Moritz ist sieben Jahre alt, als seine Mama an Krebs stirbt. Mitten in der Vorweihnachtszeit. Auch die achtjährige Eva hat ihre Mutter an den Krebs verloren. Und der Vater der sechs Jahre alten Anna lebt ebenfalls nicht mehr.

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„Ich finde den Gott nicht mehr gut, weil er ist nämlich der Bestimmer dafür, wer sterben muss oder nicht. Ich finde den Gott doof“, schreibt Moritz in einer E-Mail, die er zusammen mit der Trauerbegleiterin Mechthild Schroeter-Rupieper verfasst hat. Eine Methode von vielen, Kindern und Jugendlichen die Themen Tod und Trauer näherzubringen.

Zur Sache: Bunt gemischt im KBW

Kinder und der Tod
„Rund 250.000 Leichen sehen Kinder bis zu ihrem 18. Lebensjahr“, erklärt die Referentin Schroeter-Rupieper beim Seminar „Für immer anders“. Natürlich sind die nicht echt, sehen aber täuschend echt aus. Der „richtige“ Tod und alles was dazugehört, wird hingegen meistens von Kindern ferngehalten. Gut gemeint, aber leider falsch. „Kinder brauchen Informationen“, erklärt Schroeter-Rupieper. Sie sollten von Geburt an zu Beerdigungen mitgenommen werden, Tote - wenn sie möchten - anfassen können und die Trauer sehen.

Keine Herzlichkeit ohne Trauer
„Trauer ist keine Krankheit, keine Fehlfunktion, sondern ein ganz normaler, gesunder und psychohygienisch notwendiger Prozess von einschneidenden Verlusten und Veränderungen“, so die Referentin. Diese Trauer sollen Kinder sehen - schließlich lernen sie am Vorbild Eltern. Trauer muss bestätigt und zugelassen werden, denn wer das nicht kann, kann auch keine Herzlichkeit zulassen, erklärt sie.

Wieso, weshalb, warum?
Für Kinder ist beim Thema Tod vor allem eines wichtig: sachliche Erklärungen! „Wir müssen Kindern etwas beibringen damit sie Fragen stellen können“, erläutert die Referentin. Es sei wichtig zu erklären, warum die Mama jetzt anders aussieht und sich nicht mehr bewegt. Dass sich die Kinder davon selbst überzeugen möchten, ist nur natürlich. Angreifen inbegriffen. Der Tod gehöre nicht zum Erfahrungsfeld von Kindern, dennoch dürfe man ihnen nicht die Chance nehmen zu trauern. Dazu gehört auch die Beerdigung, die Schroeter-Rupieper als „Abschiedsfest“ versteht. Und wenn man Kindern dieses Fest vorenthält, „dann ist da eine Lücke“.

Wo Sterben ansteht
Um diese Lücke erst gar nicht entstehen zu lassen, hat Schroeter-Rupieper in Deutschland ein Institut für Familientrauerbegleitung gegründet, mit dem sie Familien „wo Sterben ansteht“ hilft. Jeden Tag hat sie dort mit Kindern zu tun, die gerade einen  geliebten Menschen verlieren oder verloren haben. Davon, dass Sterben nichts für Kinder sei, hält sie nichts. Das gehöre zum „Gesund groß werden“ schließlich dazu.

"Ich habe nur Kopfschmerzen"
In ihrer Arbeit hat die Mutter von drei Söhnen und einer Pflegetochter viel mit Kindern zu tun, die ein oder beide Elternteile oder auch Geschwister verloren haben. Schlimme Situationen, die natürlich von Tränen begleitet werden. Und diese sollen die Trauernden auch zeigen. Kinder lernen, wie bereits erwähnt, am Vorbild Eltern. "Wenn ein Kind spürt, dass seine Mama traurig ist, sie aber aus Rücksicht auf das Kind sagt, dass sie nur Kopfschmerzen hat, erzieht sie ihm Wahrnehmungsstörungen an", erläutert Schroeter-Rupieper das Dilemma der Rücksichtnahme.

Richtig trauern oder "der Typ für etwas sein"
Männer, Frauen und Generationen trauern auf verschiedene Arten und keine davon ist falsch. Grundsätzlich gibt es aber vier verschiedene Typen, die unterschiedlich auf Verlust reagieren: "fühlen, denken, handeln oder vermeiden", zählt die Referentin als Muster auf. Wie man dann mit Trauer umgeht, kommt auf den einzelnen Menschen an. "Man ist einfach der Typ für etwas", meint Schroeter-Rupieper.

Sowas tut man nicht!
Nach dem Tod eines geliebten Menschen in eine Pfütze springen? Lachen? Sich verlieben? Lange weggehen? Unmöglich, finden meistens die Mitmenschen. Kinder können traurig und von einem Moment auf den anderen fröhlich sein. "Gesund groß" werden nennt Schroeter-Rupieper das,  was wir Erwachsenen verlernt haben. Die Gesellschaft diktiert "was man tut oder nicht tut". "Man kann aber trauern und trotzdem verliebt sein", ist sich die Referentin sicher.

Medikamente, ja oder nein?
Wenn die Tränen einfach nicht versiegen wollen und sich die Mitmenschen Sorgen um einen machen, man vor einem Zusammenbruch steht und keiner mehr weiter weiß, gibt es für viele nur eine Antwort: Medikamente. Aber: "Wenn ich mit einem Dauergrinser herumrenne und fröhlich bin, bietet mir doch auch keiner Medikamente an", zeigt Schroeter-Rupieper den Unterschied auf. Warum also bei Trauer? Weil man sie nicht aushalten kann! Dabei ist das Zusammenbrechen nach dem Verlust eines geliebten Menschen völlig normal. "Und manchmal brauchen die anderen ein Medikament, das aber ich einnehmen muss", erklärt sie.

Mit Trauer umgehen
Um die Trauer wirklich bewältigen zu können, muss aber jeder vier Aufgaben erledigen:
1. Den Verlust begreifen und akzeptieren
2. Die Vielfalt der Gefühle zulassen und ausdrücken
3. Lernen mit den Veränderungen zu leben
4. Dem Verlust einen Ort geben

Was man tun kann, wenn einem die Traurigkeit bis zum Hals steht, man sie aber nicht zeigen will, weiß Moritz: die Luft anhalten! Versuchen Sie es auch einmal!

Mehr von der Arbeit von Mechthild Schroeter-Rupieper, von Trauer, Sterben und Trösten finden Sie in ihrem Blog. Egal ob Sie mit Moritz die Antwort auf seine "Gott ist doof" E-Mail lesen, mit dem 5-Jährigen Yannik in Pfützen spingen oder mit der 13-Jährigen Julia in einer Parfümerie ihren Vater wieder riechen wollen, reinlesen lohnt sich.
Hier gehts zum Blog.

 

Zur Sache

Bunt gemischt

Der Wunsch Erfahrungen zu sammeln, zu wissen wie man mit der Situation am besten umgeht, aber auch persönliche Schicksalsschläge werden von den rund 20 Teilnehmer/innen des Seminars u.a. als Grund genannt, warum sie jetzt zusammen in einem Kreis sitzen. „Für immer anders - Wenn Kinder und Jugendliche trauern“ lautet der Titel und zugleich auch das Programm der Veranstaltung mit Referentin Mechthild Schroeter-Rupieper.

Viele Bereiche. Die Tätigkeitsbereiche aus denen die Teilnehmer/innen kommen, sind so vielfältig wie ihre Gründe: eltern.chat Moderator/innen, Referent/innen der Elternbildung und Purzelbaum Gruppenleiterinnen haben sich unter Betreuerinnen in Kleinkindeinrichtungen sowie Mitarbeiter/innen vom Kriseninterventionsteam Vorarlberg und vom Roten Kreuz gemischt.

Man lernt nie aus. Weiterbildungsveranstaltungen wie diese bietet das Katholische Bildungswerk Vorarlberg (KBW) „seinen Mitarbeiter/innen“ regelmäßig entweder kostenlos oder zu einem reduzierten Beitrag an. „Es ist uns ein großes Anliegen, dass unsere Referent/innen, Gruppenleiterinnen und Moderatorinnen die Möglichkeit bekommen, sich mit verschiedenen Themen auseinanderzusetzen“, erklärt Mag. Marlies Enenkel-Huber vom KBW. Rund 150 Personen nehmen dieses Angebot derzeit in Anspruch. Veranstaltungen, die sich lohnen.

Weitere Informationen und alle Termine unter
www.elternbildung-vorarlberg.at