3teilige KirchenBlatt-Serie von Dr. Helga Kohler-Spiegel (Religionspädagogin und Therapeutin)

Über Gott und die Welt

Helga Kohler-SpiegelMit Kindern ins Gespräch kommen - Kinder-Fragen ernst nehmen

Serie mit Dr. Helga Kohler Spiegel
Religionspädagogin und Therapeutin

Kinder schaffen es manchmal, ganz unerwartet, Erwachsenen Religiöses zuzumuten. Ihre Fragen oder Gedanken bringen plötzlich wieder Religion in den Alltag.

Kinder stellen oft Fragen, mit denen wir nicht (mehr) rechnen. „Wenn Gott Wunder tut, warum hat die Mama dann immer noch so Kopfweh?“, „Wenn ich brav bin, macht Gott die Oma dann gesund?“ und andere mehr. Kinder sind oft eine Chance für Erwachsene, sich religiösen Fragen wieder zu nähern, ohne gleich Antworten wissen zu müssen. Wenn Kinder ihre Eltern, Großeltern oder andere vertraute Personen fragen, dann wollen sie wissen, wie diese Person denkt. Und dann wollen sie manchmal auch wissen, wie man sonst noch denken kann. Ein Kind weiß, wen es fragen will – es ist also richtig, dem Kind das zu antworten, was wir selbst wissen und denken und glauben. Wenn ein Kind mit einer Antwort nicht zufrieden ist, wird es nachfragen, bei anderen Personen weiterfragen, gerade im religiösen Bereich. Also: Vertrauen Sie darauf, dass die Frage eines Kindes an Sie gerichtet ist, dass das Kind von Ihnen wissen will, wie Sie denken, was Sie glauben.

Du und ich.
Kinder machen sich zugleich ihre eigenen Gedanken. Und oft ist es für Erwachsene mindestens so spannend, zum Antwortgeben das Kind auch nach seinen Gedanken zu fragen. So ins Nachdenken zu kommen, mit einem Kind auszutauschen, wie ich denke und wie du denkst, was ich glaube und was du glaubst, kann eine wunderbare Anregung für beide sein. Selbstverständlich kann es dann auch spannend sein, weiteres Wissen dazu im Internet oder in einem Buch nachzuschauen.

Lebensmittel Beziehung
Vielleicht überrascht es, wenn es um religiöse Erziehung von Kindern geht, dass ich Sie ermutige, einfach mit Kindern ins Gespräch zu kommen. Aber in der Pädagogik ist heute klar, dass das wichtigste Lebensmittel für Kinder Beziehung ist. Bindung, Sicherheit und Orientierung sind wichtig, damit sich ein Kind gut entwickeln und gut lernen kann. Beziehung bildet die Basis für Erziehung, nicht umgekehrt. So geben Erwachsene einem Kind viel mit, wenn wir seine Fragen ernst nehmen – und miteinander nach Antworten suchen, Antworten, die die Tradition des Glaubens gibt, Antworten, die uns selbst glaubwürdig geworden sind. Denn Kinder haben – neben dem Recht auf Nahrung, Wohnung und Bildung – auch ein Recht auf all das, was fragen und nachdenken, staunen und fasziniert sein lässt. Kinder haben ein Recht darauf, mit den „großen Fragen“ nicht alleingelassen zu werden.

Die großen Fragen
Friedrich Schweitzer nannte fünf: Wer bin ich und wer darf ich sein? Warum musst du sterben? Wo finde ich Schutz und Geborgenheit? Warum soll ich andere gerecht behandeln? Warum glauben manche Kinder an Allah? Wenn Kinder fragen, wollen sie wissen, was ihre Bezugspersonen denken und glauben – damit sie entdeckenkönnen, was sie selbst denken und glauben können. Als Erwachsene sind wir Gesprächspartner für das Kind, gerade in religiösen Fragen. Das Kind erlebt, dass das Nachdenken und Nachfragen über „Gott und die Welt“ wichtig ist – und dass es Spaß machen kann. Im Gespräch erleben wir, was „Religion“ im engsten Sinn des Wortes ist, nämlich „Rückbindung“ – an die Menschen, die für uns wichtig sind, und an Gott selbst, dessen Name im jüdisch-christlichen Glauben genau diese Erfahrung beschreibt: JHWH – übersetzt heißt das „Ich werde da sein“.

Anregungen

Kinder wie Jugendliche antworten zwar oft brav, wenn Erwachsene sie etwas fragen, aber sie erzählen oder fragen von sich aus meist dann, wenn es ihnen einfällt, wenn wir gerade nicht damit rechnen.

Als erwachsene Person gelingt es manchmal, spontan ein paar eigene Gedanken zu äußern. Oft aber ist es auch sinnvoll zu sagen, dass ich über eine Frage zuerst nachdenken will, dass wir später darüber reden wollen. Der Zeitpunkt sollte aber festgelegt und auch eingehalten werden.

Manchmal macht es auch Spaß, zum Ausklang des Tages jeweils über eine Frage nachzudenken, miteinander zu philosophieren. Dann dürfen beide Personen alle Gedanken zum Thema sagen, Zustimmung und Gegenrede sind erlaubt. Nur unterbrechen darf man einander nicht. Gut ist, dieses Philosophieren über „Gott und die Welt“ zeitlich zu begrenzen – je nach Alter des Kindes (einige bis 15 Minuten).

(aus KirchenBlatt Nr. 18 vom 8. Mai 2011)