Im Pfarrhaus stehen überall noch unausgepackte Schachteln, es riecht frisch gemalt und ständig klingelt das Telefon von Pfarrer Werner Ludescher. Für ein Gespräch mit dem KirchenBlatt hat der neue Seelsorger in Lauterach und Diözesandirektor der Päpstlichen Missionswerke dennoch irgendwie Zeit gefunden.

Simone Rinner

Sie sind seit 1. September neuer Diözesandirektor der Päpstlichen Missionswerke. Wie fühlt es sich an?
Ludescher: Da ist zum einen das Gefühl oder die Frage: Was wird da alles auf mich zukommen und was wird von mir erwartet? Auf der anderen Seite freue mich aber auf diese Herausforderung. Ich habe sie gerne angenommen.

Was sind Ihre Aufgaben als Diözesandirektor?
Erstens: Alles tun, was den missionarischen Geist in uns und den Missionaren und Missionarinnen vor Ort stärkt: Gebet und Einkehrtage.

Zweitens: Uns immer wieder in Erinnerung rufen, dass es um den Dienst am ganzen Menschen mit allen seinen Bedürfnissen geht: Das Bedürfnis nach einem Dach über dem Kopf, nach Nahrung, das Bedürfnis nach guter medizinischer Versorgung, nach einem Eingebettet-Sein in ein gutes soziales Netz, das Bedürfnis nach schulischer und beruflicher Ausbildung. Aber auch das Bedürfnis nach der Begegnung mit Gott, dem Suchen nach dem Sinn des Lebens, nach religiöser Bildung hat kirchliche Missionsarbeit immer im Blick. Also Dienst am ganzen Menschen. Eine Kurzformel könnte lauten: Brot und Gott bringen - den Bedürftigen, den Menschen am Rande, wo immer sie sich befinden, ob in Feldkirch, Lauterach oder in Palo auf den Philippinen. Und ich möchte ganz bewusst dazu sagen, dabei werden wir von den Menschen, zu denen wir gesandt werden, unendlich viel mehr beschenkt, als wir ihnen geben können.

Drittens: Spenden sammeln für die konkreten Projekte von „missio“. Das Spezifikum von „missio“ ist ja: Wir wollen alle für alle motivieren. Fast jede Pfarre hat eine missionarische Person oder ein Projekt, das vom Missionskreis unterstützt wird. Was ist mit den anderen, die da nicht erfasst sind? Da hat „missio“ ein besonderes Augenmerk drauf.

Das entspricht den drei Säulen, auf die Missio aufgebaut ist: Gebet, Bildung und Spende.
Genau. Ich plane mit der ersten Säule, dem „Gebet“  zu beginnen: Zum Beispiel ein Einkehrtag, an dem eine Person von ihren missionarischen Erfahrungen erzählt und wo wir um den missionarischen Geist miteinander und füreinander beten.

Warum haben Sie diese Aufgabe angenommen?
Weltkirche erfahren - lebendige Kirche auf anderen Kontinenten erleben, gehört für mich zum Schönsten, was ich in der Gemeinschaft der Kirche erfahren habe. Ich habe schöne Erfahrungen machen dürfen in Peru, Äthiopien, Kamerun und auf den Philippinen.

Haben Sie bereits irgendwelche Ziele für Missio ins Auge gefasst, die Sie gerne erreichen möchten?
Ich stehe noch ganz am Anfang meiner Arbeit: Schritt für Schritt werden sich die kleinen oder größeren Ziele ergeben. Schön wäre es aber, wenn wieder ein Missionar aus unserer Diözese zum Beispiel den Pater Georg Sporschill unterstützen und dort mithelfen würde. Aber das sind fast Utopien.
Papst Franziskus betont aber schon sehr, wie wichtig es ist den missionarischen Geist zu wecken. Die Kirche muss missionarisch sein, sonst ist sie nicht Kirche. Die Kirche muss hinausgehen. Hinaus gehen zu den Menschen. Sie muss Kontakte knüpfen. Er nennt ja immer wieder die Menschen am Rand, die erreicht werden müssen, um ihnen einfach auch die Botschaft Christi positiv zu vermitteln und sie ihnen anzubieten. Ich habe den Eindruck, dass unter Papst Franziskus das Wort „missio“ und Mission wieder mehr einen positiven Aspekt bekommt. Missionarische Arbeit geht einfach noch einen Schritt weiter als die Entwicklungshilfe und nimmt auch die religiösen Bedürfnisse des Menschen mit hinein. Da geht es dann wirklich darum: Geht hinaus, geht zu allen Völkern, verkündet ihnen das Evangelium, bringt ihnen den Schatz des Glaubens, den Sinn des Lebens.

Missio trägt ja auch den Beinamen „Päpstliche Missionswerke“. Ist dieser überhaupt noch zeitgemäß?
Päpstliche Missionswerke steht dafür, dass der Blick auf „alle“ gerichtet ist, auf alle Menschen auf den fünf Kontinenten, auf alle Menschen, die noch nie mit Jesus Christus und seiner Botschaft in Berührung gekommen sind, auf alle Menschen in den verschiedensten Nöten. Eine einzelne Pfarre kann das nicht leisten. Die päpstlichen Missionswerke müssen diesen katholischen, „alle umfassenden“ Blick haben.

Was bedeutet für Sie der Slogan von Missio „Menschen dienen, Gott geben“?
Das ist genau der Kern missionarischer Arbeit: Dem ganzen Menschen dienen, ihn nicht nur reduzieren auf seine natürlichen Bedürfnisse, sondern in jedem Menschen ein Kind Gottes sehen, das Anrecht hat, Gott kennenzulernen und ihn lieben zu lernen.

Die Päpstlichen Missionswerke unterstützen die Menschen der 1100 ärmsten Diözesen dieser Erde. Was ist für Sie Armut?
Armut ist für mich nicht nur materielle Armut. Armut ist: innere Leere, Leben ohne Sinn, ohne Freude, Einsamkeit, das Gefühl, dass sich niemand für mich interessiert. Das ist geistige Armut.
Sie ist schwerer zu sehen, aber viele Menschen auch mitten unter uns leiden darunter. Aber es ist auch materielle Armut: Ich kenne Diözesen, wo fähige junge Männer nicht Priester werden können, weil das Geld fehlt. Wo Menschen verhungern, weil die Mittel nicht da sind. Wo kein menschenwürdiges Leben möglich ist, weil wir unsere Geldtasche nicht weit genug öffnen.

Sie sind nicht nur der Diözesandirektor der Päpstlichen Missionswerke, sondern auch Pfarrer in Lauterach. Wie schaffen Sie diesen „Spagat“?
Es braucht in der Pfarrgemeinde wie in der Mission Menschen, die für Christus brennen. Es braucht den „missionarischen Geist“: Das Verlassen des bequemen Sofas, das Hinausgehen zu den Menschen, das innere Feuer, das für Christus brennt und uns antreibt, mit anderen den kostbaren Schatz des Glaubens zu teilen.
Ich danke der Diözese, dass sie mir auch einen Kaplan zur Seite gestellt hat, der mich in Lauterach vertreten kann, immer dann, wenn ich für „missio“ unterwegs bin. So gesehen muss ich keinen Spagat machen.

Woraus schöpfen Sie Kraft für diese anspruchsvolle(n) Tätigkeit(en)?
Ganz schlicht und einfach: Aus der Verbindung mit Jesus Christus. Ohne ihn könnte ich diese anspruchsvolle Arbeit nicht anpacken. Und ich lasse mich mich inspirieren von den missionarischen Heiligen, wie ein hl. Franz Xaver, Damian de Veuster oder Therese von Lisieux. Und ich zähle auf das Gebet und die konkrete Unterstützung von vielen, denen „missio“ auch heute noch ein Anliegen ist.

ZUR PERSON

Pfr. Werner LudescherWerner Ludescher wurde 1956 in Rankweil geboren. Nach dem Besuch des Bundesgymnasiums in Bregenz studierte er in Innsbruck und München Theologie. Am 28. Mai 1982 empfing er durch Bischof Bruno Wechner in der Pfarrkirche Götzis die Priesterweihe.

Fünf Jahre diente er als Kaplan in Dornbirn St. Martin (1982 bis 1987), anschließend drei Jahre in Bregenz Herz-Jesu. Werner Ludescher war 13 Jahre Pfarrer in Fontanella (1990 bis 2003)und elf Jahre in Dornbirn-Oberdorf St. Sebastian (2003 bis August 2014) mit Pfarrer Paul Riedmann. Seit dem 1. September 2014 ist er Pfarrer in Lauterach und Direktor der Päpstlichen Missionswerke der Diözese Feldkirch.

Weitere Informationen zu Missio Vorarlberg erhalten Sie online:
www.missio.at/vorarlberg

(aus dem KirchenBlatt Nr. 39 vom 25. September 2014)