Die Krippe der Familie Morscher in Göfis ist von außergewöhnlicher Größe. Wer vor ihr steht, kommt in Bewegung. Und entdeckt das Geburtsgeschehen von unterschiedlichsten Perspektiven aus. Eine spannende Reise.

Patricia Begle

Krippen sind oft mit einem Blick erfasst. Da ist die Geburtsszene, ein paar Hirten, vielleicht noch ein Engel. Beim längeren Hinschauen zeigen sich dann - je nach Vorliebe des Krippenbauers bzw. der -bauerin - ein paar Details. Ganz anders ist dies bei der Krippe von Franz Morscher in Göfis. Da lässt der erste Blick erstaunen, manche irritiert er wohl. Denn erfasst wird erst mal gar nichts. Auf 6 Meter Länge und 1,7 Meter Tiefe breitet sich in der Stube der Familie Morscher eine Landschaft aus, die an das Heilige Land erinnert. Sandig und felsig, vereinzelt ein wenig Grün. Wer nach links schaut, erkennt Felder mit Hirten, ab und zu ein kleines Haus oder eine Höhle. Auf der rechten Seite erhebt sich eine Stadt, in der die Häuser ineinander verschachtelt sind - wie es im Orient eben üblich ist.
Mittendrin eine Art Höhle. Hier spielt sich jenes Geschehen ab, das Menschen weltweit zu Weihnachten feiern: die Geburt Jesu.

Wurzel
Franz Morscher hat immer schon Krippen gebaut. Als Vierjähriger mit seiner Großmutter, später mit Schulfreunden, dann in seiner Werkstatt. Einen Kurs hat er nie gemacht. Know-how holte er sich aus Büchern oder im Austausch mit anderen. Seine Ausbildung zum Tischler kam ihm natürlich zugute, mehr aber sein Blick für Wurzeln. „Ich seh‘ einer Wurzel an, was man aus ihr machen kann. Das liegt mir einfach, das ist eine Gabe“, erzählt der leidenschaftliche Krippenbauer. So bringt er von seinen Spaziergängen im Wald oft Material mit nach Hause.

Farbe
Für die große Krippe verwendete er fast nur Eichenwurzeln, das ist sehr hartes Holz. Damit die Wurzeln diese sandig-felsige Farbe bekommen, müssen sie zuerst weiß grundiert werden. Dann wird Beize aufgetragen. Mit einem nassen Schwamm wird diese wieder abgewischt - je nach Intensität werden dabei unterschiedliche Farbnuancen erzeugt. Mit Farbpulver, das ebenfalls mit dem Schwamm aufgetupft wird, können dann noch Farbtöne eingearbeitet werden. Der Göfner verwendet gerne Rottöne. „Eine Besucherin meinte einmal, dass die Landschaft genau wie das Heilige Land aussieht“, erzählt er lachend. Die Morschers waren noch nie dort - aber sie haben ein Stück davon zuhause. Früher hat der begabte Handwerker noch Palmen wachsen lassen bei seinen Krippen. Davon ist er abgekommen. Heute zaubert er aus Thujen wunderschöne Zypressen. Und die kleinen Zweige des Hirschheiderichs, die bei uns auf 2000 Meter zu finden sind, eignen sich bestens als Baumäste. Die Blätter bleiben ein paar Jahre grün.
 
Szenen
Franz Morscher hat die Kunst des Krippenbauens ständig weiterentwickelt. Nicht nur, was das Technische anbelangt, sondern auch die Geschehnisse, die hier inszeniert werden. So haben sich zur Geburtsszene noch andere wichtige Ereignisse aus dem Leben Marias und Josefs dazugesellt: die Verkündigung, die Weisung des Engels an Josef, der Besuch Marias bei Elisabeth, die Herbergsuche und schließlich die Flucht nach Ägypten. Es dauert schon eine Zeit lang, die Szenen im Gesamt zu entdecken, doch mit Hinweisen des Krippenbauers ergibt sich so manches Aha-Erlebnis.

Durchdacht
Die Darstellungen sind wohl überlegt, bis in kleine Details hinein. So zeigt sich zum Beispiel bei der Verkündigungsszene am Dach des Hauses von Maria eine Glocke. Sie erinnert an das Glockenläuten beim „englischen Gruß“. Maria selbst sitzt lesend vor einem großen Buch, hinten am Regal liegen noch weitere Bücher. Oder die Brücke, die zwischen Stadt und Geburtshöhle zu sehen ist. Sie verbindet symbolisch das Alte mit dem Neuen Testament. Oder die Fluchtszene: der Weg der beiden führt hinten aus der Stadt hinaus, nicht vorne durchs große Tor. Außerdem geht der Weg steil hinauf, dann wieder bergab - ein schwieriger Weg eben.

Schaf und Wolf
Seit 1999 schon wird die Krippe in dieser Größe jedes Jahr im Advent aufgebaut, zwei Tage dauert es. „Die Krippe kann in 13 Teile zerlegt werden“, erklärt Franz Morscher, „sie werden dann wie ein Puzzle wieder zusammengesteckt - ohne Schrauben.“ Etwa 90 Figuren - Grödner-Figuren - und 250 Tiere „bevölkern“ die Landschaft. Schafe, Ziegen, Esel, Tauben, Kamele und natürlich Ochsen. Außergewöhnlich ist sicherlich der Wolf. Er gehört zum heiligen Franziskus, der in einer kleinen Höhle an der Krippe mit dem Jesuskind steht. Immerhin war der Heilige der erste, der das Geschehen von Bethlehem lebensgroß inszeniert hat, damit die Menschen sich besser in die Szene hineinversetzen können.

Franz und Brigitte Morscher2Besuch
Dieses Hineinversetzen ermöglichen die Morschers auch anderen Menschen. Seit Jahren schon halten sie ihre Stube für Interessierte offen - bis zu Maria Lichtmess. Rund 200 Menschen kommen jedes Jahr. Viele sind selbst Krippenbauer/innen, manche kommen immer wieder und wieder andere wissen kaum, was sie mit dem riesigen Bild anfangen sollen. Die Morschers schätzen die Besuche. „Man lernt Leute kennen und kommt mit ihnen ins Gespräch“, erzählt Franz Morscher. „Und es ist für mich auch eine Form der Anerkennung.“  

Entfaltung
Wie viele Krippen er schon gebaut hat in seinem Leben, weiß der Göfner nicht. „Zwei- bis Dreihundert“, so schätzt er. Viele hat er auch verkauft. Das Krippenbauen ist mehr als ein Hobby für ihn, es ist seine Leidenschaft. „Hier kann man sich entfalten“, weiß er. „Und ich kann das machen, was mir gefällt. Ich muss mit keiner Mode gehen.“ Den großen Einfallsreichtum des Krippenbauers entdeckt man einen Stock tiefer. Dort findet sich eine Krippensammlung, bei der unterschiedlichste Elemente „verbaut“ wurden. Von der Kokosnuss bis zum Fernseher. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die Krippe

kann bis 2. Februar bei Familie Morscher, Badidastraße 130b, Göfis, besichtigt werden.
Anmeldung unter T 05522 31369.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 51-52 vom 21. / 28. Dezember 2017)