Darf man über den (bevorstehenden) Holocaust lachen? Nur dann, wenn auf der Bühne ein Jude Witze darüber macht? Oder gar nur, weil der Stückschreiber selbst Jude ist?

Dietmar Steinmair

Das Vorarlberger Landestheater setzte „Mein Kampf“ auf den Spielplan. Eine (tod-)sichere Sache, ist das Stück doch eines der meistgespielten auf deutschen Bühnen, und ist sein Autor niemand geringerer als George Tabori (1914-2007), für viele einfach nur „der Theaterkönig“. Tabori selbst, der fast seine ganze Familie in Ausschwitz verloren hat, nannte sein Werk einen „theologischen Schwank“. Um Gott geht es zwar weniger in dem Stück, zumindest auf den ersten Blick. Doch jüdischer Humor zeichnet sich gerade dadurch aus, dass er hintergründig ist, dem Leser/Hörer/Zuschauer Platz lässt für die eigenen Fragen, das eigene (Ver-)Zweifeln, das eigene im Hals steckengebliebene Lachen.

Tabori setzt Adolf Hitler aus Braunau am Inn in ein Männerheim in Wien. Ausgerechnet der Jude Schlomo Herzl nimmt sich des jungen, an der Kunstakademie abgewiesenen Möchtegern-Malers an, schenkt ihm seinen Mantel und empfiehlt Hitler sogar, in die Politik zu gehen. Der gekränkte „Patriot“ aber beantwortet diese Freundlichkeit oft genug mit Wutausbrüchen und epileptischen Schreikrämpfen. Am Ende schlachtet Hitlers Brutalo-Kamerad Heinrich Himmlisch sogar Herzls Huhn Mizzi, dazu nimmt Hitler noch den Titel von Herzls bislang erfolglosem Buchprojekt „Mein Kampf“ gewaltsam an sich. Der jüdische Gastgeber hört dennoch und trotz aller Erniedrigungen nicht auf, Hitler zu lieben - seinen Freund, der zu seinem und zum Feind von Millionen von Juden werden sollte.
Die Dialoge und der Sprachwitz Taboris sind mitreißend, intelligent und lassen einem oft genug das Grinsen im Gesicht einfrieren. So sagt Hitler - im Falle seines Erfolges als Künstler - Herzl einen Ofen als Geschenk zu, damit dieser es schön warm habe. Das sei am Ende ja auch eine saubere Lösung. Herzl wiederum fragt sich, ob jemand, der Hühner verbrennt wie Heinrich Himmlisch, eines Tages nicht auch Menschen verbrennen werde.

30 Jahre nach der Uraufführung am Wiener Akademietheater, inszeniert Matthias Rippert „Mein Kampf“ in Bregenz mit vielen, allzu vielen Anspielungen auf Westernfilme. Das Wiener Männerasyl als Saloon lenkt mehr ab als dass es hilft. Manche Parallelen zu Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ sind schlicht zu viel.
Die Schauspieler, allen voran Felix von Bredow als Hitler und Thomas Schmidt als Herzl, überzeugen jedoch auf ganzer Linie. Erwähnenswert ist auch die Leistung von Jungschauspielerin Carolin Knab als Gretchen. Eine Groteske wie Taboris Stück muss auch gut umgesetzt werden. Und das gelingt in der kurzweiligen Bregenzer Version über weite Strecken fast ebenso gut, wie Musik und Live-Videoprojektionen funktionieren.

Trotz oder auch gerade wegen allen (rechts-)populistischen Treibens der Gegenwart: Über den (un-)möglichen Werdegang Adolf Hitlers im Wien des Jahres 1910 muss man lachen. Lachen dürfen.

TERMINE

Mein Kampf.
Farce von George Tabori.
Deutsch von Ursula Grützmacher.

Mit Thomas Schmidt, Marcus Mislin, Felix von Bredow, Carolin Knab, Alexandra Maria Nutz, Lukas Wurm. Regie: Matthias Rippert. Bühne und Kostüm: Selina Traun. Dramaturgie: Alexandra Althoff. Musik: Robert Pawliczek.

Vorstellungen:
19. Jänner, 7. / 10. Februar, 1. / 11. / 19. März,
jeweils 19.30 Uhr, Landestheater, Bregenz.

Karten:  05574 42870-600,

(aus dem KirchenBlatt Nr. 3 vom 19. Jänner 2017)