„Seymour“, das Stück von Anne Lepper, feierte vergangenen Donnerstag im Bregenzer Theater Kosmos eine starke und bejubelte Österreich-Premiere.

Bild rechts: „In Zukunft, sagt Doktor Bärfuss, kommt jeder Dicke unters Rad. Denn was schlecht ist, muss ersetzt werden. Was fehlerhaft ist, muss ersetzt werden. Was kaputt ist, muss ersetzt werden.“

Dietmar Steinmair

Auf deutschen Theaterbühnen ist Anne Lepper keine Unbekannte mehr. Die 1978 geborene Autorin wurde bereits zu verschiedenen Theatertreffen eingeladen, vom Fachmagazin „Theater heute“ wurde sie zur Nachwuchsdramatikerin 2012 gewählt. In „Seymour“ wendet sie sich einem omnipräsenten Thema zu, das man zunächst eher der Erwachsenen-Welt zurechnen würde: dem Übergewicht. Fünf schwer übergewichtige Kinder werden von Lepper in eine Heilanstalt weit oben in den Bergen gesteckt und folgen dort täglich den akribischen Regeln des mysteriösen Dr. Bärfuss. Zu Essen gibt es nur Erbsen, jeden Morgen stehen Turnübungen auf dem Programm, Lichttherapien und Elektroschocks inklusive.

Nur, es gibt keine Fortschritte: „Du bist fett, so jemanden wie dich, das sage ich dir, weil ichs gut mit dir mein, so jemanden will niemand auf der ganzen Welt nicht.“ Dennoch warten die fünf Kinder sehnlichst auf die Ankunft des Dr. Bärfuss, der sie nach einer Generaluntersuchung zurück zu ihren Eltern schicken würde. Doch er kommt nicht.
Statt dessen lernen die Zuschauer die fünf Charaktere kennen. Und wiedererkennen in ihnen die ewige Jagd nach der Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse: Essen, Schlaf, Sexualität, Gesundheit, Bewegung, Verliebtheit, Beziehung zu den Eltern, Bildung, Schönheit.
Lepper lässt die Figuren zwar viel und heftig interagieren, die Beziehungen zwischen den Kindern entwickeln sich aber nicht. Es bilden sich keine Strukturen heraus, die emotionalen Ausbrüche scheinen oft zufällig aneinandergereiht.

Umso bemerkenswerter ist, was Regisseur Stephan Kasimir und Ausstatterin Caro Stark auf die Kosmos-Bühne bringen: Ein dreidimensionales und multimediales Bühnenbild. Immer wieder gibt es neue Ebenen und Verstecke. Großformatige Filmprojektionen versetzen die Zuschauer in die Perspektive der Kinder. Eindringliche Musik untermalt und überbrückt wie im Kino die Szenen und Zeitraffer. Wer sich für Umsetzungen und Formen begeistert, und nicht alles auf den Inhalt eines Stückes gibt, der ist in „Seymour“ ziemlich richtig.

Dazu tragen auch die schauspielerischen Leistungen bei. Am dramatischen Gipfel gegen Ende des Stücks etwa erhängt sich das erste Kind. Simon Alois Huber spielt die Szene und die folgende Reflexion grandios aus und hat hier alle Augen und Ohren auf sich. Die Umsetzung ist insgesamt so gut, dass sich auch bei einem zweiten Besuch Manches neu entdecken ließe. 

SEYMOUR

Von Anne Lepper. Österreichische Erstaufführung.
Regie: Stephan Kasimir, Ausstattung: Caro Stark, Licht: Markus Holdermann.

Mit: Sebastian Blechinger, Susanna Hohlrieder, Simon Alois Huber, Anwar Kashlan, Chris Mancin und Paul Köstl.

Vorstellungen: 8., 10., 11., 16., 17., 18., 23., 24., 25., 29. Mai 2013, jeweils 20 Uhr.

Karten: Unter www.theaterkosmos.at, bei Bregenz Tourismus (T 05574 4080) oder an der Abendkassa.
Theater Kosmos, Mariahilfstraße 29, 6900 Bregenz.

(aus KirchenBlatt Nr. 19 vom 9. Mai 2013)