In Rundbriefen hat die Wiener Entwicklungshelferin Claudia Villani über die Lage in der Lepra-Station der Ordensfrau und Ärztin Dr. Ruth Pfau in Pakistan informiert. Zuletzt hat sich die Lage in Karachi zugespitzt. Seit wenigen Tagen ist Villani wieder in Österreich, um Spenden für ihre Organisation zu sammeln. Am 22. und 23. September besucht sie auch Vorarlberg.

Dietmar Steinmair

Am 31. Juli , gerade in Karachi angekommen, schreibt Claudia Villani nach Europa, ihre Motivation halte die aktuell 40 Grad aus, ohne zu schmelzen: „Dr. Pfau meint, wer keinen Humor hat, solle eher nicht nach Pakistan kommen.“

Hilfe abgelehnt
Erschüttert zeigt sich Villani von einem Fernsehbericht, den sie noch in Wien, kurz vor ihrer Abreise, gesehen hatte. Darin gibt ein pakistanisches Regierungsmitglied offiziell bekannt: „Pakistan will keine Hilfe mehr“. Und fordert die NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen) und vor allem die UNO auf, die Hilfe für die 2010 von einer Flutkatastrophe betroffene Bevölkerung zu unterlassen. In Karachi angekommen, bestätigt sich diese Nachricht. Vermutungen werden laut, dies sei die Reaktion der Regierung darauf, dass die internationalen Spendengelder in die NGO-Kassen und nicht mehr in jene der Regierung fließen würden.

VillaniClaudia Villani ist Religionspädagogin, Psychotherapeutin und Sozialarbeiterin. Die 55-jährige Wienerin ist mit 51 Jahren an Krebs erkrankt. Nach Überwindung der Krankheit vor zweieinhalb Jahren hat sie beschlossen, in Pakistan Entwicklungshilfe zu leisten. So hat sie begonnen, ehrenamtlich im Team der deutschen Lepraärztin und Ordensfrau Ruth Pfau zu arbeiten. Seither ist Claudia Villani immer wieder ein paar Monate im Jahr im Einsatz im Marie-Adelaide-Leprazentrum in Karachi. (Bild/Villani)


Nationales Ausbildungsinstitut
Die Organisation von Dr. Ruth Pfau, die seit mehr als 50 Jahren gegen Lepra kämpft, hat den Vorteil, eine pakistanische Organisation zu sein, kann somit nicht des Landes verwiesen werden. Das „Marie-Adelaide-Leprosy-Centre“ (MALC) in Karachi ist als Klinik die Zentrale des Leprabekämpfungsprogramms. Über 840 Mitarbeiter/innen arbeiten, über das ganze Land verteilt, für MALC, eine der größten und ältesten NGOs Pakistans.

Engagement
Villani ist durch solche Regierungsaussagen nur um so mehr motiviert, erst recht dorthin zu gehen, wo sonst niemand mehr hin will: „Den wirklich Armen zu dienen, das versuchen hier wirklich alle“, schreibt sie. Und schildert den Alltag ihrer Mitarbeiter/innen: „Fateh und Veno sind gerade bei 50 Grad Hitze unterwegs, um die Flut-Rehabilitation zu betreuen. Almas fährt jeden Tag ins Afghan-Camp. In der Mutter-Kind-Arbeit geht was weiter. Salam plant eine Tuberkulose-Kampagne in Greater Karachi. Dr. Pfau sprüht voller Ideen.“

Die Flut 2010
Die Gesamtsituation in Pakistan bleibt jedoch schwierig. Die Auswirkungen der Flut vom Juli 2010 sind noch überall spürbar. Es gebe oft tagelang keinen Strom, so Villani. Das heißt, dass auch die Wasserpumpen nicht funktionieren. Die Preise sind so hoch, dass sogar Grundnahrungsmittel nicht mehr gekauft werden können, geschweige denn Obst oder Gemüse. Auch die Sicherheitslage verschärft sich: „Der öffentliche Verkehr ist durch Kriminalität bereits so gefährlich, dass fast alle Mitarbeiter/innen unseres Krankenhauses schon einen Überfall miterlebten: Jemand springt mit einer Waffe in den Bus und zwingt alle Leute, Geld, Handys und Schmuck herzugeben“, berichtet Villani.

Dankbarkeit
Pakistani jammern aber nicht, so die Entwicklungshelferin. Sie versuchen täglich zu überleben, und danken Gott für jeden Tag, an dem es ihnen möglich war, ihre Familie zu ernähren. „Ich erlebe es täglich in unserer Kapelle. So viele Dankgebete wie hier höre ich sonst nirgendwo. Wenn ich diese Dankbarkeit in Europa weiter geben könnte, wäre viel gewonnen. Pakistani glauben von uns, dass wir unter den Bedingungen, unter denen wir leben dürfen, die glücklichsten Menschen wären. Ich weiß kaum, wie ich dann darauf reagieren soll. Ich versuche zu erklären, dass unsere innere Not manchmal größer ist, als die ihre. Es bleiben aber alles hilflose Versuche etwas erklären zu wollen, was nicht erklärbar ist.“

Ein Tag in Karachi
Im August-Rundbrief beschreibt Claudia Villani einen Tag in Karachi: „Zeeba, jene Frau, die wir solange im Afghan-Camp gesucht haben, um das Ernährungsprogramm zu betreuen, wird gestern von einer Gruppe Taliban gezwungen, ihre Arbeit bei uns aufzugeben. Sie kommt weinend, um sich zu verabschieden. - Kamal, 2 Jahre (5,20 kg), stirbt auf der Fahrt vom Afghan-Camp ins MALC-Krankenhaus. Es fühlt sich an, als ob ich noch immer das sterbende Kind im Arm halte. - In Kamisagoth finden wir einen 7-jährigen Buben, mit der Statur und dem Gewicht eines Zweijährigen. Er ist schon behindert auf die Welt gekommen und wird wie ein Tier gehalten. Das Essen und Wasser wird ihm auf sein völlig verschmutztes Lager gestellt. Mehr nicht. Es riecht schauerlich. Die Situation erinnert fatal an Leprapatienten.“

Warum bleiben?
An solchen Tagen ist Claudia Villani eigentlich danach, zu flüchten und nach Europa zurückzukehren. Doch das Beispiel Ruth Pfaus motiviert sie zu bleiben: „Dr. Pfau sitzt in ihrem ganz kleinen Zimmer am Tisch und schreibt nach so einem Tag noch einen Brief an einen Patienten. Sie freut sich über den Tee, den ich ihr bringe, und lächelt mich an. Ich bin plötzlich nur mehr dankbar, an einem Ort sein zu dürfen, an dem eindeutig die Liebe stärker ist als der Tod.“ Der Gedanke tröste, dass nicht jeder Tag so schwer sei.

Die Lage spitzt sich zu
Im Laufe des Augusts wird die politische Situation in Pakistan immer schwieriger. Es kommt zu Ausschreitungen. Anfang September schreibt Villani: „Nach dieser Nacht scheint alles still zu stehen. Es fallen nur mehr vereinzelt Schüsse. Nur wenige Mitarbeiter/innen haben den Weg ins Krankenhaus geschafft. Die Straßen sind noch durch Blockaden gesperrt. Öffentlichen Verkehr gibt es im Moment nicht mehr. Wenn gestern die eine Partei einen Streik ausruft, muss heute die Gegenseite beweisen, dass sie mehr Straßen blockieren kann. Nach der ‘Gorillatheorie’: wer mehr Tote aufweisen kann, hat gewonnen. Gewalt, nichts als nackte Gewalt um uns herum.“ Dr. Pfau nimmt Kontakt mit dem deutschen, britischen und amerikanischen Botschafter auf. Vielleicht kann internationaler Druck auf die Regierung die Arbeit von MALC erleichtern.

Es können nicht „zu wenige“ sein
Anfang September kehrt Claudia Villani nach Österreich zurück. Durch Vorträge will sie wieder auf die Situation in Pakistan aufmerksam machen und Spendengelder sammeln. Bei einem früheren Aufenthalt ist sie einmal, so erzählt sie, nach einer langen Fahrt durch Niederösterreich mit „nur” sieben Frauen in einem evangelischen Pfarrheim gesessen. Diese Situation hat sie tags darauf ein wenig enttäuscht Dr. Pfau am Telefon erzählt. Ihre Antwort, nüchtern und liebevoll: „Unser Herr Jesus hat mit 12 angefangen, da werden dir doch 7 reichen!“ Aus den sieben Frauen haben sich später zwei Unterstützungsgruppen entwickelt.

Benefiz

Kirchenfrauen für Pakistan

Mit ihrem 8. Programm war das Kirchenfrauen-Kabarett im vergangenen Jahr bereits in Vorarlberg sowie in ganz Österreich auf Tournee. Nun gibt es eine Kabarett-Aufführung sowie eine Vortrags-Veranstaltung zugunsten der Arbeit von Dr. Ruth Pfau und Claudia Villani in Pakistan.

Do 22. September 2011, 20 Uhr

Kirchenfrauen-Kabarett

Pfarrsaal Dornbirn Oberdorf
Kirchenfrauen-Kabarett „Uns reicht’s - ganz einfach!“
Auf der Bühne: Eva Fitz, Elisabeth Hämmerle, Gisela Meier, Maria Schimpfössl, Annemarie Spirk
Am Klavier: Anna Hämmerle

Fr 23. September 2011, 20 Uhr
Alte Kochschule Dornbirn Oberdorf
Claudia Villani: Die vergessene Katastrophe - Pakistan
Die Ordensfrau und Ärztin Dr. Ruth Pfau bekämpft seit 50 Jahren erfolgreich die Lepra in Pakistan. Dann aber kam 2010 eine Flutkatastrophe unvorstellbaren Ausmaßes. 20 Millionen Menschen sind auf der Flucht, Ernten und Saatgut zerstört. Claudia Villani gibt den Betroffenen eine Stimme, berichtet über ihre Arbeit mit Dr. Ruth Pfau, kämpft unermüdlich gegen das Vergessen.
Die freiwilligen Spenden kommen der Arbeit von Dr. Ruth Pfau und Claudia Villani zugute.

Weitere Termine des Kirchenfrauen-Kabaretts

Fr 7. Oktober, 20 Uhr
Pfarrsaal Dornbirn Oberdorf
Benefiz-Aufführung für die Renovierung der Pfarrkirche St. Sebastian

So 9. Oktober Bezau, 20 Uhr
Bildungshaus Bezau

Alle Informationen zum Kartenvorverkauf unter: www.kirchenfrauen-kabarett.at

(Aus KirchenBlatt Nr. 37 vom 18. September 2011)