Das 21. Philosophicum in Lech stand unter dem Motto „Mut zur Faulheit. Die Arbeit und ihr Schicksal“. Das hochkarätige Symposion widmete sich auch der Frage des bedingungslosen Grundeinkommens. Fulminanter erster Hauptvortrag und auch Höhepunkt des Philosophentreffens bildete der streckenweise bekenntnishafte Vortrag von Professor Ulrich Körtner.

Wolfgang Ölz

Wenn Michael Köhlmeier und Konrad Paul Liessmann literarisch und philosophisch durch die Kulturgeschichte streifen, wenn Landeshauptmann Markus Wallner und Bundesministerin Sophie Karmasin ihre Sicht auf Faulheit im Ländle bzw. die Schwachstellen des Bildungssystem kundtun, dann ist im Nobelschiort Lech in der Nebensaison geistig gesehen Hauptsaison - dank dem Philosophicum. Beim Magna-Impulsforum diskutierten Experten wie Margit Appel von der katholischen Sozialakademie über das bedingungslose Grundeinkommen als Utopie zur gegenwärtigen Arbeits- und Leistungsgesellschaft.

Bekenntnishaft

Es ist bemerkenswert, dass die traditionell aufklärerisch-kirchenkritischen Macher des Philosophicums den ersten großen Vortrag dem evangelischen Theologen Ulrich Körtner überantworteten. Konrad Paul Liessmann begrüßte ihn als „einen der renommiertesten evangelischen Theologen im deutschsprachigen Raum“.  Der aus Funk und Fernsehen bekannte Körtner nutzte seine Chance für einen äußerst differenzierten, bibelfesten, philosophisch niveauvollen, witzigen und auch christlich-bekenntnishaften Auftritt. Der gelernte Pfarrer redete die versammelte Philosophenschar nicht ohne Schalk mit den Worten „Liebe Gemeinde“ an, um anschließend seine Genugtuung kundzutun als evangelischer Pfarrer in einer „bummvollen römisch-katholischen Kirche“ sprechen zu dürfen (Der Ort des Philosophicums ist Jahr für Jahr die neue katholische Kirche von Lech).

Müßig statt faul

Ausgehend vom „wirkmächtigen Narrativ“ der Protestantismusthese des Soziologen Max Weber, der das protestantische Arbeits- und Berufsethos als eine der Voraussetzung für den modernen Kapitalismus betrachtet, betonte Körtner die evangelische Möglichkeit, die Arbeit als Gottesdienst im Alltag zu verstehen. Körtner brach eine Lanze für die Muße, ein Begriff der nicht wie die Faulheit auf die Trägheit als eine der sieben Todsünden bezogen ist. Er strich die gesellschaftspolitische Notwendigkeit des Freien Sonntags heraus. Wenn von der Politik mehr Flexibilität in der Arbeitszeit gefordert werde, dann hält Prof. Körtner das einerseits für eine Notwendigkeit, andererseits mahnte er aber ein, dass kulturelle Errungenschaften wie eben etwa der Freie Sonntag nicht einfach über Bord geworfen werden sollten. Die Herausforderung bestehe heute darin, die Arbeit neu zu erfinden.

Zur Person

Ein Wissenschaftler, der verstanden wird

Prof. Dr. DDr. h.c. Ulrich H. J. Körtner (Jahrgang 1957) lehrt an der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Wien Systematische Theologie und Religionswissenschaften. Seine Publikationsliste ist so umfangreich, dass man sich die Frage stellen könnte, ob dem streitbaren Wissenschaftler des Jahres 2001 keine Festschrift „droht“. Prof. Körtner versichert glaubhaft, dass ihm statt jeder Festschrift, die nur Artikel an Artikel reihen würde, ein „Fresskorb mit Sekt“ lieber ist.

Er selbst arbeitet viel und gern, weil er seinen Beruf als Berufung erfährt. Seine Aufgabe sieht er als Theologe nicht nur darin an der Uni zu lehren, sondern auch zu „predigen“ - ist er doch auch ausgebildeter Pfarrer. Auch in seiner Tätigkeit als Bioethiker versteht er es als seine Aufgabe, den Medien immer wieder Rede und Antwort zu stehen, sei es nun, dass er angefragt wird, oder weil er selbst es für wichtig hält zu einer Thematik öffentlich Stellung zu beziehen.

Prof. Körtner ist in einem evangelischen Pfarrhaus in Westfalen aufgewachsen. In späteren Jahren hat er unter zahlreichen anderen Forschungsschwerpunkten auch zu Glaube und Religionskritik gearbeitet. Sein Vater hat schon früh sein kritisches Denken gefördert. Prof. Körtner hat - abgesehen von Entwicklungen in der Frömmigkeit - seinen Glauben aus Kindertagen nie revidieren müssen, weil er immer schon kritisch reflektiert war.