„Wenn Sie keine weiteren Pensionszeiten mehr erwerben, erhalten Sie als Bruttopension 570 Euro 14-mal im Jahr.“ Das steht auf einem Bescheid für Gerda T.* über die „Erstgutschrift“ am Pensionskonto.

Gerda T. ist 50 Jahre alt. Bis zur Pension wird sie nicht mehr viele Gutschriften erwerben können. Und sie weiß aus Gesprächen, dass sie nicht die einzige Frau mit einem „Schockerlebnis Pensionskonto“ ist. Die Katholische Aktion verlangt politische Änderungen.    

Heinz Niederleitner

 „Es war wie ein Tiefschlag“, sagt Gerda T. „Ich wusste, dass nicht viel herauskommen würde“, ergänzt die Akademikerin, die als Mutter von vier Kindern viel in Teilzeit gearbeitet hat. „Dass aber die Kindererziehung so wenig ins Gewicht fällt, ist bitter, besonders wenn es immer heißt, wir bräuchten mehr Kinder, um das Pensionssystem zu erhalten. Wenn ich jetzt meinen Lebensentwurf und den Bescheid anschaue, müsste ich meinen Töchtern eigentlich sagen: Macht es ganz anders als ich. Studiert, wenn überhaupt, kurz, arbeitet immer Vollzeit, bekommt keine Kinder und engagiert euch nicht ehrenamtlich. Denn mein Lebensentwurf führt in ein finanzielles Problem.“

Es war ein Ziel des „Pensionskontos“, mehr Transparenz ins Pensionssystem zu bringen – wobei „Konto“ nicht stimmt, weil es nach wie vor ein System auf Grundlage des Generationenvertrags ist: Die Arbeitenden zahlen für die jeweils in Pension befindliche Generation ein, nicht für sich selbst. Mit dem „Pensionskonto“ wird nun für viele konkreter, dass Frauen deutlich geringere Pensionen bekommen als Männer (siehe „Zahlen und Fakten“). Sehr ernst ist das bei jenen Frauen, deren Pensionierung absehbar ist: Ihnen bleibt kaum eine Möglichkeit, das „Pensionskonto“ noch schnell zu „füllen“, wenn sie nicht das Geld haben, Beitragszeiten nachzukaufen – bei Bezieherinnen geringer Einkommen ist das nicht zu erwarten.

Abhängigkeit

Eine der Auswirkungen von niedrigen Frauenpensionen ist eine Abhängigkeit vom Ehemann, der meist die bessere Pension bekommt. Besonders, wenn die Ehe nicht harmonisch verläuft, stellt sich für die Frau die Frage, ob sie finanziell mit ihrer aktuellen oder künftigen Pension auf eigenen Beinen stehen kann. Die Ausgleichszulage (siehe Zahlen und Fakten) stockt zwar eine zu geringe Pension auf einen Mindestrichtsatz auf. Der allein liegt aber immer noch unter der Schwelle der Armutsgefährdung (laut EU-SILC).

Österreichs Sozialsystem basiert stark auf dem Erwerbseinkommen. Zwar sei im generellen Langzeitvergleich die Gruppe der Frauen, die eine höhere Pension bekommen, gewachsen, weil heute mehr Frauen überhaupt im Erwerbsleben stehen als früher, sagt Martin Schenk von der Armutskonferenz. Das sei eine Folge von Bildungsinvestitionen der 60er und 70er Jahre. Aber bei geringem Einkommen wirkt sich ein Knick in der Lebenseinkommenskurve prekär auf die Pension aus.

Gründe
Was das konkret meint, erläutert Sybille Pirkl-bauer, Frauen-Expertin der Arbeiterkammer: „Die Erwerbskarrieren von Frauen sind oft durch Kinderpausen unterbrochen. Der Wiedereinstieg in den Beruf erfolgt dann oft in langen Teilzeitphasen mit geringem Verdienst. Dazu kommt, dass der Teilzeitstundenlohn im Durchschnitt unter dem Vollzeitlohn liegt.“ Kindererziehung ist übrigens nur eine von mehreren Tätigkeiten in der Familie, die sich auf das Erwerbsleben auswirken. Das Pflegen von Angehörigen gehört ebenso dazu. Außerdem sind typische „Frauenberufe“ schlechter bezahlt als typische „Männerberufe“. Und es gibt auch die direkte Diskriminierung bei vergleichbaren Anstellungen von Frauen und Männern beim Gehalt: „Die Statistik Austria hat errechnet, dass – wenn man alle Unterschiede wie Teilzeitarbeit, unterschiedliche Branchen oder Berufe heraus rechnet – Frauengehälter um 14,8 Prozent unter jenen der Männer liegen“, sagt Pirklbauer.

Abhilfe
Was kann man also tun, damit Frauen am Ende des Erwerbslebens mehr Pension bekommen? Nützen kann laut Pirklbauer alles, was den Einkommenserwerb von Frauen erhöht, also zum Beispiel der Ausbau der sozialen Infrastruktur (Kinderbetreuungsplätze, Nachmittagsbetreuung, mobile Pflege ...), um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern; eine höhere Beteiligung der Männer an der Familienarbeit; eine andere Berufswahl der Frauen: in Richtung Technik und Naturwissenschaft; oder die Umschulung von Frauen, die in „Sackgassenberufen“ feststecken.

Wahlfreiheit?
Aber was nützt das Frauen wie Gerda T., die nicht mehr viele Versicherungsbeiträge ansammeln können? Unberücksichtigt bleiben Kindererziehung und unter Umständen auch die Pflege naher Angehöriger bei der Pensionsberechnung nicht: Pro Kind werden vier Jahre mit einer Bemessungsgrundlage von aktuell 1650 Euro angerechnet. Und pflegende Angehörige können sich auf Antrag kostenlos weiterversichern lassen. Allerdings beklagt die Katholische Aktion Österreich Lücken im System: So weist Norbert Thanhoffer, Sprecher des Forums „Beziehung Ehe Familie“ darauf hin, dass die vier Jahre Kindererziehung nur dann voll angerechnet werden, wenn in diesem Zeitraum kein weiteres Kind geboren wird. Bekommt eine Frau beispielsweise nach dem ersten Kind zwei Jahre später noch ein zweites, werden ihr nur sechs und nicht acht Jahre für die Pension angerechnet. „Das ist ungerecht“, kritisiert Thanhoffer.

Auch die Höhe der Bemessungsgrundlage sollte angehoben werden, fordert das Forum „Beziehung Ehe Familie“. „Da Leistungen der Kindererziehung, der Pflege und in der Freiwilligenarbeit auch der Allgemeinheit zugutekommen, sollten sie im Sozial- und Pensionsversicherungssystem angemessen bewertet werden“, heißt es in einer aktuellen Aussendung. Die höchstens vier Jahre Anrechnung der Kindererziehungszeit helfen auch kaum gegen das Problem, dass Frauen wegen der Kindererziehung oft lange Jahre nur Beiträge aus Teilzeitarbeit in die Pensionsversicherung einzahlen. Damit ist auch die oft beschworene Wahlfreiheit relativ: „Frauen, die ein tradiertes Familienbild wählen und als Mutter zu Hause bleiben, laufen Gefahr, in der Altersarmut zu landen“, kritisiert Norbert Thanhoffer von der Katholischen Aktion.

Das Forum hat die Forderungen geschlechtsneutral formuliert, auch wenn klar ist, dass vor allem Frauen von dem Problem betroffen sind. Martin Schenk von der Armutskonferenz sagt, dass das Problem in dem Maß, in dem sich Männer in Pflege und Kindererziehung einbringen, sich auf sie überträgt.

Protest

Bleibt die Frage, was Frauen wie Gerda T.* nach ihrem Pensionskonto-Schock jetzt machen? Von der privaten Pensionsvorsorge, die sie und ihr Mann abgeschlossen haben, erhofft sie sich kaum etwas, weil die einst gegebenen Versprechungen nach der Finanzkrise hinfällig seien. „Nur die Politik kann etwas machen“, sagt sie und hofft auf einen Protest der unterschiedlichen Frauenorganisationen.
* Name von der Redaktion geändert.

ZAHLEN UND FAKTEN

Pensionen
Der Jahresbericht der Pensionsversicherungsanstalt 2013 nennt als durchschnittliche monatliche Brutto-Pension der Männer 1357,48 Euro. Bei den Frauen sind es 833,44 Euro. Sieht man sich nur die Alterspensionen an (also ohne Invalidenpension), stehen 1513,16 Euro bei den Männern 924,82 Euro bei den Frauen gegenüber. Der Unterschied beträgt fast 39 Prozent.

Armutsgefährdung
Das hat Auswirkungen auf die Armutsgefährdung von Pensionistinnen: Die Statistik Austria weist nach Zahlung der Sozialleistung rund 146.000 Frauen im Alter von 65 oder mehr Jahren als armutsgefährdet aus (Daten aus 2012). Das sind 17,8 Prozent aller Frauen in dieser Altersgruppe. In der entsprechenden Gruppe der Männer sind es rund 71.000 Personen oder 11,5 Prozent.

Ausgleichszulage
Die Ausgleichszulage ergänzt ein zu geringes Gesamteinkommen des Pensionisten auf einen Richtsatz: Der Richtsatz für Einzelpersonen beträgt für alleinstehende Pensionist/innen (gilt auch für Witwen/Witwer): 857,73 Euro (14 Mal jährlich). Bei Ehepaaren beträgt er gemeinsam (!) 1286,03 Euro.

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(aus dem KirchenBlatt Nr. 39 vom 25. September 2014)