Wer die Wahl hat, hat die Qual, heißt es doch so schön. Ginge man nach diesem Sprichwort, wären die Qualen im Hinblick auf die Lange Nacht der Kirchen unermesslich. Im übertragenen Sinne natürlich. Mit über 200 spannenden Programmpunkten für Groß und Klein macht dieses ökumenische Großereignis nämlich die Nacht quasi zum Tag.

Simone Rinner

Prinzipiell stehen die Kirchentüren ja so gut wie immer offen. So ein „Gotteshaus“ in der Nacht zu betreten, ist dann aber doch noch einmal etwas ganz anderes. „Die Nacht bietet etwas, das in unserer technisierten Welt immer seltener zu finden ist - Atmosphäre“, erklärt Dr. Markus Hofer, Koordinator der Langen Nacht der Kirchen in Vorarlberg. Und deshalb lautet das diesjährige Motto dem Bibelspruch gemäß auch: „Finsternis wäre für dich nicht finster, die Nacht würde leuchten wie der Tag“. Die Lange Nacht der Kirchen bietet die Möglichkeit, Kirchenräume in einem ganz anderen Licht zu sehen, sie neu kennenzulernen und Orte zu erforschen, die der Öffentlichkeit sonst eher nicht zugänglich sind. Schon gar nicht bei Nacht.

Mit Glockenklang starten
Das Glockengeläut aller teilnehmenden Kirchen bildet am 29. Mai quasi den Startschuss für die Lange Nacht der Kirchen. Von Braz über Raggal bis Reuthe und Hohenweiler reichen die katholischen und evangelischen Pfarrgemeinden, die sich heuer beteiligen - mit 40 Kirchen und rund 230 Programmpunkten. Ein ökumenischer Programmpunkt ist dabei das gemeinsame Gebet der evangelischen Pfarrerin Barbara Wedam, des serbisch-orthodoxen Pfarrers Nikola Balovic und Bischof Benno Elbs um 18 Uhr im Dom in Feldkirch. Schließlich stehen nicht nur die Kirchenräume, sondern auch Begegnungen im Mittelpunkt dieses ökumenischen Großereignisses.

Ein (Zeit)plan? Unverzichtbar!
Rund 300.000 Menschen besuchen österreichweit jedes Jahr die Lange Nacht der Kirchen, die heuer bereits zum fünften Mal in Vorarlberg stattfindet. Und bei der wirklich für jeden etwas dabei ist. Da lohnt es sich, vorher einen Blick in das Programm geworfen zu haben, denn schließlich finden in den rund fünf Stunden zwischen 18 und 1 Uhr über 200 Programmpunkte statt. Aufgeschlüsselt nach Regionen sowie Kirchen und versehen mit kleinen Piktogrammen neben den Veranstaltungen kann man das Programm auf der Website der Diözese Feldkirch bereits im Vorfeld online nachlesen oder auch ausdrucken. Da fällt die Auswahl etwas leichter.
Die Rubrik „Musik“ zum Beispiel wartet nicht nur mit klassischer, sondern auch mit moderner Musik auf. Da führt die Orgel in der Pfarrkirche Herz Jesu einen Dialog mit dem Saxophon, da trifft New York - in Form der amerikanischen Sängerin Alice Mansfield - auf Bregenz, genauer gesagt die Evangelische Kreuzkirche am Ölrain. Orgelkonzerte, Kammerorchester, Gospel, gemeinsames Singen oder Literatur, die auf Jazz trifft - bei der Langen Nacht der Kirchen scheint alles möglich zu sein.

Länger aufbleiben
Auch die „Kleinen“ sollten am 29. Mai in puncto „Schlafen gehen“ einen kleinen Aufschub bekommen, denn ab 18 Uhr locken nicht nur unzählige Kirchenführungen und -ralleys, sondern auch Schatzsuchen samt Schnitzeljagd in der Kirche (z.B. in Lingenau und Dornbirn Hatlerdorf), Clown Fabo oder „Spukgeschichten im Kirchturm“ (Schwarzach). In Feldkirch-Tisis sind Kinder jeden Alters mit ihren Fahrzeugen zu einer Segnungsfeier eingeladen und in Sulz dürfen die Kleinsten bei der Geschichte „Gott baut ein Haus für uns“ selbst mit den Handpuppen mitspielen. In Hohenweiler erwartet Kinder und Jugendliche der Workshop „Essen wie Jesus“, in Dornbirn Markt findet ein Poetry-Slam, also ein Wettkampf der Dichter/innen, statt und in Rankweil laufen beim „Kopfkino“ vier Kurzfilme in Dauerschleife.

Unkonventionell
Unter der Rubrik „unkonventionelle Angebote“ finden sich Programmpunkte wie die Lichtinstallation in der Kreuzkirche am Ölrain in Bregenz oder „Reda wia d‘Lüt - Bibelstellen im Dialekt“ in Hohenweiler. Ebenso spannend dürften aber auch „Geschichte(n) und ‚Gschichtle‘ in & um & aus St. Gallus“ in Bregenz werden oder der Bibliolog in Feldkirch-Nofels. In Egg sprechen „Egger (Schein)Heilige“ über Heiligenfiguren, in der Evangelischen Heilandskirche in Dornbirn gibt es eine „interreligiöse Gesprächsrunde zum Thema Christentum und Islam“, kurz bevor eine Yoga-Meditation stattfindet und eine Weinverkostung samt biblischer Lesung lockt. Wer es wagt, kann in Sulz biblische Geschichten am Lagerfeuer genießen oder in Dünserberg bei Nacht zur St. Benediktkapelle wandern. Die Alte Pfarrkirche Nofels hat in Form des Depots der Diözese Feldkirch „Heilige auf Lager“, in Brederis landet man dank Fotoausstellung plötzlich in Indien und in Höchst schafft man mittels des Vortrags „Alls ischt andrscht as früher - Ortsansichten von früher“ gar einen Sprung in die Vergangenheit. In der Pfarrkirche St. Christoph in Dornbirn geht man der Frage nach, was die Kirchenfenster so besonders macht und erkundet ihren biblischen Hintergrund - in Dornbirn Hatlerdorf wandert der Blick dank Deckengewölbe und darauf abgebildeten Heiligen dafür gen Himmel.

Wem das alles zu viel ist, findet vielleicht im Nachtgebet, Abendlob, oder meditativen Abendgebet mit Taizégesängen das Richtige für sich, wie sie in vielen Kirchen am 29. Mai angeboten werden. Aber auch der Frage, was denn nun „typisch evangelisch“ ist oder was eine orthodoxe Liturgie auszeichnet, ist Inhalt der Langen Nacht der Kirchen - über die Religionen hinaus. Da werden auch gerne Einladungen ausgesprochen - zum Beispiel zur serbisch-orthodoxen Vesper in der Frauenkirche Feldkirch oder in den evangelischen Friedhof nach Bludenz.

Lange Nacht der Kirchen

Das Gemeinschaftsprojekt der christlichen Kirchen in Österreich
findet am 29. Mai ab 18 Uhr in 40 Kirchen vorarlbergweit statt.

Alle Informationen zu den 228 Programmpunkten, aufgeschlüsselt nach Regionen oder als PDF zum Herunterladen, finden Sie online: www.kath-kirche-vorarlberg.at/langenachtderkirchen

(aus dem KirchenBlatt Nr. 21 vom 21. Mai 2015)