Immer mehr junge Erwachsene nehmen sich vor dem Einstieg ins Berufs- oder Studienleben eine Auszeit. Zur Orientierung, zum Kennenlernen der Welt, zur Selbstfindung. Der Kennelbacher Johannes Gorbach verbrachte drei Monate als Volontär im Pilgerhaus Abuna Faraj in Nazareth, das von Sr. Martha Bertsch geleitet wird. Ein Erfahrungsbericht.

Johannes Gorbach

Ich bin relativ unwissend in dieses Land aufgebrochen: Mein „Wissen“ über Orte in Israel kam großteils aus Bibelgeschichten. Von der politischen oder gesellschaftlichen Lage hatte ich so gut wie keine Ahnung. Aus Erzählungen erwartete ich ein Land voller historischem und landschaftlichem Reichtum. Ich freute mich, erstmals meinen Heimatkontinent zu verlassen und was ganz Neues kennenzulernen.

Gastfreundschaft
Mit Neugier, Interesse und Offenheit reiste ich also am 18. Oktober 2013 von Wien nach Tel Aviv. Der erste kleine „Kulturschock“ war für mich die Sicherheits- und Einreisekontrolle, die so ganz anders war als meine Erfahrungen in Europa. Der warmherzige Empfang von meinem arabischen Taxifahrer und Sr. Martha entschädigten mich jedoch dafür.

Im Pilgerhaus Abuna Faraj in Nazareth ist die gastfreundliche Atmosphäre sowohl für Gäste, als auch für ankommende Volontäre spürbar. Sr. Martha arbeitet dort aufopferungsvoll und mit Liebe fürs Detail. Die Zusammenarbeit mit den anderen Volontären und den arabischen Frauen aus Nazareth war immer humorvoll und für mich sehr bereichernd. Das Betreuen der Gäste ist von ehrlicher Gastfreundschaft geprägt und ermöglichte mir oft das Kennenlernen sehr interessanter Menschen und das Knüpfen von internationalen Kontakten.

Schatz der Verschiedenheit
In den freien Tagen machte Sr. Martha mit uns Volontären oft sehr schöne Ausflüge und zeigte uns das Land. Sie unterstützte mich auch immer, wenn ich auf eigene Faust loszog. So hatte ich die Möglichkeit, große Teile der Vielfalt Israels zu erleben und so offen auf fremde Menschen zuzugehen, wie auch sie auf mich zugegangen sind. Über bereichernde Gespräche und persönliche Erfahrungen erhielt ich Einblick in die faszinierende arabische Kultur und in die uralte jüdische Lebensweise. Der Schatz der Verschiedenheit dieser beiden Traditionen ist gleichzeitig auch einer der Hauptgründe für Konflikte.

Bemühen um Frieden
Vielerorts ist das große Leid der Menschen allgegenwärtig. Ausgelöst durch fehlgeleitete Politik und Terror - beides oft motiviert durch religiöse Fanatiker aller Religionen - bestimmt und beschränkt oft den Alltag der Menschen. Neben vielen Fanatikern aus allen Lagern, von denen manche zu unglaublichen Gräueltaten und zum Märtyrertod bereit sind, begegnete ich vor allem vielen Menschen, die sich um ein Leben in Frieden für sich und ihre Familien bemühen. Oft führt gerade die Hoffnungslosigkeit zu Frustration, die zu radikalen Taten hinreißt. Ich bin sehr dankbar, viele kleine Bemühungen für den Frieden kennengelernt zu haben. Sie kommen aus den verschiedensten Richtungen - oft aus sehr unerwarteten! Aber es sind Menschen am Werk, deren Ziel es ist, das fehlende (weltweite) Bewusstsein zu fördern.

Widersprüchliches
Oft war ich schockiert von der Gleichgültigkeit und Ignoranz gerade von Pilgergruppen. Was nützen der Besuch und das Anbeten von „heiligen“ Steinen, Orten und Gebäuden, wenn mich das Schicksal meiner Mitmenschen nicht kümmert? So war es für mich oft unmöglich, Spiritualität in den ach so heiligen Stätten zu finden, wo es von lauten Touristen nur so wimmelt. Gute Atmosphäre fand ich an vielen Orten in Israel - meistens abseits der religiösen Kultstätten, die hauptsächlich dem Kommerz dienen.

Offenheit
An diesen Orten traf ich oft auf offene Menschen, die von einem tiefen Glauben erfüllt waren und gern Geschichten aus ihrem Leben mit mir teilten. Solche Begegnungen machten meine Reise so einzigartig und prägend für mich. Aber auch hier geht es um Bewusstsein - das ist das, was ich gelernt habe: Mit offenen Augen durchs Leben gehen - egal ob in Israel oder Österreich.

Gerade was über unsere „unabhängigen“ europäischen Medien aus Israel und Palästina zu uns gelangt, sollte nicht unkritisch geglaubt werden. Konflikte, Hass und Feindbilder, die diese Welt zerstören, basieren meist auf Vorurteilen. Für mich gibt es nur eine Möglichkeit dem entgegenzutreten: Aufgeschlossen auf jeden einzelnen Mitmenschen zugehen - frei von Vorurteilen.

Freiwilligeneinsatz im Ausland

Folgende Organisationen schaffen einen guten Rahmen für Freiwilligendienste. Dazu gehört eine entsprechende Vorbereitung sowie eine gute Betreuung am Einsatzort.

Caritas Auslandsdienst
Dauer: mindestens drei Monate
Einsatzländer: Kenia, Uganda, Peru, Indien, Nepal, Indonesien und Thailand
Nächster Infoabend: Mi 19. Februar, 18 Uhr, Caritashaus Feldkirch.
www.caritas.at/auslandshilfe

Volontariat bewegt (eine Initiative von Jugend Eine Welt und der Salesianer Don Boscos)
Dauer: zwölf Monate
Einsatzländer: Ecuador, Mexiko, Ghana, Malawi, Äthiopien, Lesotho, Rep. Kongo, Indien, Philippinen
Nächster Infotag: 22. Februar in Innsbruck.
www.volontariat.at

Auslandsdienst als Zivilersatzdienst
Dauer: zwölf Monate
Ecuador, Bolivien, Brasilien, Mosambik, Kamerun, Sambia, Sierra Leone, Kambodscha, Israel
www.meinauslandsdienst.at

Infos zum Pilgerhaus von Sr. Martha finden Sie unter www.afpilgrimhouse.com
Ein Projekt zum Weiterdenken finden Sie unter: www.breakingthesilence.org.il