Es ist wohltuende Gewissheit: Ich bin kein Produkt des Zufalls, nicht hineingeworfen in die Welt. Mag auch meine Geschichte im Dunkeln liegen, so darf ich doch vertrauen, dass am Anfang meines Lebens Gott ist. „Der Herr hat mich geschaffen“, heißt es im Buch der Sprüche. Er trägt und hält mich alle Zeit.

Dreifaltigkeitssonntag - Lesejahr C, 22. Mai 2016
Wort zum Sonntag von Sr. Barbara Flad

1. Lesung
Sprüche  8,22–31

Der Herr hat mich geschaffen im Anfang seiner Wege, vor seinen Werken in der Urzeit; in frühester Zeit wurde ich gebildet, am Anfang, beim Ursprung der Erde. Als die Urmeere noch nicht waren, wurde ich geboren, als es die Quellen noch nicht gab, die wasserreichen. Ehe die Berge eingesenkt wurden, vor den Hügeln wurde ich geboren. Noch hatte er die Erde nicht gemacht und die Fluren und alle Schollen des Festlands. Als er
den Himmel baute, war ich dabei, als er den Erdkreis abmaß über den Wassern, als er droben die Wolken befestigte und Quellen strömen ließ aus dem Urmeer, als er dem Meer seine Satzung gab und die Wasser nicht seinen Befehl übertreten durften, als er die Fundamente der Erde abmaß, da war ich als geliebtes Kind bei ihm. Ich war seine Freude Tag für Tag und spielte vor ihm allezeit. Ich spielte auf seinem Erdenrund, und meine Freude war es, bei den Menschen zu sein.

2. Lesung
Römer  5,1–5

Gerecht gemacht aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn. Durch ihn haben wir auch den Zugang zu der Gnade erhalten, in der wir stehen, und rühmen uns unserer Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes. Mehr noch, wir rühmen uns ebenso unserer Bedrängnis; denn wir wissen: Bedrängnis bewirkt Geduld, Geduld aber Bewährung, Bewährung Hoffnung. Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.

Evangelium
Johannes  16,12–15

Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird sagen, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird. Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden. Alles, was der Vater hat, ist mein; darum habe ich gesagt: Er nimmt von dem, was mein ist, und wird es euch verkünden.

WORT ZUM SONNTAG

Wort zum Sonntag Mai 2016Sr. Barbara Flad
Barmherzige Schwester des hl. Vinzenz von Paul,
Seelsorgerin im Krankenhaus St. Vinzenz in Zams.
Die Autorin erreichen Sie unter

Die Frau an Gottes Seite 

Kennen Sie Michelangelos Darstellung der ­Beseelung des ersten Menschen an der Decke der Sixtinischen Kapelle in Rom? Diese Beinahe-Berührung zwischen Gott und Adam? ­Vermutlich schon, denn unzählige Male wurde dieser Bildausschnitt in Büchern und auf Karten abgedruckt. Die Aufmerksamkeit des Betrachters liegt dabei in der Regel auf dem rechten Arm Gottes, der sich kraftvoll zu Adams ­schlaffer Hand hin ausstreckt. Was in diesem Ausschnitt meist nicht zu sehen, oder wenn, dann leicht zu übersehen ist, ist der linke Arm Gottes. In ihn hinein schmiegt sich vertrauensvoll eine junge Frau, die mit ­wachem und etwas skeptischem Blick das Geschehen be­obachtet. Es ist nicht bekannt, wen der ­Maler damit darstellen wollte. Vielleicht ist es Eva, doch dann hätte Michelan­gelo dem biblischen Schöpfungsbericht vor­gegriffen, denn nach ihm wird bekanntlich Eva nach bzw. aus Adam geschaffen. Wahrschein­licher ist, dass der Maler damit die Weisheit darstellen wollte. Von ihr berichtet die eher ­unbekannte Schöpfungserzählung im Buch der Sprichwörter (vgl. 1. Lesung):
„Ich wurde vor aller Zeit gebildet, von Anbeginn, vor den Uranfängen der Erde. (…) Ich war dabei, als er den Himmel erstellte … Als er die Grundfesten der Erde umriss, da war ich der Liebling an seiner Seite, war Tag für Tag seine Freude.“

Sophia (das griechische Wort für Weisheit) als die geliebte Gespielin Gottes: eine zärtliche Liebesbeziehung im Urbeginn der Zeiten. Ein männlicher Schöpfer, der bei all seinem Tun die weibliche Weisheit an seiner Seite hat. Eine Schöpfung, die aus der Liebe dieser beiden erwächst und von ihr beseelt wird. Was für ein schönes Bild! Und was für eine andere Denkmöglichkeit der Schöpfungsgeschichte, in deren kirchlichen Auslegungen das Weibliche doch oft eine eher unrühmliche Rolle spielte!

Zum Weiterdenken
„Ein männlicher Gott, der dem Weiblichen an seiner Seite von Herzen zugetan ist.“ (Hubert Gaisbauer) Wie geht es mir mit diesem männlich-weiblichen Gottesbild?

Wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde;
über den Himmel breitest du deine Hoheit aus.
Aus dem Mund der Kinder und Säuglinge schaffst du dir Lob,
deinen Gegnern zum Trotz;
deine Feinde und Widersacher müssen verstummen.
Seh ich den Himmel, das Werk deiner Finger,
Mond und Sterne, die du befestigt:
Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst,
des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?

Antwortpsalm, aus Psalm 8

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