2. Sonntag nach Weihnachten – Lesejahr A, 5. Jänner 2014. Wort zum Sonntag von P. Dr. Bruno Niederbacher SJ

Sie macht nicht blind, sie macht sehend. Auch im Glauben. Denn Liebe treibt an, mehr zu suchen, mehr zu hören, länger bei Gott in stillem Gebet zu verweilen. Und so werden Erfahrungen möglich, die einem sonst vielleicht verschlossen geblieben wären. Wer liebt, sieht besser. Von Antoine de Saint-Exupéry stammt das geflügelte Wort: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“ Und von den „Augen des Herzens“ spricht Paulus im Epheserbrief, dass Gott sie erleuchte, um zu verstehen. 

1. Lesung
Jesus Sirach  24,1–2. 8–12

Die Weisheit lobt sich selbst, sie rühmt sich bei ihrem Volk. Sie öffnet ihren Mund in der Versammlung Gottes und rühmt sich vor seinen Scharen. [...] Da gab der Schöpfer des Alls mir Befehl; er, der mich schuf, wusste für mein Zelt eine Ruhestätte. Er sprach: In Jakob sollst du wohnen, in Israel sollst du deinen Erbbesitz haben. Vor der Zeit, am Anfang hat er mich erschaffen, und bis in Ewigkeit vergehe ich nicht. Ich tat vor ihm Dienst im heiligen Zelt und wurde dann auf dem Zion eingesetzt. In der Stadt, die er ebenso liebt wie mich, fand ich Ruhe, Jerusalem wurde mein Machtbereich. Ich fasste Wurzel bei einem ruhmreichen Volk, im Eigentum des Herrn, in seinem Erbbesitz. 

2. Lesung
Epheser  1,3–6. 15–18

Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel. Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott; er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen, zum Lob seiner herrlichen Gnade. Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn; [...] Darum höre ich nicht auf, für euch zu danken, wenn ich in meinen Gebeten an euch denke; denn ich habe von eurem Glauben an Jesus, den Herrn, und von eurer Liebe zu allen Heiligen gehört. Der Gott Jesu Christi, unseres Herrn, der Vater der Herrlichkeit, gebe euch den Geist der Weisheit und Offenbarung, damit ihr ihn erkennt. Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr durch ihn berufen seid, welchen Reichtum die Herrlichkeit seines Erbes den Heiligen schenkt.

Evangelium
Johannes  1,1–18

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.
Es trat ein Mensch auf, der von Gott gesandt war; sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht. Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit. Johannes legte Zeugnis für ihn ab und rief: Dieser war es, über den ich gesagt habe: Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er vor mir war. Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade. Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus. Niemand hat Gott je gesehen. Der einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.

 

Wort zum Sonntag

Bruno Niederbacher

P. Dr. Bruno Niederbacher SJ
ist Jesuit und Philosoph
an der Universität Innsbruck.
Den Autor erreichen Sie unter
sonntag@kirchenzeitung.at


Das Herz „sieht“ besser

„Liebe macht blind“, heißt ein Spruch. Und tatsächlich: Sind wir in etwas oder jemanden vernarrt, neigen wir manchmal dazu, Schattenseiten auszublenden. Dennoch akzeptiere ich den Spruch nicht ohne Weiteres. Ich würde sogar sagen: „Liebe macht sehend“. Wer liebt, sieht besser. Paulus spricht von den „Augen des Herzens“, und von Antoine de Saint-Exupéry stammt das geflügelte Wort: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“
Warum sieht man mit dem Herzen besser?Ich merke es bei mir selber: Was mir am Herzen liegt, interessiert mich. Ich will es besser erkennen, es beschäftigt mich, meine Gedanken kreisen darum, ich kann nicht davon lassen. Und so komme ich auf Dinge drauf, die mir sonst wohl verschlossen geblieben wären. Das gilt auch für den Glauben an Gott.

Mit Liebe wird mein Glaube besser, als er ohne sie ist. Denn sie treibt mich an, mehr zu suchen, mehr zu hören, länger bei Gott in stillem Gebet zu verweilen. Und so mache ich Erfahrungen, die mir sonst vielleicht verschlossen geblieben wären. Auch im Mittelalter wusste man dies, wenn man vom Glauben sprach, der durch die Liebe geformt ist. Unser Ordensgründer, Ignatius von Loyola, gebraucht einmal das Bild vom Geschmack. Er meint, wir können die göttlichen Dinge innerlich schmecken. Denken wir zunächst an unser übliches Schmecken von Speisen, zum Beispiel von Honig. Wir nehmen ihn in den Mund, sind in unmittelbarem Kontakt mit ihm, wir schmecken seine Süße. So lernen und erkennen wir etwas, das wir sonst nicht hätten lernen können. Alle Lektüre über Honig hätte uns nicht das vermitteln können, was wir lernen, wenn wir Honig selber schmecken. Und ähnlich ist es, mit Gott in Gebetskontakt zu sein. Wir erfahren dabei Dinge, die uns durch Lektüre allein nicht zugänglich gewesen wäre. Schmecken oder Sehen mit dem Herzen: zwei Bilder für eine besondere Zugangsweise zu Gott.

Zum Weiterdenken

Ich starte in den Tag im Bewusstsein, dass Gott mich mit allem Segen seines Geistes segnet und die Augen meines Herzens erleuchtet.

 

 Gedanken

 Jerusalem, preise den Herrn,
lobsinge, Zion, deinem Gott!
Denn er hat die Riegel deiner Tore fest gemacht,
die Kinder in deiner Mitte gesegnet;
er verschafft deinen Grenzen Frieden
und sättigt dich mit bestem Weizen.
Er sendet sein Wort zur Erde,
rasch eilt sein Befehl dahin.
Er verkündet Jakob sein Wort,
Israel seine Gesetze und Rechte.
An keinem andern Volk hat er so gehandelt,
keinem sonst seine Rechte verkündet. Halleluja!
(Antwortpsalm, aus Psalm 147
)

Aus dem KirchenBlatt Nr. 1 vom 2. Jänner 2014