Gymnasium ade? Was die Schule der 10- bis 14-Jährigen betrifft, läuft derzeit alles in diese Richtung. Nach der Präsentation der Forschungsergebnisse letzten Freitag soll nun in Vorarlberg landesweit und schrittweise auf eine „gemeinsame Schule“ hingearbeitet werden. Die Umsetzung soll in acht bis zehn Jahren erfolgt sein.

Dietmar Steinmair

Das Land Vorarlberg hatte ein umfangreiches Forschungsprojekt zum Thema „Gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen“ in Auftrag gegeben. 19.700 Lehrer, Eltern und Schüler sind befragt worden. Nach der Präsentation der Themen „Bildungshaltungen und Bildungserwartungen“ im November 2014 wurden am Freitag vergangener Woche in Bregenz die Ergebnisse zu den Bereichen Schulorganisation, Pädagogik und rechtliche Rahmenbedingungen vorgestellt.

Zweigliedriges System passt nicht mehr
Die beiden wichtigsten Begriffe, die den Empfehlungen zugrunde liegen, sind „Chancengerechtigkeit“ und „Leistungsorientierung“. Die Empfehlung selbst ist mehr als deutlich: „Für das Bundesland Vorarlberg wird mittelfristig landesweit die schrittweise Weiterentwicklung der Sekundarstufe I hin zu einer gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen - auf Basis von Individualisierung und innerer Differenzierung - empfohlen“, so die Fachleute. Die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für eine baldige Umstellung auf eine gemeinsame Schule seien derzeit aber noch nicht erfüllt. Ebenso deutlich das Urteil über den Ist-Zustand: „Das zweigliedrige System passt nicht mehr zur Schulrealität“, wie es im Bericht wörtlich heißt.

Vorbereitungsmaßnahmen
Um eine Schule mit „Individualisierung und innerer Differenzierung“ umzusetzen, braucht es für die Forscher mehrere vorbereitende Maßnahmen: Eine gemeinsame Ausbildung der Lehrpersonen, mehr Schulautonomie, zusätzliche Mittel und Personal für Schulen mit besonderen Herausforderungen, eine intensivere Elternzusammenarbeit, eine Neudefinition der Schulsprengel und schließlich eine bedarfsgerechte Finanzierung der Schulen.

Nächste Schritte
Auf der Pressekonferenz letzten Freitag kündigte Landesrätin Bernadette Mennel an, dass in einem ersten Schritt die nötige Struktur für eine schrittweise Weiterentwicklung der Schulen der 10- bis 14-Jährigen aufgebaut werden müsse. Dieses Gremium soll die Entwicklungsmaßnahmen priorisieren und einen Zeitplan erstellen. Dabei soll es von einer Geschäftsstelle im Ressort der Landesrätin unterstützt werden. Bereits begonnen wurde mit der Ausarbeitung eines pädagogischen Konzepts für eine Pädagogik der Individualisierung und der Nutzung des autonomen Rahmens der Schulen. Mennel sagte, sie nehme die Empfehlungen der Experten sehr ernst: „Ziel ist eine spätere Bildungswegentscheidung.“

Empfehlungen und zentrale Ergebnisse des Forschungsprojektes als PDF-Download

Zur Sache

Reaktionen
Für den Bildungssprecher der Grünen im Landtag, Daniel Zadra, kommen die Ergebnisse einem „Paukenschlag“ gleich, die nichts weniger als eine Umstellung des gesamten Systems bedeuten würden. Ergebnisse in dieser Deutlichkeit habe er nicht erwartet.

Überrascht und „mega-zufrieden“ von den Ergebnissen war FPÖ-Bildungssprecher Christoph Waibel. In den weitesten Teilen der Bevölkerung sei der Wunsch nach einer gemeinsamen Schule da.

SPÖ-Bildungssprecherin Gabi Sprickler-Falschlunger zeigte sich „ganz optimistisch, dass die ÖVP in ‚diesem Fall‘ bereit sei, dies umzusetzen“.

Zurückhaltender war Martina Pointner von den NEOS: „Es soll ja eine Umstellung des Systems für ganz Vorarlberg geschehen. Man darf gespannt sein, wie die ÖVP auf Landes- und Bundesebene hier reagieren wird.“

Dem zu erwartenden Gegenwind in den eigenen Reihen - wie von der Initiative „Pro Gymnasium“ mit ihrem Sprecher, ÖAAB-Lehrer-Obmann Wolfgang Türtscher, oder von der Schülerunion - will ÖVP-Landesrätin Mennel begegnen, indem sie die kritischen Stimmen und die Verunsicherung ernst nehme. Es brauche Diskussionen und Aufklärung. Wichtig sei jedenfalls, die Kinder mitzunehmen, so Mennel.