3. Adventsonntag - Lesejahr A, 15. Dezember 2013. Wort zum Sonntag von Sr. Emmanuela Reichl.

„Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“ Für Johannes gab es eine Zeit großer Gewissheit:  Jesus ist der Messias. Als er aber im Gefängnis sitzt und hört, was Jesus tatsächlich verkündet und tut, wird er ihm fragwürdig: Ist er wirklich der Gottgesandte, um die Spreu vom Weizen zu trennen? Er, der Gefangene, gerät ins Zweifeln und ins „Gefängnis“ seiner Gottesvorstellung. Kein ,Ja, ich bin es‘ ist die Antwort, sondern: Höre und schau, was geschieht. „Blinde sehen wieder, und Lahme gehen; Aussätzige werden rein, und Taube hören; Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet.“ 

Evangelium
Matthäus  11,2–11

Johannes hörte im Gefängnis von den Taten Christi. Da schickte er seine Jünger zu ihm und ließ ihn fragen: Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten? Jesus antwortete ihnen: Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und was ihr seht: Blinde sehen wieder, und Lahme gehen; Aussätzige werden rein, und Taube hören; Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt.

Als sie gegangen waren, begann Jesus zu der Menge über Johannes zu reden; er sagte: Was habt ihr denn sehen wollen, als ihr in die Wüste hinausgegangen seid? Ein Schilfrohr, das im Wind schwankt? Oder was habt ihr sehen wollen? Einen Mann in feiner Kleidung? Leute, die fein gekleidet sind, findet man in den Palästen der Könige. Oder wozu seid ihr hinausgegangen? Um einen Propheten zu sehen? Ja, ich sage euch: Ihr habt mehr gesehen als einen Propheten. Er ist der, von dem es in der Schrift heißt: Ich sende meinen Boten vor dir her, er soll den Weg für dich bahnen. Amen, das sage ich euch: Unter allen Menschen hat es keinen größeren gegeben als Johannes den Täufer; doch der kleinste im Himmelreich ist größer als er.

1. Lesung
Jesaja  35,1–6a. 10

Die Wüste und das trockene Land sollen sich freuen, die Steppe soll jubeln und blühen. Sie soll prächtig blühen wie eine Lilie, jubeln soll sie, jubeln und jauchzen. Die Herrlichkeit des Libanon wird ihr geschenkt, die Pracht des Karmel und der Ebene Sharon. Man wird die Herrlichkeit des Herrn sehen, die Pracht unseres Gottes. Macht die erschlafften Hände wieder stark und die wankenden Knie wieder fest!
Sagt den Verzagten: Habt Mut, fürchtet euch nicht! Seht, hier ist euer Gott! Die Rache Gottes wird kommen und seine Vergeltung; er selbst wird kommen und euch erretten. Dann werden die Augen der Blinden geöffnet, auch die Ohren der Tauben sind wieder offen. Dann springt der Lahme wie ein Hirsch, die Zunge des Stummen jauchzt auf. [...] Die vom Herrn Befreiten kehren zurück und kommen voll Jubel nach Zion. Ewige Freude ruht auf ihren Häuptern. Wonne und Freude stellen sich ein, Kummer und Seufzen entfliehen.

2. Lesung
Jakobus  5,7–10

Darum, Brüder, haltet geduldig aus bis zur Ankunft des Herrn! Auch der Bauer wartet geduldig auf die kostbare Frucht der Erde, er wartet geduldig, bis im Herbst und im Frühjahr der Regen fällt. Ebenso geduldig sollt auch ihr sein. Macht euer Herz stark, denn die Ankunft des Herrn steht nahe bevor. Klagt nicht übereinander, Brüder, damit ihr nicht gerichtet werdet. Seht, der Richter steht schon vor der Tür. Brüder, im Leiden und in der Geduld nehmt euch die Propheten zum Vorbild, die im Namen des Herrn gesprochen haben. 

Wort zum Sonntag

Sr. Emmanuela ReichlSr. Emmanuela Reichl
geistliche Leitung, dipl. Beraterin in
Logotherapie nach Viktor Frankl
und Meditationsleiterin im
Kneipp Traditionshaus der Marienschwestern
vom Karmel in Aspach.

Die Autorin erreichen Sie unter sonntag@kirchenzeitung.at

Gottesrätsel. Bist du es?

Ganz anders als erwartet! So läuft das Leben oft.
Ganz anders als erwartet erleben wir immer wieder Gott, und manchmal wird Gott uns ein Rätsel. Da halte ich als treuer Christ mein Leben lang die Gemeinschaft mit Jesus fest, suche nach größerer Nähe zu Gott und tue anderen Gutes, so gut ich kann. Dann trifft gerade mich immer wieder Unglück und Leid. Wie geht es mir da? Da kommt schnell die Frage auf: Ist Gott der Gerechte und Barmherzige?

Ähnlich erging es Johannes dem Täufer: „Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“ Für ihn gab es eine Zeit der großen Gewissheit: Er erkannte Jesus als den Messias Gottes. „Der ist es!“ Als er aber im Gefängnis sitzt und hört, was Jesus tatsächlich verkündet und tut, wird er ihm fragwürdig:
Ist er wirklich der, den Gott gesandt hat mit Feuer und Heiligem Geist zu taufen? Ist er der, mit dem das Gericht Gottes anbricht? Der bei den Menschen die Spreu vom Weizen trennt? So hatte er ihn angekündigt.

Jesus aber zeigt sich ganz anders: Es fehlt in seiner Botschaft das Gericht Gottes, das Zorngericht. Er ruft zwar wie Johannes zu Umkehr und Buße. Aber er ist zu den Sündern barmherzig und gütig. Dass Jesus so anders war, schockiert Johannes. So gerät er, der Gefangene, ins Zweifeln und zugleich in ein „Gefängnis seiner Ideen“, seiner Gottesvorstellung. Jesus sagt nicht: Ja, ich bin es. Er sagt: „ Selig, wer an mir keinen Anstoß nimmt!“ Johannes soll sehen und hören, was sich ereignet. „Blinde sehen, Lahme gehen …“ Die Antwort Jesu auf die Anfrage des Johannes ist für immer bedeutsam. Jesus sagt Johannes und uns: Schau nicht auf deine Vorstellungen und Erwartungen, nicht sie sollen dein Handeln prägen. Schau auf die Zeichen für Gottes Wirken!

Zum Weiterdenken
Schaue ich auf die Spuren der Kraft, die von Jesus ausgehen? Diese Kraft erleben jedenfalls die, die nicht Anstoß nehmen an ihm. Für sie „blüht immer wieder die Wüste“ (Jes 35,1) ihres Lebens auf und „Kummer und Seufzen entfliehen“ (Jes 35,10).