Interview mit dem Religionspädagogen Anton Bucher anlässlich der geplanten Einschnitte bei den Familien im nächsten Budget. Das Gespräch führte Wolfgang Ölz.

Die Regierung plant Einschnitte bei den Familien im Ausmaß von 400 Millionen: das entspricht im Schnitt mehr als 300,- Euro pro Familie. Im Interview erzählt der Religionspädagoge Anton Bucher was Kinder uns Erwachsenen voraus haben - und warum der Staat sich für sie engagieren sollte.

Kann man Glück lernen? In der Steiermark gibt es ja sogar Versuche mit einem eigenen Schulfach „Glück“.
Bucher: Kinder müssen selber ihre Wege finden. Man kann sie nicht direkt glücklich machen. Aber in einem Schulfach „Glück“ kann man darüber berichten, wie Denker Glück bestimmt haben, man kann Erfahrungen einbringen, was Menschen glücklicher gemacht hat. Ob Kinder dadurch viel glücklicher werden, ist noch einmal eine ganz andere Frage. Wir können vom Glück berichten und hoffen, dass der Samen auf fruchtbaren Acker fällt. Genauso ist es in der Kirche, wenn wir das Wort Gottes verkünden, kann daraus Glaube werden, aber wir können es nicht machen. Aber es gibt jedenfalls einen bestimmten Zusammenhang zwischen Glauben und Glücklich-Sein.

Was können Eltern dazu beitragen, dass die Kinder die Freude an der Schule möglichst lange behalten?
Wichtig ist, dass die Kinder einfach unterstützt werden, dass die Kinder eine sichere Bindung zu den Eltern haben, dass sie das Gefühl haben, wenn in der Schule etwas danebengeht, dann werden sie zuhause nicht auch noch ausgeschimpft. Ich kenne zu viele Kinder, die dürfen nach einer schlechten Schularbeit nicht mehr Fußballspielen gehen. Das ist eine völlig falsche Reaktion!

Im Evangelium heißt es: „ Lasst die Kinder zu mir kommen, denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes.“ Warum gehört den Kindern das Himmelreich?
Dieser Satz hatte allerdings auch eine verheerende Wirkungsgeschichte, nämlich dass man zum Teil erwachsene Katholiken als kleine Kinder haben wollte, die nichts kritisieren, die nur brav sind. Diese Infantilisierung gibt es nach wie vor.
Im Zusammenhang mit dem Reich Gottes können wir sagen: Kinder können Dinge einfach annehmen, zum Beispiel Geschenke oder eine Einladung, ohne gleich daran zu denken, das nächste Mal sind wir dann dran, dann laden wir euch ein. So denken Kinder nicht. Auch beim Reich Gottes geht es darum, es einfach anzunehmen, ähnlich wie Kinder das tun, und nicht gleich zu berechnen und zu kalkulieren. Und Kinder können staunen. Das Reich Gottes ist etwas Staunenswertes. Sie können unkonventionelle Fragen stellen, sie haben innere Bilder, sie haben Phantasiekräfte.

Sind Kinder von Natur aus spirituell? Glauben sie intuitiv an Gott?
Dass Kinder intuitiv an Gott glauben, ist eines der Ergebnisse der Religionspsychologie und bestätigt eine Aussage des großen Psychologen Oswald Groh, der einmal gesagt hat „Kein Kind erfindet Gott von sich aus, aber jedes ist bereit an ihn zu glauben.“
Spiritualität hat für mich sehr viel mit Verbundenheit zu tun: sich mit der Natur oder auch mit einem Tier verbunden zu fühlen. Über diese Verbundenheit verfügen Kinder. Wenn die Augen eines einjährigen Kindes leuchten, dann wird einem klar, dass die Kinder das von irgendwoher mitbringen. Da ist eine Seele dahinter, da sind nicht nur Moleküle und 70% Wasser, wie das die Materialisten sehen. Das sind allerdings Glaubensüberzeugungen, die ich Ihnen nicht wissenschaftlich beweisen kann.

Was können wir tun, damit sich die Kinder in der Kirche wohl fühlen?
Mit einem Wort: kindgerechte Angebote. Predigt und liturgisches Hochgebet sind einfach keine kindgerechte Sprache. Kinderliturgien, Geschichten erzählen, Bilderbücher herzeigen und Kinder musizieren lassen, dann fühlen sich Kinder wohl. Wenn Kinder gezwungen werden, in die Kirche zu gehen, dann bewirkt man mittelfristig das Gegenteil. Kirchgang verknüpft mit drakonischen Strafen bewirkt oft den Austritt aus der Kirche.

Sollen Kinder gelobt werden?
Kinder brauchen Lob, und Lob kann man ganz unterschiedlich ausdrücken. Man kann es verbal ausdrücken, aber auch anders: Wenn ein Kind, das zehn Monate alt ist, sich an der Couch hochzieht und das erste Mal aufrecht steht, dann kann ich das Kind anschauen und lächelnd mit dem Kopf nicken, das ist auch schon ein Lob. Natürlich soll man Kinder loben, aber nur dann, wenn es authentisch ist, wenn Kinder auch etwas geleistet haben. Wenn aber etwas schlampig gemacht wurde, dann sollte auf keinen Fall gelobt werden.
Was kann der Einzelne und der Staat tun, damit die Kinderfreundlichkeit der Gesellschaft wieder zunimmt?
Ja, der Staat müsste mehr tun. In Frankreich gibt es mehr Transferleistungen, die Regierung dort lässt sich die Familien mehr kosten. Eine Französin bringt im Schnitt zwei Kinder auf die Welt, eine Österreicherin hingegen nur 1,3 Kinder. Wenn der Staat die Familienleistungen kürzt, sollte uns das zu denken geben.

Buchtipp

Anton Bucher, Wurzeln und Flügel. Wie spirituelle Erziehung für das Leben stärkt
Patmos-Verlag, € 15,40.

Stimmen zum Budget

Eine Woche nach der Budgeteinigung ist klar: Verlierer sind Familien und Studierende; Gewinner sind Pensionisten, Beamte, Bauern und die Bundesländer ..."  
Standard-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid

Es wurde wieder einmal der einfachste Weg gegangen und bei denen gespart, die keine Lobby haben.   
Marianne Hummer-Koppendorfer

Unsere Tochter hat nach der BHS-Matura ein Jahr zum Sprachenstudium in den USA verbracht, da geht sich ein Uni-Abschluss mit 24 Jahren gar nicht mehr aus.  
Heinz Uray

Man muss Angst um die kommenden Jahre haben. Als Familienvater von zwei heranwachsenden Söhnen bin ich schon seit Jahren auf „Sparflamme“. Doch mit dieser Regierung geht bald auch noch die Glut aus. Urlaub ist schon lange Illusion für unsere Familie.    K. Gerhard

Macht Familie arm?

„Die Regierung gibt Unsummen für fragwürdige Prestigeprojekte wie etwa den Koralmtunnel aus, bei den Familien wird hingegen um jeden Euro gefeilscht und es wird sogar mit Kürzungen gedroht!“ - Mit diesen Worten machte Dr. Clemens Steindl, der Präsident des kath. Familienverbandes, bei einer Familien-Enquete in Wien auf die Vernachlässigung der Familien durch die österreichische Politik aufmerksam.
Caritas-Präsident Franz Küberl schilderte die dramatischen Folgen von Geldmangel: Armutsgefährdete Familien haben schlechtere Bildungschancen und damit auch weniger Zugang zu sozialen Netzwerken: So verlieren sie den Anschluss an die Gesellschaft. „Schon jede vierte arme Person in Österreich ist ein Kind!“, berichtete Küberl.
Die Familienbeihilfe in Höhe von 105,4 € wurde in Österreich seit 2002 nicht mehr an die Inflation angepasst. Die 13. Familienbeihilfe, die erst vor zwei Jahren als Ersatz für die fehlende Anpassung an die Inflation geschaffen wurde, soll nun gleich wieder gestrichen werden.
„Banken sind Pröll offenbar mehr wert als Mamas und Papas“, kritisiert denn auch Andreas Prenn vom Vlbg. Familienverband.