7. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A, 23. Februar 2014. Wort zum Sonntag von Stephan Renner, Diözese Eisenstadt.

„... deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch ...“ – diesen Satz lässt Matthäus Jesus in seinem Evangelium sagen. Die Aufforderung zum Feinde-Hassen kommt nur weder in der jüdischen Bibel noch in der rabbinischen Tradition vor. Ganz im Gegenteil steht das entstehende Christentum hier nicht im „guten“ Gegensatz zum Judentum, sondern in dessen bester Tradition. Jesus wollte eben Gesetz und Propheten nicht aufheben, sondern ihre wahre Bedeutung zeigen. Auch sie fordern nämlich nicht nur Gerechtigkeit, sondern auch Liebe.

1. Lesung
Levitikus  19,1–2.17–18

Der Herr sprach zu Mose: Rede zur ganzen Gemeinde der Israeliten, und sag zu ihnen: Seid heilig, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig. [...] Du sollst in deinem Herzen keinen Hass gegen deinen Bruder tragen. Weise deinen Stammesgenossen zurecht, so wirst du seinetwegen keine Schuld auf dich laden. An den Kindern deines Volkes sollst du dich nicht rächen und ihnen nichts nachtragen. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Ich bin der Herr.

2. Lesung
1 Korinther  3,16–23

Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wer den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben. Denn Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr. Keiner täusche sich selbst. Wenn einer unter euch meint, er sei weise in dieser Welt, dann werde er töricht, um weise zu werden. Denn die Weisheit dieser Welt ist Torheit vor Gott. In der Schrift steht nämlich: Er fängt die Weisen in ihrer eigenen List. Und an einer anderen Stelle: Der Herr kennt die Gedanken der Weisen; er weiß, sie sind nichtig. Daher soll sich niemand eines Menschen rühmen. Denn alles gehört euch; Paulus, Apollos, Kephas, Welt, Leben, Tod, Gegenwart und Zukunft: alles gehört euch; ihr aber gehört Christus, und Christus gehört Gott.

Evangelium
Matthäus  5,38–48

Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin. Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel. Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm. Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab.

Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden? Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist. 

WORT ZUM SONNTAG

Stephan RennerStephan Renner
Präsident der Katholischen Aktion
der Diözese Eisenstadt.
Den Autor erreichen Sie unter
sonntag@kirchenzeitung.at

Bereit, Konflikte zu lösen

Spricht heute jemand den Satz „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ aus, so klingt meistens das „wie du mir, so ich dir“ mit. Dabei geht es um Vergeltung nach einem Verbrechen oder nach einer Verletzung. Die Talionsformel des Alten Testaments (vgl. Ex 21,22–25) zielt, kurz zusammengefasst, auf eine angemessene Strafe. Rache und Vergeltung könnten eine Folge von neuer Rache und Vergeltung auslösen. Letztlich kann eine nicht aufhaltbare Lawine entstehen, die jedes menschenwürdige Leben zerstört.
„Seid vollkommen, wie euer himmlische Vater vollkommen ist“ – damit meint Jesus sicher nicht jene überhebliche Haltung, die die Schlange den Menschen im Paradies prophezeit: „... und ihr sein werdet wie Götter, die Gutes und Böses erkennen“ (Gen 3,5). Jesus geht es um Wahrhaftigkeit und um Beziehung, um eine gelebte Gottesbeziehung. Oft genug sehen wir nur das, was andere uns antun, nicht aber das, was wir anderen antun, wie wir schon über andere gedacht und gesprochen haben.

Dort, wo wir verwundet sind, wo wir gebrochen sind, dort müssen wir aufbrechen für Gott. Durch meine Wunden komme ich in Berührung mit meinem Herzen, werde ich lebendig, entdecke ich den Schatz meines wahren Seins, meine Gottesbeziehung. Unterschätzen wir niemals die Macht unseres Handelns. Durch eine kleine Geste können wir das Leben eines Menschen ändern, zum Guten oder zum Bösen. Gott setzt uns alle ins Leben der anderen, um uns gegenseitig zu beeinflussen, auf jede Art und Weise. „Seid vollkommen wie euer himmlischer Vater“, sagt Jesus.

Wir sollen Kinder Gottes sein und uns und unsere Mitmenschen an ihm und seiner vollkommenen Liebe und seinen Lebensweisungen ausrichten. Damit andere sich nicht verurteilt und zugrunde gerichtet fühlen, sondern vielmehr angeregt und aufgefordert werden, sich selbst gleichfalls an Gott und auf Gott hin auszurichten.

Zum Weiterdenken
„Wie Gott mir, so ich dir.“ Wenn ich Menschen begegne, die mich gekränkt haben – ist mein Verhalten ihnen gegenüber daran ausgerichtet?