Palmsonntag - Lesejahr B, 29. März 2015. Wort zum Sonntag von Christine Drexler.

Von unbändigem Jubel bis zu Ablehnung in ihrer extremsten Form spannen sich die Reaktionen auf Jesus in den Schriftlesungen des Palmsonntags. Damit wird auch klar, was Jesu Aufruf, ihm nachzufolgen, alles bedeuten kann: das Jubelgefühl christlicher Gemeinschaft ebenso wie scharfe Ablehnung. Für verfolgte Christen geht dies in manchen Gebieten der Erde auch heute mitunter bis zum gewaltsamen Tod. Der christliche Glaube geht aber darüber hinaus.

Evangelium zur Palmprozession
Markus  11,1–10

Als sie in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage und Betanien am Ölberg, schickte er zwei seiner Jünger voraus. Er sagte zu ihnen: Geht in das Dorf, das vor euch liegt; gleich wenn ihr hineinkommt, werdet ihr einen jungen Esel angebunden finden, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat. Bindet ihn los und bringt ihn her! Und wenn jemand zu euch sagt: Was tut ihr da?, dann antwortet: Der Herr braucht ihn; er lässt ihn bald wieder zurückbringen. Da machten sie sich auf den Weg und fanden außen an einer Tür an der Straße einen jungen Esel angebunden, und sie banden ihn los. Einige, die dabeistanden, sagten zu ihnen: Wie kommt ihr dazu, den Esel loszubinden? Sie gaben ihnen zur Antwort, was Jesus gesagt hatte, und man ließ sie gewähren. Sie brachten den jungen Esel zu Jesus, legten ihre Kleider auf das Tier, und er setzte sich darauf.
Und viele breiteten ihre Kleider auf der Straße aus; andere rissen auf den Feldern Zweige von den Büschen ab und streuten sie auf den Weg. Die Leute, die vor ihm hergingen und die ihm folgten, riefen: Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn! Gesegnet sei das Reich unseres Vaters David, das nun kommt. Hosanna in der Höhe!

Alternativ: Joh 12, 12–16

Die Passion Christi

Mit dem Palmsonntag beginnt die Karwoche. Während zur Palmprozession das oben abgedruckte Evangelium verkündet wird, steht in der anschließenden Messfeier die Passion Jesu Christi am Höhepunkt der Schriftlesungen. Dafür sind alternativ eine Langform (Mk 14,1–15,47) und eine Kurzform (Mk 15,1–39) vorgesehen. Das Evangelium nach Markus bietet die älteste vorliegende Darstellung des Leidens und Sterbens Jesu: Sie führt vom Verrat des Judas Iskáriot über das Paschamahl, die Gefangennahme am Ölberg, das Verhör vor dem Hohen Rat und über die Verhandlung vor Pilatus bis zur Kreuzigung, dem Tod Jesu und seinem Begräbnis. So ist die Karwoche in den Schriftlesungen des Palmsonntags vorgezeichnet.
Für Christen ist damit aber das letzte Wort nicht  gesprochen: Das Evangelium der Osternacht wird genau nach dem Ende der Passion vom Palmsonntag einsetzen.

1. Lesung
Jesaja  50,4–7

Gott, der Herr, gab mir die Zunge eines Jüngers, damit ich verstehe, die Müden zu stärken durch ein aufmunterndes Wort. Jeden Morgen weckt er mein Ohr, damit ich auf ihn höre wie ein Jünger. Gott, der Herr, hat mir das Ohr geöffnet. Ich aber wehrte mich nicht und wich nicht zurück. Ich hielt meinen Rücken denen hin, die mich schlugen, und denen, die mir den Bart ausrissen, meine Wangen. Mein Gesicht verbarg ich nicht vor Schmähungen und Speichel. Doch Gott, der Herr, wird mir helfen; darum werde ich nicht in Schande enden. Deshalb mache ich mein Gesicht hart wie einen Kiesel; ich weiß, dass ich nicht in Schande gerate.

2. Lesung
Philipper  2,6–11

Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: „Jesus Christus ist der Herr“ – zur Ehre Gottes, des Vaters.

WORT ZUM SONNTAG

Christine DrexlerChristine Drexler
Theologin; verheiratet, vier Kinder;
tätig im Seelsorgeamt der Diözese
Innsbruck, dort zuständig für Tourismus und Pilgern,
Lange Nacht der Kirchen, liturgische Projekte.
Die Autorin erreichen Sie unter
sonntag@koopredaktion.at

Abstieg? Mit Esel.

Eigensinnig, jung und unerfahren – mit so einem Esel lässt sich kein Staat machen; was ein richtiger Feldherr sein will, reitet auf einem kampferprobten Schlachtross einher! Selbst Don Quixote, der ‚Ritter von der traurigen Gestalt‘, besitzt ein standesgemäßes Pferd, obwohl Miguel de Cervantes offensichtlich eine Persiflage auf die Ritterzeit verfasst hat. Manche meinen sogar, es ging ihm ausdrücklich darum, dem übermäßigen Lesen von Heldengeschichten entgegenzuwirken, weil dies den Geist vernebeln, sprich: zu grobem Realitätsverlust führen kann.

Wir feiern jedes Jahr den Einzug Jesu in Jerusalem. An das völlig unpassende Reittier in dieser Szene, die einem Triumphzug gleicht, sind wir längst gewöhnt. Ist uns (noch) bewusst, dass damit – weit über Cervantes’ Anspruch hinausgehend – landläufigen Vorstellungen von Herrschaft und Befreiung eine Absage erteilt wird?

Jesus gibt einer anderen Wirklichkeit Raum: Er kommt nicht geradewegs vom Schlachtfeld. Statt zu verletzen und zu töten, um den eigenen Machtanspruch zu erhalten oder zu vergrößern, hat er Blinde, Lahme, Taube geheilt und Sünden vergeben. Er hat die Ver­suchung, Reichtum, Einfluss und Macht anzuhäufen, hinter sich gelassen und sich entschieden, wenn es sein muss, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Er, der Gott gleich war, ist Mensch ­geworden und bereit, bis zum Äußersten zu ­gehen: verspottet, gequält und zerschlagen stirbt er.

Siegreiche Helden sehen anders aus: Sie heben sich von den Massen ab, sind aus eigener Kraft dem Sklavendasein entronnen, lassen die Gefallenen hinter sich, überleben den Showdown, wissen bestens zwischen Gut und Böse zu ­unterscheiden. Jesus Christus hingegen teilt die dunkelsten Ecken des Daseins mit uns; nichts Menschliches ist ihm fremd, und einem verurteilten Verbrecher, der in seiner Gegenwart umdenkt, wird er noch am Kreuz den Weg ins Himmelreich weisen.

Zum Weiterdenken
Erkennt man uns Christ/innen daran, dass wir uns zu den an den Rand Gedrängten gesellen?

(aus dem KirchenBlatt Nr. 13 vom 26. März 2015)