Der Blick auf die Kriegsverbrechen der Nazis und das Aufkommen der atomaren Massenvernichtungswaffen lösten in der Kirche eine tiefgehende Veränderung in der theologischen Betrachtung des Krieges aus.

Der Krieg und die Kirche

Serie Teil 5 von 5

Bild rechts: Mit dem "Peace Memorial Park" erinnert Hiroshima an den Atombombenabwurf am 6. August 1945. Angesichts derartiger Massenvernichtungswaffen kam die Kirche zu einer weitgehenden Ächtung des Krieges.

Severin RenolderDr. Severin Renolder
Sozialreferent Diözese Linz, Pax Christi Österreich

 

 

 

Der Kirche war klargeworden, wohin ihre (fast) blinde Anerkennung staatlicher Autorität führen kann, da jeder Staatschef seinen Krieg als „gerechten“ darstellt. Und sie erkannte angesichts von Hiroshima und Nagasaki, dass die modernen Waffen so schrecklichen Schaden anrichten, dass man nie mehr von einem „gerechten“, „angemessenen“ Krieg zugunsten höherer Güter (z. B. der Freiheit) sprechen konnte.

Kurswechsel
Papst Johannes XXIII. verfasste 1963, am Höhepunkt des Kalten Krieges, seine Friedensenzyklika „Pacem in terris“. Darin stellt er die Lehre vom „gerechten Krieg“ als überholt dar. Massenvernichtungswaffen bezeichnete er als Verbrechen und die Idee, internationale Fragen kriegerisch zu lösen, als Unrechtsakt. Er wollte zu einer Stärkung der UNO beitragen, die ein mit Macht ausgestattetes Instrument der weltweiten Streitbeilegung werden müsste. Das II. Vatikanische Konzil griff diese Position auf und verurteilte den Einsatz von Massenvernichtungswaffen als „Verbrechen gegen Gott und den Menschen“ (die einzige Verurteilung dieses Konzils!). Schon die Drohung und Bereitstellung sei eine Sünde, da sie die Mittel verschwende, die zur Beseitigung der weltweiten Ungerechtigkeit und des Hungers nötig seien.


Der Fall Jägerstätter wurde am Konzil erörtert und es wurde erstmals festgehalten, dass die Verweigerung des Militärdienstes für Christen legitim sei. Hier zeigte sich die Stärke der Weltkirche und der Päpste, die über den nationalen Tellerrand blicken konnten. Sie machten damit indirekt auch den Irrtum nationaler Bischofskonferenzen deutlich, die nur ihren Staat und ihre Kriegspartei unterstützt hatten.

Rüstungswettlauf
Papst Paul VI. rief die Kommission Iustitia et Pax ins Leben, die den (bis heute ungebrochenen) Rüstungswettlauf der Supermächte und die gigantischen Militärausgaben als zutiefst unmoralisch brandmarkte – als „uneingeschränkt zu verurteilende“ Gefahr, als Ungerechtigkeit, Irrtum, Vergehen und Wahnsinn der politischen Mächte. Christ/innen müssten sich kompromisslos im Namen des Evangeliums für Rüstungskonversion (Umstellung auf zivile Produkte) und die Verwendung dieser Mittel zur Bekämpfung des Hungers einsetzen. „Entwicklung ist der neue Name für Friede“, schrieb Paul VI. in seiner Enzyklika „Populorum progressio“ (1967). Alle nachfolgenden Päpste setzten diese Politik fort.


Mäßigende Kräfte
In den 1980er Jahren trieb eine neue Spirale technischer Super-Aufrüstung die Gefahr eines Atomkrieges auf die Spitze. Die Bischofskonferenzen der USA – und in der Folge auch zahlreiche Bischofskonferenzen in Europa – wandten sich teils entschieden gegen diese Aufrüstung, allerdings nicht gleich mit politischem Erfolg (s. Nachrüstungsbeschlüsse). Indirekt ist der Fall des Eisernen Vorhanges aber auch diesem Engagement zuzuschreiben, da die Entspannungspolitik Gorbatschows, der 1989 im Vatikan war, darauf aufbaute, dass es im Westen mäßigende, nicht kriegstreibende Kräfte wie die Kirchen gab. Ab den 1990er Jahren sprach sich die Kirchenleitung mehr oder weniger deutlich gegen die zahlreichen Militärinterventionen aus (Afghanistan, Irak, Lateinamerika), die – angeblich aus humanitären Gründen – in Wahrheit Rohstoffinteressen der Industrie- nationen militärisch durchsetzten.

 

Dass Atomwaffen verboten werden …

„Deshalb fordern Gerechtigkeit, gesunde Vernunft und Rücksicht auf die Menschenwürde dringend, dass der allgemeine Rüstungswettlauf aufhört; dass ferner die in verschiedenen Staaten bereits zur Verfügung stehenden Waffen auf beiden Seiten und gleichzeitig vermindert werden; dass Atomwaffen verboten werden; und dass endlich alle aufgrund von Vereinbarungen zu einer entsprechenden Abrüstung mit wirksamer gegenseitiger Kontrolle gelangen.“

Johannes XXIII,. Enzyklika Pacem in terris, 112


„Wie soll man die Tatsache rechtfertigen, dass ungeheure Geldsummen, die dazu bestimmt sein könnten und müssten, die Entwicklung der Völker voranzubringen, stattdessen für die Bereicherung von Einzelnen und Gruppen oder für die Erweiterung der Waffenarsenale sowohl in den Industrieländern wie in den Entwicklungsländern verwendet werden und so die wahren Prioritäten auf den Kopf stellen?“

Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo Rei Socialis (1987), 10