Vier junge Erwachsene sitzen mit mir am Tisch. Sie sind die „Zweite Generation“. Ihre Väter und Mütter, Tanten und Onkel - insgesamt sechs Menschen - sind seit 40 Jahren in der Entwicklungszusammenarbeit tätig. So sind die Kinder in zwei Kulturen aufgewachsen und in die Zusammenarbeit zwischen Ländern in Nord und Süd ganz selbstverständlich mit hineingewachsen. Dabei haben sie erfahren, welche Potentiale im Netzwerk einer Großfamilie stecken. Welche Spuren das in ihrem Leben zieht, erzählen die vier im KirchenBlatt-Gespräch.

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Patricia Begle

Verena, Albert, Magdalena und LukaMagdalena-Verena-Albert-Lukass.
Was die vier verbindet, sind nicht nur die gemeinsamen Großeltern, sondern auch ihr Aufwachsen in einem anderen Land. Sambia, Kamerun und Türkei. Drei junge Familien hatten in den 80er-Jahren den Mut, in eine fremde Kultur einzutauchen. Die Eltern von Verena, Albert und Magdalena taten dies als Entwicklungshelfer/innen. Dabei wurden sie von Afrika „infiziert“ und gaben ihre Begeisterung an ihre Großfamilie weiter. Heute beteiligen sich Alt und Jung ganz selbstverständlich an dem Projekt, das Franz und Hannes Rauch vor 13 Jahren ehrenamtlich in Mdabulo/Tansania begonnen haben. 


Das Projekt
Was als Landwirtschaftsprojekt an einem Ort begonnen hat, ist zu einem Netzwerk geworden, das mittlerweile über 20 Orte umfasst. Verschiedenste Teilprojekte sind dazugekommen - immer entstanden sie aus einer Notwendigkeit. „Es führt eines zum anderen, von der Landwirtschaft zur Handwerksausbildung, zum Solar- und Wasserprojekt... das finde ich total schön“, beschreibt Verena den Prozess. Jedes Projekt wird vor Ort von einem Kommitee getragen, das aus gewählten Frauen und Männern besteht. Das bedeutet hohen organisatorischen Aufwand, ist aber Basis für die Eigenverantwortlichkeit und das selbstständige Arbeiten. „Die Kommitees arbeiten genauso ehrenamtlich wie wir, das ist wichtig“, bemerkt Magdalena.

Der Einsatz
Zur Mitarbeit beim Projekt gehören nicht nur die Tätigkeiten der Einen Weltgruppe, die mit unterschiedlichsten Veranstaltungen ihr Anliegen an die Öffentlichkeit und dadurch Geld auf das Projekt-Konto bringt. Alle vier waren auch schon in Tansania im Einsatz. „Das war keine bewusste Entscheidung“, erinnert sich Magdalena. „Es hat irgendwann geheißen: Wer geht mit hinunter?“ Die Einsätze dauern drei bis vier Wochen und umfassen ein Teilprojekt, das abgeschlossen werden kann. Das ist den jungen Erwachsenen wichtig. So tragen sie an der Verantwortung mit, sind aber nicht überfordert.

Die Lebensweise
Das Leben der Menschen in den ländlichen Gebieten verläuft zyklisch, es richtet sich nach der Regen- und Trockenzeit. So kommen sie immer wieder an den Punkt, an dem sie mit ihrer Arbeit fertig sind. „Das macht die Menschen glücklich. Sie können sich zufrieden zurücklehnen, weil sie nicht mehr produzieren als sie brauchen. Sie sind nicht glücklich, weil sie arm sind, sondern weil sie eben diese Wirtschaftsform haben“, beschreibt Lukas. „Bei uns hier läuft es linear“, vergleicht Verena. „Es geht nach vorne, nach mehr ...“

Beweggründe
Diese Lebensweise und die Zufriedenheit der Menschen ist einer der Faktoren, die einen Afrika-Aufenthalt so faszinierend machen. Der Kontakt mit den Menschen verbindet, er erdet auch, relativiert so manches und ist Ausgleich für das Arbeiten hier, bei dem alles nur um Gewinnsteigerung geht. „Ich brauche es eigentlich auch“, überlegt Albert. Er möchte in Zukunft ein Mal im Jahr nach Tansania, um „sein“ Solar-Projekt weiterzutreiben. „Wenn ich sehe, dass nach zwei Wochen in einem Dorf so viel passiert ist wie vorher in 20 Jahren, dann gehe ich mit einem zufriedenen Gefühl“, erzählt Lukas.

Vertrauen
Dabei ist ihm klar, dass „sein“ Quellfassungs-Projekt nur aufgrund der jahrelangen Vorarbeit so gut gelaufen ist. „Die Leute dort haben schon Vertrauen in uns, es gibt die NGO, die Organisation und Trägerschaft übernimmt. Erst das große Netzwerk macht alles möglich.“ „Es ist unglaublich“, ergänzt Magdalena, „wenn wir hinunterkommen, stehen einfach immer schon 40 Leute da. Sie kommen gerne zum Mitarbeiten. Sie sind auch neugierig. Auch wenn sie von der Landwirtschaft leben könnten, sie suchen nach mehr.“

Langfristig
Das Vertrauen kommt auch daher, dass die Projekte auf lange Zeit hin angelegt sind. „Gerade beim Waisenkinderprojekt ist das besonders wichtig. Die Kinder wissen, dass wir längerfristig kommen. Das ist wichtig für ihre Entwicklung“, weiß Magdalena. Die Verantwortung für die Waisenkinder, die so untersützt werden, dass sie in ihren Häusern und Familien weiterleben können, ist keine leichte Aufgabe. Es sind immerhin schon 1.200 Kinder.

Zukunft

Mittlerweile sind die ersten Waisenkinder des Projektes erwachsen. Sie verpflichten sich nun, drei Jahre im Dorf zu arbeiten. „Für sie ist es eine Ehre, es macht sie stolz, wenn sie einen Beitrag zurückgeben können“, berichtet Lukas. Die Mitarbeit der Waisenkinder ist eine Möglichkeit, damit sich die Projekte zunehmend selbst finanzieren. Denn Selbstständigkeit ist eines der Langzeitziele. Dabei geht es nicht darum, dass die Länder Afrikas wie Europa werden, sondern ihren eigenen Weg finden.

HINTERGRUND

Seit 1999 arbeiten Mitglieder der Einen Weltgruppe Schlins / Röns mit Menschen aus der Gegend um Mdabulo (Tansania) zusammen. Das sind rund 20 Dörfer mit ca. 40.000 Einwohnern. Die Projekte, die gemeinsam entwickelt werden, umfassen die Bereiche Landwirtschaft, Handwerk, Soziales, Infrastruktur und Mikrokredite. Mittlerweile gibt es über zehn Teilprojekte. Träger der Projekte ist in Tansania die dafür gegründete Organisation „Rural Development Organisation“, in Vorarlberg die Eine Weltgruppe, die inzwischen Mitglieder im ganzen Land hat.

Im März wurde ein Teilprojekt - das „Quellfassungs-Projekt“ mit dem Neptun Wasserpreis 2013 ausgezeichnet. Von über 2.550 Einreichungen gewann es den Hauptpreis. In der Jurybewertung heißt es: „Dieses Projekt ist richtungsweisend für bewusstseinsbildende Maßnahmen zur Selbsthilfe der Bevölkerung. (...) Hervorzuheben sind auch einzelne Bemühungen der Projektverantwortlichen, zum Beispiel einfache und vor Ort beschaffbare Baumaterialien für die Quellfassungen zu verwenden. So gelingt Hilfe für Selbsthilfe“.

Veranstaltungshinweis:
2. Jagdberglauf. Für Profi-Läufer und Familien. Mit Kulinarischem, Musik und Spielen aus aller Welt.
So, 26. Mai, ab 9.30 Uhr, Fußballplatz Schlins.

Weitere Infos: www.eineweltgruppe.at

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(aus KirchenBlatt Nr. 18 vom 2. Mai 2013)