Mitten in dem Monat, an dem der Himmel lange hell ist und mit seinem unendlich weit gedehnten Blau wie offen steht, da feiern wir das Fest, an dem sich der Himmel geöffnet hat für Maria, so wie sie sich geöffnet hat für den Himmel.

zu: Maria Himmelfahrt

Msgr. Rudolf Bischof

Maria hat sich geöffnet für das Wort, so sagt uns die Schrift, für das gute, positive, ewige Wort, für das Wort Gottes. Sie hat sich so sehr für dieses Wort geöffnet und es in sich aufgenommen, dass sie davon schwanger wurde, dass dieses Wort in ihr Mensch wurde. Wir können diese Bilder nur mystisch verstehen. Dieses Wort, das Mensch wird, wohnt als Gott und Mensch unter uns. Sie öffnet sich diesem Wort und lebt es, dass es sogar zum Gesang wird, zum Lobgesang des Lebens, wie er in der Bibel nach einer Befreiung gesungen wird, wie ihn Mirjam nach dem Durchzug durchs Meer gesungen hat, wie ihn die drei jungen Menschen nach dem Feuerofen gesungen haben oder Jona nach der Errettung durch den Fisch.

Wo wir uns diesem Wort öffnen,
dort eröffnet sich das Erlösende für uns. Nicht umsonst werden wir in der Logotherapie angeleitet, uns einmal am Tag nur auf gute Worte zu konzentrieren, an einem andern Tag nur Positives zu sagen. Da merken wir, dass sich in uns und um uns etwas verändert, wir werden offenere Menschen, es öffnet sich auch für uns eine neue Weite des Lebens wie ein Himmel.
Das Fest Maria Himmelfahrt erinnert uns auch daran, dass wir uns dem Wort der Bibel öffnen sollen und dürfen. Und wenn wir das Sonntag für Sonntag tun, dann glaube ich, fällt so etwas Ewiges in uns herein, dass sich auch unser Leben öffnet und durchsichtiger wird, dass wir einen Himmel sehen, der über diesem Leben offen steht.

Maria ist ein Mensch,
der sich für die Not öffnet. Sie geht über das Gebirge zu ihrer Base Elisabeth, sie geht dorthin um Hilfe zu geben, denn sie weiß um die Not dieser alternden Verwandten, die Angst hat vor der Geburt. Sie kennt die stille Not der Menschen, sonst wäre sie nicht zu dieser Base gegangen, sonst hätte sie nicht die stille und unausgesprochene Angst der Brautleute auf der Hochzeit wahrgenommen, dass der Wein bald ausgeht und sie  ein Leben lang belächelt werden.
Sie steht auch still am Kreuzweg und unter dem Kreuz. Als es laut zuging um ihren Sohn und er als König bejubelt wurde, da ist sie nicht zu finden, aber als es still um ihn wurde, weil sich alle von ihm zurückzogen, da ist sie da.
Wer sich für die Not des Menschen öffnet, für den öffnet sich der Himmel. Maria ist ein Mensch, der sich öffnet für das, was wir Liebe nennen, für Verstehen, für Dasein, für Miteinander, für ein ganz wunderschönes Sehen: Mehr zu sehen in der Welt und im Menschen als das Oberflächliche, sich einzulassen in eine Tiefe. Auch das ist etwas, was den Himmel öffnet. Wenn wir uns liebend öffnen füreinander, liebend öffnen für die Natur, liebend öffnen für das gute verbindende Wort. Maria ist uns mitten im Sommer als Zeichen gegeben, dass der Himmel auch uns offen steht, wenn wir uns in dieser Art öffnen. 

Das Geheimnis dieses Festes sagt,
dass Maria ganz in den Himmel aufgenommen wurde mit all dem, was sie gelebt hat, mit all dem, wovor sie Angst hatte, mit all dem, worüber sie sich gefreut hat. Es ist ein Fest der Ganzheit. Wenn es heißt, sie sei mit Leib und Seele aufgenommen worden, dann heißt das für uns, dass wir unser Leben nicht teilen dürfen, sondern wir sollen den Leib und die Seele lieben und all das, was mit diesem Leib und mit dieser Seele zu tun hat.
Dieses Fest sagt uns, wir sollen und dürfen die Erde lieben, wir sollen und dürfen den Himmel lieben. Dieses Fest sagt uns, wir sollen wie Maria die Ganzheit nicht vergessen, denn dann entdecken wir mit ihr auch in der Angst Erlöstes. Dann finden wir auch im Dunkel Licht. Dann spiegelt sich für uns auf der Erde der Himmel wieder. Dann sehen wir in all dem Erdhaften auch den offenen Himmel. Dann ist für uns kein Tag so traurig, als dass es in ihm nicht einen Lichtblick gäbe. Dann wissen wir, es steht auch für uns der Himmel offen.

Madonna della Cintola

Wikimedia CommonsMaria sagt Ja.
Gott ist der große Jasager für den Menschen. Jasager werden heute manchmal verächtlich abgetan. Aber es braucht diese Jasager mitten in Situationen, die undurchsichtig sind. Marias Ja ist groß: nicht weil sie groß ist, geht es um die Welt, sondern weil sie alle Not in den versteckten Winkeln kennt und so vieles umfasst.
Da ist die Ungewissheit ihrer Schwangerschaft, in der sie Erklärungsbedarf gegenüber Josef und den andern Menschen hat und dennoch Ja sagt.
Da ist ihre Hilfsbereitschaft, die sie über den langen Weg zu Elisabeth führt, die noch hilfloser ist als sie selbst. Die beiden begegnen sich und preisen trotz aller Ungewissheit Gott.
Da ist ihr langer Weg der Herbergssuche, auf der sich auch heute viele befinden, nicht nur Flüchtlinge, sondern auch alle, denen das Schicksal den Boden unter den Füssen wanken lässt. Sie klopft ihre Finger wund und erfährt, dass zu einem Hause das eine genügt: dass Menschen füreinander da sind. Dann reicht sogar ein Stall dafür aus.
Da ist ihre Flucht, durch die sie das Kind retten muss, und dann das Warten in einem fremden Land bis der Tyrann zuhause gestorben ist.
Da ist das Suchen des pubertären 12-Jährigen, das sie nach langem Fragen zurückführt, um eine Antwort zu erhalten, die sie doch nicht versteht. Das Suchen von vielen Müttern nach ihren Kindern und das Rätseln über ihr Verhalten und ihre Worte sind darin abgebildet.
Oder da ist das Loslösen von ihrem Kind, wenn sie es im Tempel aufopfert, oder das Mitgehen auf dem Kreuzweg, auf dem sie erfahren muss, dass der glanzvolle Weg ihres Sohnes in einem schlimmen Absturz endet.
Da ist das Stehen unter dem Kreuz, aber auch das Erfahren, dass all dieses Sterben einen Sinn hat, weil der Totgeglaubte aufersteht und die Wege von Neuem mitgeht.
Da ist das Wissen, er öffnet sich und allen den Himmel und sendet den Geist.

Wenn wir all
diesen Szenen gegenüberstehen, dann wissen wir, dieses Leben Mariens war kein anderes als unseres, und unter ihrem Schutz dürfen auch wir Ja sagen zu einem Leben, das wir nicht ganz durchschauen.
Ihr Ja ist groß, denn es trägt alles, was Gott will, und so auch Gott selbst unterm Herzen:
In diesem Ja liegt das Ja zu Gottes Willen. Es ist ein Himmelsschlüssel, der auch unser Leben mit dem Himmel verbindet. So steht dem Leben der Himmel offen.

Dann dürfen wir diese Maria bitten:
Ja, Maria,
fang noch einmal an,
hier bei uns.


Maria Himmelfahrt

Am 1. November 1950 hat Papst Pius XII. die Lehre, dass Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde, als Glaubenssatz verkündet und damit die seit alters her vorhandene christliche Glaubensüberzeugung endgültig bestätigt. Das Fest „Maria Himmelfahrt“, richtiger das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel, ist in der Ostkirche bald nach dem Konzil von Ephesus (431) aufgekommen. Von Kaiser Mauritius (582-602) wurde der 15. August als staatlicher Feiertag anerkannt. In der römischen Kirche wird das Fest seit dem 7. Jahrhundert gefeiert.
Heute wird an diesem Hochfest die Bibelstelle Lukas 1,39-56 als Tagesevangelium verwendet: Nachdem Maria ihr großes Ja zu Gott gesprochen hat, sucht sie ihre Verwandte Elisabeth auf. Nach dem Gruß folgt das Magnificat.

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