Den „Stoff“, aus dem er seine Geschichten webt, holt sich Georg Magirius häufig aus der Bibel. Doch dann versetzt er Adam und Eva, Sara und Abraham und viele andere mit Witz und Fabulierlust in heutige Szenen und Vorstellungswelten. Und er kratzt dabei an gängigen Konsumbildern ebenso wie an gewohnten Glaubensbildern.

Bild rechts: Adam und Eva von Marc Chagall. Mit der „verbotenen Frucht“ tauchen sie in eine andere Welt ein. Sie sahen sich und die Welt mit neuen Augen.

Serie "Paare der Bibel" - bekannte Geschichten neu erzählt.
Teil 1:  Adam und Eva

Georg Magirius


von Georg Magirius
Evangelischer Theologe und Autor

Es war die erste Liebesgeschichte der Welt. Adam und Eva besaßen ein göttliches Versprechen: Euch soll’s für immer paradiesisch gehen. Konkret hieß das: Spaß und Lockerheit an jedem Tag – und niemand soll sich schämen. So stand es in Neonschrift über dem Eingang der riesigen Ferienclubanlage.

Paradies?
Die Schrift leuchtete nur nachts, denn tagsüber war es niemals trübe, immer schien die Sonne. Adams und Evas Leben glich einem Urlaub ohne Ende. Gott höchstpersönlich hatte den Ferienclub geschaffen, der Garten Eden hieß. Zum Gelände gehörte ein prächtiger Strand, selbstverständlich FKK. Alles war frei und locker. Spät am Morgen standen Eva und Adam auf. Im Frühstücksraum wurden auf einem Flachbildschirm die Freizeitangebote vorgestellt, zu denen fröhliche Betreuer luden: Segeln, Surfen, Volleyball am Strand. Voraussetzungen gab es keine, einzige Bedingung: „Bitte nackt erscheinen!“

No Problem?
Sich in die ständig gute Laune der Animateure fallen zu lassen, macht auf Dauer vielleicht ein wenig dumm. Andererseits war dieses Leben attraktiv, unter anderem gab es Reisen durch die großen Waldgebiete. Auch das wurde von gut gelaunten Animateuren betreut, doch war das immerhin Safari pur: Ganz nah ging es zu den wilden Tieren. Die waren aber gar nicht wirklich wild, sondern ließen sich sehr gern streicheln. Hatten die beiden Dauerurlauber Hunger, war das kein Problem. Sie mussten niemals kochen. Ihre Nahrung hing an Bäumen oder lag feinsinnig zubereitet auf dem abendlichen Buffet, vor dem es nie Gedränge gab. Nur einen Wermutstropfen hatte das Buffet: Alles war ungeheuer gesund, eine Ernährung, wie sie für einen paradiesischen Körper unter der ewigen Sonne nötig ist. Die vielleicht – wer weiß – wirklich leckeren Früchte eines ganz bestimmten Baumes aber waren verboten. Da sah die Frau, dass es köstlich wäre, von dem Baum zu essen, dass der Baum eine Augenweide war und dazu verlockte, klug zu werden. Sie nahm von seinen Früchten und aß. Und gab ihrem Mann, der bei ihr war, und auch er aß. (Gen 3,6)

Genug?
Und diese Rebellion geschah zu der Zeit, als Adam und Eva es satt hatten, sich unaufhörlich zu vergnügen. Ständig Spaß, Offenheit, dazu die Gespräche der Clubmitglieder über die göttlichen Körper, die bei noch mehr Wellness nochmals schöner würden. Genug! Adam und Eva widersetzten sich, indem sie von den verbotenen Früchten aßen. Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze. (Gen 3,7) Denn die freie Ferienclubkultur war ihnen nur noch peinlich.

Alles neu
Adam und Eva wollten nun auch Gott, der für ihren ewigen Urlaubsaufenthalt verantwortlich war, nicht mehr ständig „Danke“ sagen. Sie suchten ein Leben, das mehr  von ihnen selbst gestaltet und verantwortet war. Und sie hörten Gott, wie er im Garten ging, als der Tag kühl geworden war. Und Adam versteckte sich mit seiner Frau vor dem Angesicht Gottes unter den Bäumen im Garten. (Gen 3,8) Sie hatten sich vom Sonnenspaß ins Kühle davongestohlen, endlich Schatten. Klug geworden, marschierten Adam und Eva nun nicht mehr im immergleichen Urlaubstakt. Ohne Betreuung kamen ihnen Ideen, wie sie sonst nur Kinder haben, sie fanden ein Versteck im Wald und bauten sich eine Hütte. Bekleidet waren sie und wollten sich immer neu verkleiden. Und geboren war die Zeit, dass sich Menschen auch entkleiden konnten. Alles war geheimnisvoll, fantastisch neu und ungewohnt. Da waren Angst und Scham, Verborgenheit.

In Freiheit
Und Gott, der Herr, rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du? Und er sprach: Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich. (Gen 3,9.10) Da war ein Lärmen im Garten Eden. Gott, der Erbauer der Ferienanlage, staunte: Adam und Eva waren überhaupt nicht mehr feriensüchtig und ergeben, sondern eigensinnig. Und Gott sah: Er musste die beiden gehen lassen. Er selbst hatte ihnen die Option ermöglicht. Der Urlaub war vorbei, es erwartete sie die wilde Freiheit des alltäglichen Lebens. Doch Adam und Eva blieben zusammen und überlebten, denn ihre Rebellion hatte sie sehr stark gemacht.  Und ihre Liebe wurde jeden Tag gefordert.

(aus KirchenBlatt Nr. 23 vom 6. Juni 2013)