7. Sonntag der Osterzeit - Lesejahr C, 12. Mai 2013. Wort zum Sonntag von Sigrid Strauss.

Eine Vision zeichnet ein Bild einer wünschenswerten und möglichen Zukunft. Tagtäglich ist sie in Kontakt mit der Wirklichkeit, muss sich an ihr abarbeiten, muss gegebenenfalls korrigiert werden, manchmal scheitert man an ihr. Was tun, wenn Zweifel an der Sache oder am Sinn der Vision übermächtig werden? Und – am schwersten: Wie bei all dem offen bleiben für die Vision, die Gott von mir hat?

1. Lesung
Apostelgeschichte  7, 55–60

Er (Stephanus) aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen und rief: Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen. Da erhoben sie ein lautes Geschrei, hielten sich die Ohren zu, stürmten gemeinsam auf ihn los, trieben ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn.
Die Zeugen legten ihre Kleider zu Füßen eines jungen Mannes nieder, der Saulus hieß. So steinigten sie Stephanus; er aber betete und rief: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf! Dann sank er in die Knie und schrie laut: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an! Nach diesen Worten starb er.

2. Lesung
Offenbarung  22, 12–14. 16–17. 20

Siehe, ich komme bald, und mit mir bringe ich den Lohn, und ich werde jedem geben, was seinem Werk entspricht. Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende. Selig, wer sein Gewand wäscht: Er hat Anteil am Baum des Lebens, und er wird durch die Tore in die Stadt eintreten können. [...] Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt als Zeugen für das, was die Gemeinden betrifft. Ich bin die Wurzel und der Stamm Davids, der strahlende Morgenstern. Der Geist und die Braut aber sagen: Komm! Wer hört, der rufe: Komm! Wer durstig ist, der komme. Wer will, empfange umsonst das Wasser des Lebens. [...] Er, der dies bezeugt, spricht: Ja, ich komme bald. – Amen. Komm, Herr Jesus!

Evangelium
Johannes  17, 20–26

Aber ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast; denn sie sollen eins sein, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich. Vater, ich will, dass alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin. Sie sollen meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast, weil du mich schon geliebt hast vor der Erschaffung der Welt.

Gerechter Vater, die Welt hat dich nicht erkannt, ich aber habe dich erkannt, und sie haben erkannt, dass du mich gesandt hast. Ich habe ihnen deinen Namen bekannt gemacht und werde ihn bekannt machen, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und damit ich in ihnen bin. 

WORT ZUM SONNTAG

Sigrid StraussSigrid Strauss
leitet die Ausbildung und Berufsvorbereitung
für Theologiestudierende der Diözese Innsbruck.
Die Autorin erreichen Sie unter sonntag@kirchenzeitung.at

Gottes Vision von mir und anderen sehen

Gotteslästerung. Gegen diesen Vorwurf verteidigt sich Stephanus in einer leidenschaftlichen Rede vor dem Hohen Rat. Sie gipfelt in einer Vision: „Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.“ (Apg 7, 56) Sein überzeugendes Eintreten für den jungen christlichen Glauben, sogar durch den Märtyrertod, ist geleitet von dieser Vision des offenen Himmels und der Gemeinschaft mit Gott und Jesus.

Visionen spielen eine Rolle, wenn sich Theologiestudent/innen für Berufe in Seelsorge und Schule vorbereiten: Davon, wie sie ihre Begabungen und Interessen in Zukunft umsetzen wollen; Wie sie mögliche Berufsfelder gestalten werden; Wie sie sich in der Institution Kirche positionieren wollen … . Visionen können Orientierungshilfe im Dickicht der Anforderungen und Ungewissheiten ihrer Ausbildungszeit sein.

Nach Stephanus’ Tod legte man seine „Kleider zu Füßen eines jungen Mannes nieder, der Saulus hieß.“ (Apg 7, 58). Auch der Soldat Saulus hatte eine Vision, nämlich den jüdischen Glauben von christlichen Sektierern zu befreien. Er war beteiligt an der Verurteilung des Stephanus. Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht, dass auch Gott eine Vision von ihm hatte, die Vision des Saulus als Paulus, dem Verkünder des Evangeliums Jesu Christi.

Eine Vision zeichnet ein Bild einer wünschenswerten und möglichen Zukunft. Sie ist tagtäglich in Kontakt mit der Wirklichkeit, muss sich an ihr abarbeiten, muss gegebenenfalls korrigiert werden, manchmal scheitert man an ihr. So erleben es auch Theologiestudierende. Hält ihr Bild von einer Zukunft, die Glaube und Beruf verbindet, der Wirklichkeit stand? Was tun, wenn Zweifel an der Sache oder am Sinn der Vision übermächtig werden? Und – am schwersten: Wie können sie bei all dem offen bleiben für die Vision, die Gott von ihnen hat?

Zum Weiterdenken

Wie kommen Sie auf die Spur der Vision Gottes von Ihnen? Ist es Ihnen möglich, von einer Vision Gottes auch für jene Menschen auszugehen, mit denen sie schlecht zurechtkommen? 

(aus dem KirchenBlatt Nr. 19 vom 9. Mai 2013)