Seit Tagen sorgt ein Fragebogen aus Rom für außerordentliche Aufmerksamkeit. Auch deshalb, weil darin eine ganze Reihe „heißer Eisen“ angesprochen werden: Empfängnisregelung, Wiederverheiratete und Sakramente oder gleichgeschlechtliche Beziehungen. „Wir wollen dazu keine persönliche Bewertung der Bischöfe, sondern wir wollen wissen was die Menschen denken und wie sie leben“, sagt der Sekretär der Bischofssynode, Lorenzo Baldisseri.

zum Mitmachen: der Fragebogen

Hans Baumgartner

Der am Dienstag vergangener Woche in Rom veröffentlichte Fragebogen ist Teil des Vorbereitungsdokuments zur III. Außerordentlichen Bischofssynode im Herbst 2014. Das Thema: „Die pastoralen Herausforderungen der Familie im Rahmen der Evangelisierung.“  Was wie ein sperriger Titel einer akademischen Vorlesung klingt, ist in der Realität ein unter die Haut gehendes Thema: Das Gelingen von Beziehung ist bei jeder Umfrage einer der wichtigsten Werte – und doch erleben viele gerade in diesem Bereich Scheitern und Erschütterung. Dieser krisenhaften Entwicklung und weiteren drängenden Fragen im Bereich Beziehung, Ehe und Familie muss sich die Kirche stellen, und „gesprächsfähig und effizient“ nach Antworten suchen, heißt es schon im ersten Absatz des Vorbereitungsdokuments.

Hinhören
Papst Franziskus selber habe die Beziehungs- und Familienfragen ganz nach vorne in seiner „Agenda“ gerückt und gehe dabei offensichtlich neue Wege, freut sich der Familienseelsorger Franz Harant. „Es war schon überraschend, dass er der für 2015 geplanten Bischofssynode zur Familienpastoral eine außerordentliche Synode vorgeschaltet hat, um die Themen breiter und eingehender zu beraten. Ein bisher einmaliger Vorgang.“ Und zu dem auch medial vielzitierten Fragenkatalog meint Harant: „Der Vorgang, dass man vor römischen Synoden an die Bischofskonferenzen auch Fragen zum jeweiligen Thema (z. B. Bibelpastoral, Liturgie) ausschickt, ist normal.

Mag. Franz Harant Mag. Franz Harant
ist Familienseelsorger der Diözese Linz
und Geistlicher Assistent des Forums Beziehung, Ehe und
Familie der Katholischen Aktion Österreichs (Familienwerk).

Neu – und die Schlagzeilen tatsächlich wert – aber ist, dass der Vatikan selber diese Fragen öffentlich macht, für jede und jeden zugänglich (Internet). Und dass den Bischöfen klar gesagt wird: Wir wollen nicht eure Meinung hören, sondern wir wollen wissen, was die Menschen in euren Gemeinden denken – und was sie leben.“  Dass die österreichischen Bischöfe diesen Auftrag ernst nehmen wollen und dafür in jeder Diözese eine „Anlaufstelle“ einrichten, begrüßt Franz Harant ausdrücklich.

Was ist wirklich?
Zu dem in neun Abschnitten mit insgesamt 39 Fragen gegliederten Fragebogen selbst meint Harant: „Die Themen, die darin angesprochen werden – vor allem die zur persönlichen Gestaltung von Partnerschaft und Sexualität, liegen großteils schon lange auf dem Tisch. Neu ist, dass sie von ,ganz oben‘ erstmals sehr offen als ,Fragen‘ angesprochen werden. Ich hoffe sehr, dass dieser Fragebogen nicht als Klagemauer über den Niedergang von Glaube und Moral, die zu Beginn des Dokuments ausführlich dargestellt werden, gedacht ist. Vielmehr gehe ich davon aus, dass man wirklich wissen will, wie die Seelsorger/innen, die zuständigen Facheinrichtungen der Kirche sowie die betroffenen Menschen darüber denken. Man will ganz offensichtlich der Wahrheit ins Gesicht schauen, den unterschiedlichen Lebensrealitäten und wie die Menschen und die Kirche damit umgehen. Und – so hoffe ich – auch Schlüsse daraus ziehen.“

Tabus aufbrechen
Durch diese Befragung werde eine Tür aufgetan, meint Harant, „offen über Dinge zu sprechen, die bisher mit einer Art kirchlichem Tabu belegt waren oder nur unter der Hand praktiziert wurden.“ Wenn die Haltung zu Methoden der Empfängnisregelung zu einem Rechtgläubigkeitstest hochstilisiert werde oder wenn Bischöfe Angst hätten, offen über die in ihren Diözesen gehandhabte Praxis des Zugangs von wiederverheirateten Geschiedenen zu den Sakramenten zu reden, so sei das keine gesunde Situation, um eine menschen- und lebensgerechte Beziehungs- und Ehepastoral zu entwickeln, meint Harant.

An „den Rand“ gehen
Dieses „Herumdrücken“ sei auch für die Außenwirkung der Kirche schlecht. „Wir haben mit dem Evangelium eine starke, befreiende Botschaft und wir haben mit unseren Fachstellen zur Begleitung und Beratung von Paaren kompetente Einrichtungen, die den Menschen helfen können, Beziehung zu gestalten und Krisen und Brüche zu bewältigen. Und dennoch erwarten sich viele Menschen in diesen für sie so wichtigen Lebensbereichen von der Kirche nichts mehr– bestenfalls eine schöne Hochzeit“, meint Harant. Und er verweist auf Papst Franziskus,  der die Kirche immer wieder aufruft, sich um jene zu kümmern, die am Rand sind oder sich durch ihre Lebenssituation am Rand fühlen – anstatt den paar „treuen Schafen“ unentwegt die Locken zu wickeln.

Die Chance nutzen.
Die von Rom gestellten Fragen richten sich  inhaltlich an unterschiedliche Adressaten, an Bischöfe und Seelsorger/innen ebenso wie an die kirchlichen Fachstellen für Beziehung, Ehe und Familie sowie an die Menschen in ihren ganz konkreten Paar- und Familiensituationen. Wenn die Antworten darauf in der knappen Zeit bis Ende Dezember gut zusammengetragen und unverfälscht weitergegeben werden, könne daraus für die Bischofssynode ein durchaus repräsentatives und differenziertes Bild gezeichnet werden, wie Beziehung, Partnerschaft, Ehe und Familie in Österreich im gesellschaftlichen und kirchlichen Kontext gesehen und gelebt werden, meint Harant. Deshalb hält er es auch für wichtig, dass möglichst viele Gläubigen „an der Basis“ die Chance nutzen und sich an diesem einmaligen Befragungsprozess beteiligen.

Antworten in der Spur Jesu
Von der Bischofssynode wünscht sich Harant, dass man auf diese weltweit vermutlich sehr unterschiedlichen Realitäten unvoreingenommen hinhört. Und er hofft, dass man das Thema möglichst lange offen hält ohne vorschnell mit bisherigen Antworten einen Deckel daraufzudrücken. „Wenn man schon so umfassend fragt, erwarte ich mir, dass man dann auch, ausgehend von den Lebensrealitäten und orientiert am Jesuswort und Jesusverhalten, wirklich um Antworten ringt. Die so erarbeiteten Orientierungslinien sollten auch eine Weite haben, die es möglich macht, eine pastorale Praxis zu entwickeln, die auf unterschiedliche regionale Herausforderungen eingeht. So haben beispielsweise Fragen der Empfängnisregelung in Afrika vermutlich eine andere Dimension als in Österreich.“ 

Zum Mitmachen

Der Fragebogen

Das Vorbereitungsdokument zur Außerordentlichen Bischofssynode über die „pastoralen Herausforderungen der Familie im Rahmen der Evangelisierung“ gliedert sich in drei Teile:

Zunächst wird die krisenhafte Situation von Partnerschaft, Ehe und Familie beispielhaft angesprochen. Damit wird auch die Dringlichkeit begründet, die der Papst diesem Thema beimisst, sodass er erstmals ein zwei-
stufiges Synodenverfahren verfügt hat: die Außerordentliche Synode 2014 soll den Ist-Stand erfassen sowie erste Vorschläge sammeln. Auf der  Ordentlichen Synode 2015 sollen konkrete Leitlinien für die Pastoral ent-
wickelt werden.

Im zweiten Teil wird die kirchliche Lehre zur Familie dargelegt, ausgehend von der Bibel bis zu den wesentlichen Aussagen der päpstlichen Lehrschreiben und des Katechismus der Kirche.

Der dritte Teil umfasst 39 Fragen, die in neun Kapitel gegliedert sind. Von ihrem Inhalt her richten sie sich an unterschiedliche Adressaten. Am ehesten an die Gläubigen richten sich Fragen aus dem Bereich 4 (Pastoral in schwierigen Ehesituationen), dem Bereich 5 (gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften) und dem Bereich 7 (Offenheit der Eheleute für das Leben).
Im letzten Bereich geht es u. a. darum, ob die Gläubigen die Lehre der Kirche über die „verantwortete Elternschaft wirklich kennen“, was sie von den unterschiedlichen Methoden der Empfängnisregelung halten, ob die Morallehre der Kirche akzeptiert wird bzw. welche Aspekte der Lehre die Akzeptanz besonders erschweren.

Den Fragebogen finden Sie ab 19. November unter: www.efz.at

Die Antworten an: umfrage@kath-kirche-vorarlberg.at

Bischöfe laden ein zum Mittun

Bischofskonferenz

Die österreichischen Bischöfe haben auf ihrer Vollversammlung vergangene Woche die Abhaltung einer außerordentlichen Synode zu den „pastoralen Herausforderungen der Familie“ ausdrücklich begrüßt. Sie unterstützen auch die Vorgabe des Synodensekretariates, „die darauf abzielt, möglichst breit zu erheben, wie die Gläubigen über diese Themen denken“. Seit der Vorwoche steht das Dokument einschließlich der 39 Fragen auch auf der Homepage der Bischofskonferenz.

In der Erklärung der Bischofskonferenz heißt es wörtlich: „Das Generalsekretariat der Bischofssynode erwartet die Antworten bis Ende Jänner. Daher werden die österreichischen Bischöfe bis zum Jahresende innerhalb der Diözesen das Dokument und die Fragen auf den verschiedenen kirchlichen Ebenen behandeln. Pfarren, Dekanate und andere kirchliche Einrichtungen sind zur Stellungnahme genauso eingeladen wie Einzelpersonen, damit ein möglichst klares und umfassendes Bild entsteht.

Darüber hinaus werden kirchliche Fachstellen, Organisationen und Bewegungen in den Bereichen Familie, Evangelisierung und Laienapostolat gezielt angefragt. Die Diözesanbischöfe werden dazu für ihre Diözesen
eine Ansprechperson nominieren, die die Rückmeldungen sammelt. Die Ergebnisse sind ein wesentlicher Bestandteil der bischöflichen Stellungnahmen zum Vorbereitungsdokument für die Sondersynode und werden im Rahmen des Ad-limina-Besuchs der österreichischen Bischöfe (27. bis 31. Jänner 2014) in Rom übergeben werden.“

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(aus KirchenBlatt Nr. 46 vom 14. November 2013)