31. Sonntag im Jahreskreis, 30. Oktober 2011. Wort zum Sonntag von Dietmar Stipsits.

Wie gehen Menschen mit Macht um? Und wie gehen sie mit Untergebenen um? Fühlen sich Menschen, die Macht ausüben, auch als Hörende oder verstehen sie sich bloß als Befehlende? Maleachi ruft die Mächtigen zur Selbstkritik auf. Immer wieder müssen sie sich die Frage stellen, ob ihr Amt tatsächlich noch ein Dienst für die Menschen und die Schöpfung ist.

Evangelium
Matthäus 23, 1–12

Darauf wandte sich Jesus an das Volk und an seine Jünger und sprach:
Die Schriftgelehrten und die Pharisäer haben sich auf den Stuhl des Mose gesetzt. Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen,  aber richtet euch nicht nach dem, was sie tun; denn sie reden nur, tun selbst aber nicht, was sie sagen. Sie schnüren schwere Lasten zusammen und legen sie den Menschen auf die Schultern, wollen selber aber keinen Finger rühren, um die Lasten zu tragen. Alles, was sie tun, tun sie nur, damit die Menschen es sehen: Sie machen ihre Gebetsriemen breit und die Quasten an ihren Gewändern lang, bei jedem Festmahl möchten sie den Ehrenplatz und in der Synagoge die vordersten Sitze haben, und auf den Straßen und Plätzen lassen sie sich gern grüßen und von den Leuten Rabbi (Meister) nennen. Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen, denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder. Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel. Auch sollt ihr euch nicht Lehrer nennen lassen; denn nur einer ist euer Lehrer, Christus. Der Größere von euch soll euer Diener sein. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.

1. Lesung
Maleachi 1, 14b – 2, 2b. 8–10

Denn ein großer König bin ich, spricht der Herr der Heere, und mein Name ist bei den Völkern gefürchtet. Jetzt ergeht über euch dieser Beschluss, ihr Priester: Wenn ihr nicht hört und nicht von Herzen darauf bedacht seid, meinen Namen in Ehren zu halten – spricht der Herr der Heere –, dann schleudere ich meinen Fluch gegen euch und verfluche den Segen, der auf euch ruht. [. . .] Ihr aber, ihr seid abgewichen vom Weg und habt viele zu Fall gebracht durch eure Belehrung; ihr habt den Bund Levis zunichte gemacht, spricht der Herr der Heere. Darum mache ich euch verächtlich und erniedrige euch vor dem ganzen Volk, weil ihr euch nicht an meine Wege haltet und auf die Person seht bei der Belehrung. Haben wir nicht alle denselben Vater? Hat nicht der eine Gott uns alle erschaffen? Warum handeln wir dann treulos, ein Mensch gegen den anderen, und entweihen den Bund unserer Väter?

2. Lesung
1 Thessalonicher 2, 7b–9. 13

[. . .] wir sind euch freundlich begegnet: Wie eine Mutter für ihre Kinder sorgt, so waren wir euch  zugetan und wollten euch nicht nur am Evangelium Gottes teilhaben lassen, sondern auch an unserem eigenen Leben, denn ihr wart uns sehr lieb geworden. Ihr erinnert euch, Brüder, wie wir uns gemüht und geplagt haben. Bei Tag und Nacht haben wir gearbeitet, um keinem von euch zur Last zu fallen, und haben euch so das Evangelium Gottes verkündet. [. . .]
Darum danken wir Gott unablässig dafür, dass ihr das Wort Gottes, das ihr durch unsere Verkündigung empfangen habt, nicht als Menschenwort, sondern – was es in Wahrheit ist – als Gottes Wort angenommen habt; und jetzt ist es in euch, den Gläubigen, wirksam.

Wort zum Sonntag

 

StipsitsDietmar Stipsits
ist Pfarrer in Bad Tatzmannsdorf (seit Sept. 2003),  seit Sept. 2011 auch Pfarrer in Bernstein und Mariasdorf (insgesamt 3 Pfarren und 16 Filialgemeinden).
Den Autor erreichen Sie unter 
sonntag@kirchenzeitung.at

An die Mächtigen von Gesellschaft und Kirche

Was hat 1647 Wörter in 3 Kapiteln und ist das letzte Buch des Ersten Testaments? Auflösung folgt! – Mit der Einweihung des neuen Tempels in Jerusalem im Jahr 515 v. Chr. war eine neue, gute Zeit verheißen worden. Doch sie stellte sich nicht ein. Das Volk war enttäuscht darüber und ergab sich in Gleichgültigkeit. Nachdem es keinen König mehr gab, waren es vor allem die Priester, die die Führungsrolle übernahmen. Wie so oft führten Macht und Autorität auch in diesem Fall zu Missbrauch des Amtes.
Genau hier setzt die Kritik des Propheten Maleachi ein, der wohl um 465 auftrat. Auch die Priester müssen auf Gott hören. Tun sie das nicht, dann wird jede religiöse Feier der Priester inhaltsleer und ihre Verkündigung bringt Gott nicht mehr zur Sprache. Maleachi geht es darum, mit ganzem Herzen kultisch und ethisch so zu leben, dass Gott darin erfahrbar und spürbar wird.

Das 1. und 2. Kapitel des Prophetenbuches Maleachi beschäftigt sich in meinen Augen mit einer Problematik, die auch heute höchst aktuell ist: Wie gehen wir Menschen mit Macht und mit Untergebenen um? Die beiden Kapitel sind eine deutliche Mahnung vor allem für weltliche und geistliche Obrigkeiten. Fühlen sich Menschen, die Macht ausüben, auch als Hörende oder verstehen sie sich bloß als Befehlende? Haben Vorgesetzte noch die Fähigkeit, das alltägliche Leben der Untergebenen mit all seinen Nöten und Schwierigkeiten wahrzunehmen? Oder wird der Graben zwischen dem Lebensalltag der Mächtigen und dem der Machtlosen immer größer?
Maleachi ruft die Mächtigen zur Selbstkritik auf. Immer wieder müssen sie sich die Frage stellen, ob ihr Amt tatsächlich noch ein Dienst für die Menschen ist und ob sie dabei auf Gott Hörende sind?

Zum Weiterdenken
Wie gehe ich selber mit Macht um?
Wie erlebe ich Machtausübung in unserer Gesellschaft? Wie erlebe ich Machtausübung in unserer Kirche?