reich vor Gott ist daher, wer sich in dieser göttlichen Liebe spiegelt: wer ­selbst die Menschen um sich herum liebt. Reich vor Gott ist, wer reich ist an Freunden, an Beziehungen, an gegenseitiger Zuwendung. Reich vor Gott sind nicht jene, die keine Probleme haben. Reich vor Gott sind jene, die Menschen haben, welche ihnen bei Problemen und Nöten zur Seite stehen und die selbst wiederum anderen weiterhelfen. Reich vor Gott sein, das heißt, ein Leben in Fülle haben: ein Leben, das nichts auslässt: vom Geboren-Werden bis zum Sterben, Licht und Schatten, Höhen und Tiefen. Alles aber eingebettet in die Hoffnung, dass Liebe und Leben siegen werden. Hoffen und vertrauen können, dass es letztendlich gut ausgeht mit Welt und Menschen und den Mut haben, mitzubauen an diesem „Liebes-Reich Gottes“  – das ist nicht Windhauch.

Spurensuche
In welchen Situationen fühlen Sie sich innerlich reich beschenkt? Was in Ihrem Leben ist nicht Windhauch, sondern wirklich, wirklich wichtig für Sie?

Du lässt die Menschen zurückkehren zum Staub
und sprichst: „Kommt wieder, ihr Menschen!“
Denn tausend Jahre sind für dich wie der Tag, der gestern vergangen ist,
wie eine Wache in der Nacht.
Von Jahr zu Jahr säst du die Menschen aus;
sie gleichen dem sprossenden Gras.
Am Morgen grünt es und blüht, am Abend wird es geschnitten und welkt.
Unsre Tage zu zählen, lehre uns! Dann gewinnen wir ein weises Herz.

Aus dem Antwortpsalm 90

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(aus dem KirchenBlatt Nr. 30-31 vom 28. Juli/ 4. August 2016)